2015-05-21 10:09:00

Seligsprechung: Gaspar Romero würdigt seinen Bruder Oscar


„Alle Welt kennt ihn, und alle wissen, er ist ein heiliger Mann.“ Die Rede ist von Oscar Romero, der am kommenden Samstag in seiner Heimat El Salvador selig gesprochen wird. Der Mann, der den Erzbischof so charakterisiert, ist sein Bruder Gaspar Romero. Gudrun Sailer sprach mit dem 86-jährigen pensionierten Radiotechniker, der seinen Bruder, den Priester, gerade in den letzten Jahren vor dessen Ermordung sehr nahe stand.

Gaspar Romero ist das jüngste von sieben Geschwistern. „Monseñor Romero“, wie er den berühmten Bruder in unserem Interview nennt, war der zweite. Zwölf Jahre Altersunterschied liegen zwischen den beiden. Familie Romero aus der Kleinstadt Ciudad Barrios war nicht wohlhabend, aber auch nicht arm, der Vater arbeitete als Telegrafist, die Mutter als Lehrerin. Oscar war schon mit zwölf im Knabenseminar. Doch wenn er heimkam, wurde bis in die Nacht geplaudert, auch gebetet, erzählt Gaspar Romero gern. Er hat allerhand konkrete Erinnerungen an seinen Bruder. Und natürlich erfüllt es ihn mit Stolz, bald einen Seligen in der Familie zu haben.

„Alle Welt kennt ihn, und alle wissen, er ist ein heiliger Mann. Ein Mann des Gebets, ein Mann der Nächstenliebe, großzügig. Ein Freund aller Armen. Er war gerne mit Armen zusammen. Und er verteidigte ihre Rechte. Deshalb wurde er ermordet.“

Als aufbrausend und etwas anspruchsvoll charakterisierten manche Zeitgenossen den Kirchenmann. Gaspar verteidigt den Bruder: „Nein, er war in Wirklichkeit diszipliniert. Er fand sich nicht ab mit Dingen, die nicht gut waren. Er war aufmerksam für die Bedürfnisse der anderen und half, wo er konnte.“

1970 war Oscar Romero Weihbischof in der Hauptstadt San Salvador geworden und damit in eine öffentliche Position geraten. Die politische Lage im Land wurde immer angespannter. Breite Bevölkerungsschichten litten an Ungerechtigkeit und Unterdrückung, allen voran die landlosen Arbeiter, die von Großgrundbesitzern ausgebeutet wurden. Politik, Justiz und Armee, aus denselben reichen Schichten gespeist, sahen zu. Romero sprach sich immer öfter und immer offener gegen solche Missstände aus – gestützt auf die kirchlichen Neubestimmungen nach dem II. Vatikanischen Konzil. „Die Kirche ist auch dazu bestimmt, sich als subversive Institution gegen eine Sozialordnung zu wenden, die auf Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Unterdrückung gründet“, heißt es in einem Dokument des lateinamerikanischen Episkopates, das 1968 im kolumbianischen Medellin unterzeichnet wurde und auf das sich Romero gerne bezog.

Das Martyrium erlitt Erzbischof Romero 1980, am 24. März. Der Bruder erinnert sich:

„Der Tag, an dem sie ihn ermordeten, war ein Montag, am Abend um 18 Uhr, in der Kapelle des Krankenhauses der göttlichen Vorsehung. Dort brachten sie ihn um. Alle sagen, der Auftraggeber war ein Angehöriger einer Todesschwadron namens Roberto D’Aubuisson. Ein Politiker und ehemaliger Major der Armee.“

Erzbischof Romero hatte seit geraumer Zeit Todesdrohungen erhalten. Solche Zettel für seinen Bruder wurden manchmal auch an Gaspar gerichtet. Wenn der Erzbischof nicht aufhöre, so zu predigen, seien seine Stunden gezählt. Das war wenige Tage vor dem Mord. „In der Zeit als er starb, waren wir brüderlich stark verbunden. Und als er starb, fühlte ich den Schmerz, einen Bruder zu verlieren, einen engen Familienangehörigen. Und als Salvadorianer fühlte ich, dass sie einen guten Menschen umgebracht hatten – sie wissen nicht, wen sie verloren haben.“

Auf gewisse Weise war Romero zum Zeitpunkt seines Mordes bereits zur Symbolfigur geworden. Eine Zuschreibung, die durch seinen Märtyrertod noch sichtbarer wurde. Gaspar Romero sieht im Mord an seinem Bruder sogar einen historischen Wendepunkt in der Geschichte seines Landes.

„Als sie ihn umbrachten, das war der Moment, in dem in El Salvador der Bürgerkrieg begann. Da fingen sie an, überall Bomben zu legen, stellten das elektrische Licht ab, es war dunkel auf der Straße, man konnte nicht mehr fahren. Botschafter wurden entführt, Botschaften besetzt, Kirchen beschlagnahmt. Und da begann der Bürgerkrieg. Es war schrecklich für alle. Viele, die sich Freunde genannt hatten, wandten sich ab, denn wer Freund Romeros war, wurde ermordet. Wer eine Bibel trug, wurde ermordet. Wer ein Kreuz trug, wurde ermordet. Es war fürchterlich, fürchterlich für alle. Es gab viele Tote unter jenen, die auf der Seite von Romero standen.“

1994 wurde das Seligsprechungsverfahren für Erzbischof Oscar Arnulfo Romero aufgenommen. Im Lauf der Causa kamen Zweifel daran auf, ob wirklich „Hass auf den Glauben“ das Motiv für den Mord an Romero war – Zweifel, die ausgeräumt werden konnten. Dennoch, betont Gaspar Romero, nicht alle Menschen in El Salvador seien heute glücklich über die Seligsprechung seines Bruders.

„Einige attackieren ihn, auch in der Kirche gibt es einige Priester, die mit der Seligsprechung nicht einverstanden sind. Sie lehnen das ab. Für mich ist das Neid. Denn Romero wird von allen Seiten geschätzt. Er ist der einzige Salvadorianer, der in der ganzen Welt bekannt ist, der einzige, dem sie außerhalb von El Salvador Statuen errichten. Aber, ich würde sagen, 95 Prozent der Salvadorianer freuen sich gewaltig auf die Seligsprechung, denn die ganze Welt sagt, das ist eine Segnung Gottes, ein Geschenk, das der Papst dem Volk von El Salvador gemacht hat, durch den Papst: die Seligsprechung von Monseñor Romero.“

 

(gs 20.05.2015 gs)








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