2015-05-27 11:26:00

Generalaudienz: „Unsere Gefühls-Koordinaten sind etwas verrutscht“


Früher war nicht alles besser, auch beim Thema Ehe nicht. Bereits zum 16. Mal sprach der Papst bei einer Generalaudienz zum Thema Familie, und er erteilte en passant den arrangierten Ehen unserer Vorfahren eine Absage: „Es ist doch etwas Schönes, dass die jungen Leute heute ihren Ehepartner auf der Basis gegenseitiger Liebe auswählen.“ Allerdings gehöre dazu eine gewisse Reife der Entscheidung, „nicht nur Anziehungskraft oder Gefühl eines Moments“. Es brauche, kurz gesagt, „einen Weg“.

„Die Verlobungszeit ist sozusagen die Zeit, in der die zwei Partner dazu aufgerufen sind, an ihrer Liebe zu arbeiten, gemeinsam und in die Tiefe gehend. Da lernt man sich allmählich immer besser kennen… Unterschätzen wir nicht die Wichtigkeit dieser Lehrzeit, sie ist eine schöne Aufgabe, die die Liebe selbst von uns verlangt, um nicht einfach nur gedankenloses Glück, emotionale Verzauberung zu sein. Der biblische Schöpfungsbericht stellt die ganze Schöpfung als ein schönes Werk der Liebe Gottes dar: ‚Gott sah‘ – so heißt es im Buch Genesis -, ‚was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut‘ (Gen 1,31). Erst am Schluss ‚ruhte‘ sich Gott dann aus. Aus diesem Bild verstehen wir, dass die Liebe Gottes, die am Ursprung der Welt steht, keine spontane Sache war, nein! Da steckt eine schöne Arbeit dahinter. Die Liebe Gottes schuf die konkreten Bedingungen für einen unwiderruflichen, soliden, zur Dauer bestimmten Bund.“

Einen Bund „zwischen Mann und Frau“, wie Franziskus gleich präzisierte, einen Bund „für’s Leben“: Da dürfe man „nicht improvisieren“, so etwas „macht man nicht von einem Tag auf den anderen“. Ein „Bund der Liebe“ wolle „gelernt“ und „verfeinert“ werden. „Ich erlaube mir, da von einer Handwerkerarbeit zu sprechen. Aus zwei Leben ein einziges zu machen, das ist auch fast ein Wunder, ein Wunder der Freiheit und des Herzens, dem Glauben anvertraut. Vielleicht müssen wir uns bei diesem Punkt mehr Mühe geben, weil unsere Gefühls-Koordinaten etwas verrutscht sind? Wer alles sofort will, der lässt auch bei der ersten Schwierigkeit oder Gelegenheit alles sofort wieder fahren. Es gibt keine Hoffnung auf Vertrauen und Treue der Selbsthingabe, wenn man daran gewöhnt ist, die Liebe als eine Art Zusatz zum psychisch-physischen Wohlergehen zu konsumieren. Das ist die Liebe nicht! Die Verlobung prüft den Willen, etwas gemeinsam zu bewahren, das nie gekauft oder verkauft, verraten oder aufgegeben werden darf… Auch Gott spricht, wenn es um den Bund mit seinem Volk geht, einige Male in der Bibel mit einer Terminologie der Verlobung!“

So gesehen habe Gottes Verlobungszeit mit seinem auserwählten Volk übrigens sehr lange gedauert, denn erst in Christus sei es „zur Hochzeit gekommen“, spann der Papst den Gedanken fort. Und er empfahl, ganz früherer Literaturlehrer, seinen Zuhörern den klassischen italienischen Roman „I promessi sposi“ (zu Deutsch: ‚Die Brautleute‘, früher ‚Die Verlobten‘) von Alessandro Manzoni (1785-1873): aus der Sicht des Papstes ein „Meisterwerk über die Verlobung“, bei dem die Höhen und Tiefen einer solchen Prüfungszeit deutlich würden. „Die Kirche unterscheidet in ihrer Weisheit zwischen Verlobten und Verheirateten – das ist nicht dasselbe! Sie tut es wegen der heiklen und tiefgehenden Prüfung. Wir sollten diese weise Lehre nicht einfach beiseite schieben, sie nährt sich auch aus der Erfahrung glücklicher Ehen… Natürlich sind die heutige Kultur und Gesellschaft mittlerweile eher gleichgültig gegenüber der Ernsthaftigkeit dieser Übergangszeit. Sie sind aber auch nicht sehr großzügig gegenüber den jungen Leuten, die heute ernsthaft ein Haus bauen und Kinder in die Welt setzen wollen! Im Gegenteil, oft werden denen tausend, mentale und praktische, Hindernisse in den Weg gelegt.“

Papst Franziskus sprach sich einmal mehr für bessere kirchliche Kurse für angehende Eheleute aus. „Oft sind sie die einzige Gelegenheit, dass zukünftige Ehepaare tiefer über ihre Erfahrung nachdenken, denn wie viele von ihnen, die manchmal sogar lange schon zusammenleben, kennen sich nicht wirklich!“ Er nannte die Verlobungszeit noch „eine Einführung ins Überraschende“ und betete mit den Pilgern und Besuchern auf dem Petersplatz ein ‚Gegrüßet seist du, Maria‘ für alle Verlobten.

 

(rv 27.05.2015 sk)








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