2015-04-24 13:40:00

Gauck zu Armenier-Gedenken: „Unter Umständen sogar Mitschuld“


„In diesem Fall müssen auch wir Deutsche insgesamt uns noch der Aufarbeitung stellen: Wenn es nämlich um eine Mitverantwortung, unter Umständen sogar Mitschuld, am Völkermord an den Armeniern geht.“ So hat Joachim Gauck am Donnerstagabend die Massaker an den Armeniern vor hundert Jahren kommentiert. Der Bundespräsident äußerte sich nach dem ökumenischen Gottesdienst in Berlin anlässlich der Gedenkfeiern zu den Ereignissen von 1915.

Deutsche Militärs seien „an der Planung und zum Teil auch an der Durchführung der Deportationen beteiligt gewesen“, führte der Bundespräsident aus, der sich für eine „Anerkennung historischer Tatsachen und damit auch einer historischen Schuld“ aussprach. Das Schicksal der Armeniern stehe „beispielhaft für die Geschichte der Massenvernichtungen, der ethnischen Säuberungen, der Vertreibungen, ja der Völkermorde, von der das 20. Jahrhundert auf so schreckliche Weise gezeichnet ist.“ Damit hielt sich der Präsident exakt an die nach einigem Hin und Her mit der Bundesregierung vereinbarte Sprachregelung. Positiv bewertete Gauck in seiner Rede „ermutigende Zeichen der Verständigung und des Aufeinanderzugehens zwischen Türken und Armeniern“.

Bundestag: Alle Fraktionen sprechen von „Völkermord“

Bei einer Aussprache des Deutschen Bundestages zum Gedenken an die Massaker bezeichneten an diesem Freitag Redner aller Fraktionen die Gräueltaten des Osmanischen Reichs an den christlichen Armeniern vor hundert Jahren als „Völkermord“. „Das, was mitten im Ersten Weltkrieg im Osmanischen Reich stattgefunden hat, unter den Augen der Weltöffentlichkeit, war ein Völkermord“, formulierte Bundestagspräsident Norbert Lammert. Die Deutschen könnten „durch unsere eigenen Erfahrungen andere ermutigen, sich ihrer Geschichte zu stellen, auch wenn es schmerzt.“ Das selbstkritische Bekenntnis zur Wahrheit sei Voraussetzung für Versöhnung, so Lammert (CDU).

Ebenso unmissverständlich bekannten sich die Parlamentarier zur Mitschuld des Deutschen Reichs sowie zur besonderen Verantwortung der Bundesrepublik, zur Versöhnung zwischen Türken und Armeniern beizutragen. Im Antrag der Regierungskoalition war das Wort „Völkermord“ zunächst gestrichen und erst nach langem Tauziehen wieder eingefügt worden. Die Anträge der Grünen und Linken hatten stets von „Genozid“ gesprochen. Die Vorlagen wurden an die Ausschüsse überwiesen.

Es war das erste Mal, dass der Bundestag über eine Erklärung beriet, in der das Geschehen als Völkermord bezeichnet wird. Deutschland hatte bislang auf den Begriff verzichtet - mit Rücksicht auf die Türkei. 

Türkische Mehrheit in Deutschland lehnt Begriff „Genozid“ offenbar ab

Von Seiten der Türkei hatte es zuvor Widerstand gegen die Einstufung der historischen Ereignisse von 1915 als „Völkermord“ durch den Deutschen Bundestag gegeben. Der türkische Außenminister beschwerte sich über die entsprechende Formulierung in einer Resolution des Bundestages. Die Türkei hält den Begriff des Genozids als Bezeichnung für die Vorgänge vor hundert Jahren für nicht angemessen, sie weist eine damalige systematische Planung der Massaker zurück. Auch türkische Organisationen in Deutschland nahmen an der Bezeichnung Anstoß. Die Mehrheit der in der Bundesrepublik lebenden Türken lehne diese Begrifflichkeit ab, sagte der Präsident der Türkischen Gemeinde in Berlin, Bekir Yilmaz, vor Journalisten. 

(rv/diverse 24.04.2015 pr)








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