2015-03-26 11:05:00

Flüchtlings-Kardinal regt neue Migrationspolitik in Europa an


Die große menschliche Herausforderung für Europa ist in diesem historischen Moment die Migration. Das denkt Kardinal Francesco Montenegro, der Erzbischof von Agrigent, den Papst Franziskus im Februar wegen seines Engagements für Flüchtlinge in den Kardinalstand erhoben hat. Montenegro, zu dessen Erzbistum die Insel Lampedusa zählt, sprach am Dienstag als Gesandter des Heiligen Stuhles vor dem Europarat in Straßburg. Die katholische Kirche wünsche, dass die Staaten Europas in der Frage der Migration „miteinander wirksame Maßnahmen“ treffen, sagte Montenegro. Die Frage drängt: In den reichen Staaten der Welt ist die Zahl der Asylanträge im Vergleich zum Vorjahr um 45 Prozent gestiegen, vermeldet das Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR).

„Es kommen ganze Bevölkerungen, und wenn ganze Bevölkerungen sich in Bewegung setzen, heißt das immer, dass eine neue Seite der Geschichte zu schreiben ist“, sagte Kardinal Montenegro nach seiner Rede im Europarat im Gespräch mit Radio Vatikan. Man könnte nicht wie der Vogel Strauß den Kopf in den Sand stecken und abwarten. „Die Realität ist schon da. Entweder wir gehen sie an, oder sie erdrückt uns.“ Der Kardinal denunzierte eine verengte Sicht auf die Globalisierung: Es sei schon merkwürdig, „wenn wir unter Globalisierung den Fluss von Waren und Geld verstehen, aber wenn es sich um Menschen handelt, schließen wir die Tore.“ Die neue Welt müsse eine Welt sein, die es versteht, Menschen aufzunehmen. Eine Welt, die abweist, auf Distanz hält und den anderen mit Misstrauen begegnet, ist nicht die Welt, die wir schaffen müssen.“

Vor den Vertretern des Europarates benannte der Kardinal einige der größten Herausforderungen: Notfallhilfe für Asylsuchende, Schaffung humanitärer Kanäle, um die bürokratischen Wege zu vereinfachen und die Haftzentren zu reduzieren; Schutz von allein reisenden Kinderflüchtlingen, Familienzusammenführung und schließlich Bekämpfung der irregulären Migration, um den Kampf gegen den Menschenschmuggel- und –Handel zu gewinnen.

Im Gespräch mit Radio Vatikan wandte sich der Kardinal auch gegen die heute in Europa gepflegte Regel des „Erstaufnahmelandes“, das sogenannte Dublin-Verfahren. In Wirklichkeit müssten jene Länder, in die die Migranten gehen wollen, sich auf deren Aufnahme vorbereiten, so Montenegro. In Sizilien gehen Zehntausende Flüchtlinge an Land, die meisten von ihnen wollten nicht in Italien bleiben, sondern zu Familienangehörigen in anderen europäischen Ländern, oder in Länder, in denen sie arbeiten können.

Montenegro plädierte vor dem Europarat dafür, die Migration als eine gewaltige Chance für den Kontinent zu begreifen. „Gerade meine Erfahrung als Bischof in Sizilien lässt mich ja so reden. Da kommen Leute, die in ihren Ländern nicht leben können, Leute, die nichts haben, aber auch andere mit Universitätsdiplom. Und Lampedusa lehrt mich genau das: es ist eine Straßenkreuzung geworden, wo jeder jeden trifft und wo jeder in der Begegnung mit dem anderen wirklich das beste von sich geben könnte. Man kann nicht einfach mit dem Syndrom der Angst leben, denn auch ich könnte den anderen Angst machen. In diesem Augenblick leben wir alle mit der Angst. Warum bauen wir nicht alles rund um die Aufnahme, den Empfang auf? Und wir Glaubenden auf die Liebe?“

(rv 26.03.2015 gs)








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