2015-05-26 13:18:00

Vatikan und Wirtschaft: Wachstum geht auch anders


Alternative Entwicklungsmodelle für Wirtschaft und Gesellschaft auszuloten – dazu hat die päpstliche Stiftung „Centesimus Annus Pro Pontifice“ (CAPP) Forscher, Unternehmer und internationale Experten in diesen Tagen in den Vatikan eingeladen. Auf der dreitägigen Konferenz „Hauptmerkmale des wirtschaftlichen und sozialen Lebens neu denken“ wird für Dienstagnachmittag auch ein Grußwort von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin erwartet.

Ist Wachstum denkbar, das nicht auf Konsum beruht? Und was hat die katholische Soziallehre hier beizutragen? Solche und ähnliche Fragen stehen im Zentrum der Veranstaltung, die mit der Teilnahme an Papst Franziskus‘ Generalaudienz am Mittwoch auf dem Petersplatz ihren Abschluss findet. Doch wie realistisch ist es, das westliche Wirtschaftsmodell in diese Richtung zu „verbessern“? Dies fragte Radio Vatikan den Wirtschaftsfachmann Alberto Quadrio Curzio. Die Antwort des Präsidenten des wissenschaftlichen Komitees von Centesimus Annus lautet: „Möglichkeiten zur Verbesserung gibt es, vorausgesetzt dass drei Prinzipien immer klar sind: das Prinzip der Freiheit, der Verantwortung und deren Zusammenführung im großen Prinzip der Solidarität, das alle Menschen vereinen sollte.“

Die katholische Soziallehre habe hier Einzigartiges beizutragen, zeigt sich Curzio überzeugt: „Auf der einen Seite verweist sie auf große Prinzipien, die sich auf die Förderung der Person in einem gemeinschaftlichen Kontext beziehen. Auf der anderen Seite zeigt sie konkrete Handlungsziele auf und fordert dazu auf, die historischen und besonderen Zeitkontexte miteinzubeziehen. Und schließlich zeigt sie Aktionslinien an, die nicht grundsätzlich, sondern die auf den jeweiligen geschichtlichen Moment gemünzt sind.“ Um Alternativen zum vorherrschenden Paradigma zu finden, sei es wesentlich, Entwicklung nicht rein wirtschaftlich zu denken, betont der Experte.

Die negativen Folgen des aktuellen globalen Wirtschaftsmodells würden inzwischen auch in den reichen Industrienationen zunehmend sichtbar, betont Curzio: „Die Zeit eines Wachstum, das durch Konsum vorangetrieben wird und das über die Notwendigkeit nicht nur des alltäglichen Bedarfs, sondern auch hinsichtlich der effektiven Notwendigkeiten der wohlhabenden Bevölkerungen hinausgeht, ist vorbei.“ Überschusswirtschaft und der Exzess von Konsum wirkten sich negativ auf die Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung aus und produzierten weltweit Ungerechtigkeit. Hinzu kämen in den wohlhabenden Nationen Probleme wie eine Überalterung der Gesellschaft, die zunehmende Knappheit natürlicher Ressourcen und eine Jugend, die mit einer sich rasant wandelnden Welt zurechtkommen müsse.

Das Ziel eines alternativen Entwicklungsmodells sei etwa die Reduktion von Ungleichheiten innerhalb der einzelnen Länder und zwischen den Staaten: „Vom Zwangskonsum muss man zu einer Investition in Entwicklung gelangen, und diese Investitionen haben einen langen Zeithorizont. Es geht um Investitionen in Bildung, in umweltverträgliche Systeme und Investitionen in die Schaffung von Arbeitsplätzen. In den Entwicklungsländern ist das nicht weniger wichtig, denn wenn sie die Modelle nachmachen, die wir in der Vergangenheit verfolgt haben, dann wird auch ihre Entwicklung schon bald sehr großen Problemen begegnen - nicht nur Umweltproblemen, sondern auch was das Gefälle zwischen Reichen und Armen betrifft.“

Die unter Papst Johannes Paul II. 1983 errichtete päpstliche Stiftung Centesimus Annus hat es sich zur Aufgabe gemacht, die katholische Soziallehre weiter zu verbreiten. Auch sucht sie Sponsoren zur Unterstützung des Apostolischen Stuhls.

(rv/vatican insider 26.05.2015 pr)








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