2015-04-22 13:31:00

Matrosen können nicht Mare Nostrum ersetzen


Nach den jüngsten Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer mehren sich die Aufrufe, die Seenotrettung auszuweiten. Schon im letzten Jahr mussten immer wieder Matrosen der Marine aushelfen und über 40.000 Flüchtlinge auf Frachtschiffe retten. Die Zahl zeigt, wie sehr die Handelsschifffahrt in die Flüchtlingskatastrophe auf dem Mittelmeer involviert ist.

Immer öfter kommen Seeleute, die Frachtgüter befördern, mit Flüchtlingen in Seenot in Berührung. Folkert Janssen ist Leiter der deutschen Seemannsmission. Im Interview mit dem Kölner Domradio erklärt er, dass es nicht nur seemännische Pflicht, sondern auch Tugend sei, Menschen in Seenot zur Hilfe zu eilen. „Seeleute sind da relativ professionell. Die wissen genau, was die Leute brauchen. Sie haben auch eine entsprechende Notausrüstung an Bord, so dass geholfen werden kann. Auf dem Weg zum Unglücksort wird schon oft auch über Satellitenfunk alles Mögliche in Bewegung gesetzt. Es wird beispielsweise nach dem nächsten Hafen Ausschau gehalten, den man anlaufen kann, damit den Menschen schnellstmöglich geholfen werden kann.“

Das nicht nur die Marine, sondern auch Matrosen versuchen, des Problems Herr zu werden, zeigt, dass die Flüchtlingsproblematik ein europäisches und nicht ein rein italienisches Problem ist. Am Donnerstag findet aus diesem Grund ein EU-Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs zur Flüchtlingskrise statt. Bereits am Montag gab es ein Krisentreffen der Außen- und Innenminister von Europa, bei dem ein Zehn-Punkte-Plan ausgearbeitet wurde. Dieser soll nun am Donnerstag den Regierungschefs vorgelegt werden.

Derweil fordert Pro Asyl einen europäischen Seenotrettungsdienst. Dies wäre auch eine Entlastung für Matrosen, die oftmals nicht handeln können und nur zuschauen können, wie die Menschen vor ihren Augen ertrinken. Als Diakon der Seemannsmission weiß Janssen, wie die Matrosen damit umgehen. „Da wird jeder Seemann so mit umgehen, wie wir auch damit umgehen würden oder wie es auf uns wirken würde: bestimmt erstmal geschockt und dem Ganzem eigentlich hilflos ausgeliefert. Das ist das Dramatische an so einem Erlebnis, und da sind wir dann für sie da. Es gibt seit zwei Jahren einen Grundrechtekatalog für Seeleute, wo diesen unter anderem ein Recht eingeräumt wird, bei traumatischen Ereignissen eine Begleitung zu bekommen. Es müsste einmal nachgeprüft werden, ob solche Situationen auch damit gemeint sind.“

Während am Mittwochvormittag wieder über 400 Flüchtlinge auf Sizilien gelandet sind, sagt der vatikanische Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin im Interview mit Vaticaninsider, dass das Flüchtlingsdrama eine viel konkretere Zusammenarbeit der Europäer benötige. Insbesondere komme es darauf an, in den Herkunftsländern der Flüchtlinge Bedingungen zu schaffen, die den Exodus stoppen und das Netz der Schlepper zerreißen könnten. Deswegen fordert Folkert Janssen von der deutschen Seemannsmission, dass nicht Frachter-Matrosen die Menschen retten, sondern wieder Mare Nostrum. „Ich denke, dass die Europäische Union jetzt ganz besonders gefordert ist und dort auch entsprechend Maßnahmen ergriffen werden sollten, die in erster Linie den Flüchtlingen dienen. Und wenn dann Seeleute aus Pflichtgefühl dieses ergänzen, dann sollte das ruhig mit in Anspruch genommen werden. Aber höchstens als Ergänzung. Das wäre dann eine Sache, wo ich sagen würde: Natürlich ist es nicht nur Pflicht, sondern auch Tugend der Seeleute, Menschen in Seenot zur Seite zu stehen.“

(domradio 22.04.2015 pdy)








All the contents on this site are copyrighted ©.