2015-04-09 11:44:00

Irak: Radio für die Flüchtlinge


Sie mussten aus ihren Häusern fliehen, konnten wenig mehr retten als ihr Leben – aber jetzt haben sie ihren eigenen Radiosender. Die christlichen Flüchtlinge, die vor den Terroristen des „Islamischen Staats“ nach Norden in die Region Kurdistan geflohen sind, können seit Ostersonntag Radio as-Salam hören, Radio Frieden. Der Sender mit Sitz in Erbil, der Hauptstadt von Kurdistan, strahlt Programme in drei Sprachen aus.

Koordiniert wird der Sender von einem 27-jährigen Franzosen, Vincent Gelot. „Die Idee kam im letzten Oktober auf, als französische Radiomacher sich in Erbil mit Flüchtlingen getroffen haben und bei der Gelegenheit feststellten, dass es hier gar kein Lokalradio gibt, also ein Radio, das die Vertriebenen und Flüchtlinge hören könnten. Dabei ist die Nachfrage groß nach einem Medium, das nah an den Flüchtlingen dran ist, in ihren Sprachen. So ist die Idee entstanden.“ Für die Umsetzung sorgte das französische „Oeuvre d’Orient“, ein Hilfswerk für Christen in Nahost.

„Radio as-Salam 95,5 widmet sich völlig den Vertriebenen und Flüchtlingen in Irakisch-Kurdistan: Wir bringen Nachrichten, Wetter, Horoskop usw. Die Flüchtlinge sind Menschen wie andere auch, sie wollen wissen, was in der Welt so vorgehet, sie wollen Musik hören und in ihrer Sprache angesprochen werden. Arabisch ist die am meisten verstandene Sprache in unserem Sendegebiet von etwa sechzig Kilometern Durchmesser; Kurdisch ist die Sprache der Einheimischen hier; und dann Assyrisch, die Sprache der christlichen Gemeinschaft, der Assyrer.“

Eigentlich ganz normale Radioarbeit, erzählt Gelot. Es gebe aber natürlich Sondersendungen für Flüchtlinge oder Info-Sendungen über humanitäre Hilfe. „Vor kurzem haben wir eine Sendung über Geburten gemacht: Wie man Babys, die hier geboren werden, registrieren lässt. Dann haben wir ein Programm namens ‚Stimme der Lager’, da sprechen die Verantwortlichen der Flüchtlingslager und UNO-Leute, aber auch Flüchtlinge selbst. Wir wollen wirklich eine Brücke sein; jedes Camp lebt hier ein bisschen in seiner eigenen Blase vor sich hin, wir wollen die Flüchtlinge aus verschiedenen Lagern, die verschiedenen Gemeinschaften miteinander ins Gespräch bringen. Und wir wollen auch eine Brücke zur kurdischen Bevölkerung schlagen, die sie aufgenommen hat. Unser Team spiegelt die Verschiedenheit der Flüchtlinge einigermaßen wieder; wir haben vier Vor-Ort-Journalisten, zwei sind Chaldäer, eine ist Syro-Russin, und Samir ist Kurde.“

Mag schon sein, dass ein Radiosender nicht das ist, was die Flüchtlinge im Nordirak am Allerdringendsten brauchen. Aber den Machern geht es darum, die Moral ihrer Hörer zu heben: Diese Menschen brauchen nach all dem Schrecklichen, das sie erlebt haben, ein bisschen Normalität. „Und es stimmt schon – ein eigenes Medium zu haben, das ihnen in ihrer prekären Lage etwas Menschlichkeit vermittelt, ist für sie etwas Wertvolles...“

„Einige dieser Menschen sind schon vor fast zwei Jahren in Kurdistan angekommen. In einigen Camps gibt es mehr als 12.000 Menschen, das sind fast schon Kleinstädte. Am schlimmsten sind die Menschen dran, die im Juni letzten Jahres aus Mossul und dann im letzten Sommer aus der Ninive-Ebene geflohen sind: Sie gingen ursprünglich davon aus, dass sie nur kurze Zeit hierbleiben müssten, dass man das Problem mit den IS-Terroristen schnell lösen würde. Die Leute sind nervös. Flüchten ist für jeden etwas sehr Schwieriges, egal aus welcher Gemeinschaft oder Religion man kommt: seine Heimat verlassen, sein Haus, alles verlieren. Viele der Flüchtlinge würden am liebsten gleich wieder abreisen. Der Irak hat jetzt 30 Jahre Krieg, Diktatur und staatliches Vakuum hinter sich – da ist es schwierig, diesen Menschen eine Zukunftsperspektive zu geben.“

(rv 09.04.2015 sk)








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