2015-04-03 17:00:00

Karfreitag: „In der Vergebung liegt eine neue Art von Sieg“


In weitgehender Stille feierte Papst Franziskus an diesem Freitag die Liturgie vom Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus, den Karfreitag. In der Peterskirche wurde die Passion vorgetragen, anschließend das Kreuz verehrt als Zeichen dafür, dass der Tod zur Auferstehung dazu gehört. Die Predigt in dieser Liturgie hielt wie üblich der Prediger des Päpstlichen Hauses, Kapuzinerpater Raniero Cantalamessa. Seine Gedanken kreisten um die Pilatus-Worte des Evangeliums: „Ecce Homo! Seht, da ist der Mensch!“

Die Todesqual bis zum Ende der Welt

„In einer Meditation über die Passion schrieb der Philosoph Blaise Pascal die Worte: „Die Todesqual Christi dauert bis zum Ende der Welt an: In dieser Zeit darf man nicht schlafen.“ (..) Jesus erleidet die Todesqual bis zum Ende der Welt, weil er in jedem Menschen leidet, der gemartert wird. „Das habt ihr mir getan!“ (Mt 25,40): Als er dieses Wort sprach, bezog er es nicht nur auf die Gläubigen, sondern auf jeden Menschen, der hungrig, durstig, nackt oder gefangen ist.“ Wenn man über diese gesellschaftlichen Probleme spreche, müsse man nur aufpassen, dass die Begriffe wie Hunger oder Ausbeutung nicht zu Abstraktionen würden, so der Prediger, „Kategorien und keine Menschen.“ Der Einzelne und dessen Leid stehe im Mittelpunkt, die persönliche Geschichte. „Wie viele Ecce Homo gibt es auf der Welt! Mein Gott, wie viele Ecce Homo! Wie viele Gefangene befinden sich in derselben Lage wie Jesus vor Pilatus: verlassen, gefesselt, gefoltert, hilflos ausgeliefert an raue und hasserfüllte Militärs, die sich jeder Art von körperlicher und psychischer Grausamkeit hingeben und Spaß daran haben, andere leiden zu sehen. „In dieser Zeit darf man nicht schlafen, man darf sie jetzt nicht allein lassen!“

Am Karfreitag keine Anklage erheben

Man könne den Ausruf Pilatus’ aber auch umdrehen und auf die Täter beziehen, so Pater Cantalamessa weiter: Seht, wozu der Mensch fähig ist! Im unaufhaltsamen Fortschritt des Homo sapiens. Es sei aber am heutigen Tag – dem Karfreitag – nicht erlaubt, Anklage zu erheben. „Wir würden sonst das Mysterium verraten, das wir feiern. Im Sterben rief Jesus: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). Dieses Gebet wurde nicht nur leise geflüstert; es wurde laut ausgerufen, damit man es auch höre. Es ist noch nicht einmal ein Gebet; es ist eine Forderung, die Jesus mit der Autorität hervorbringt, die ihm von seiner Sohnschaft kommt: „Vater, vergib ihnen!“.

Der Sieg Jesu liegt in der Bloßstellung der Ungerechtigkeit

Die göttliche Größe der Vergebung Jesu bestehe darin, dass er sie auch seinen erbittertsten Feinden anbietet, sein Vorbild verpflichte auch die Jünger zu einer grenzenlosen Großzügigkeit, in den Worten Jesu: „Betet für die, die euch verfolgen“ (Mt 5,44). Das zeigt aber nicht nur eine Lehre Jesu, das zeige mehr. „Fast möchte man sagen: „Herr, was du verlangst, ist uns unmöglich!“ Er aber würde uns antworten: „Das weiß ich wohl, aber ich bin gestorben, um euch zu geben, was ich von euch verlange. Ich habe euch nicht nur das Gebot zur Vergebung gegeben und auch nicht nur ein heroisches Vorbild der Vergebung; durch meinen Tod habe ich euch die Gnade erwirkt, die euch fähig macht, zu vergeben. Ich habe der Welt nicht nur eine Lehre über die Barmherzigkeit vermacht, wie es viele andere getan haben. Ich bin auch Gott und habe meinen Tod zur Quelle ganzer Flüsse der Barmherzigkeit gemacht. Aus diesen könnt ihr mit vollen Händen schöpfen, während des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit, das vor euch steht.“

Der Sieg Jesu über die Gewalt lag also darin, dass er diese annahm und ihre ganze Ungerechtigkeit und Sinnlosigkeit bloßgestellt habe, folgerte Pater Cantalamessa. Es sei eine „neue Art des Sieges“ gewesen.

Das Böse mit dem Guten besiegen

Die wahre „Bergpredigt“, die den Lauf der Welt verändert hab, sei jedoch nicht die, die Jesus einst von einem Hügel in Galiläa aus verkündet habe, sondern die, die er in seinem Leiden noch im Stillen vom Kreuz herab verkündet. „Auf dem Kalvarienberg spricht er ein entschiedenes Nein zur Gewalt aus, indem er ihr nicht einfach nur die Gewaltlosigkeit entgegensetzt, sondern viel mehr noch: Vergebung, Sanftmut und Liebe.“ Es könne keine Gewalt mehr geben, die sich auf Gott berufe. „Die wahren Märtyrer Christi sterben nicht mit geballten Fäusten, sondern mit gefalteten Händen. Dafür haben wir auch in unserer Zeit zahlreiche Beispiele erlebt. Gott war es, der den 21 koptischen Christen, die am vergangenen 22. Februar in Libyen vom IS ermordet wurden, die Kraft gab, mit dem Namen Jesu auf den Lippen zu sterben. Und so wollen auch wir beten:

„Herr Jesus Christus, wir bitten dich um unsere verfolgten Glaubensbrüder und für jeden ‚Ecce Homo‘ dieser Welt, ob er nun Christ sei oder nicht. (..) So hilf uns, das Böse mit dem Guten zu besiegen, nicht nur auf der großen Bühne der Welt, sondern auch im alltäglichen Leben, zwischen den Wänden unserer Wohnungen.“

(rv/zenit 03.04.2015 ord)








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