2015-01-27 09:41:00

Vietnam: „Das war fast wie ein Tsunami“


Sechs Tage hat Kardinal Fernando Filoni in Vietnam verbracht – und wurde dort empfangen wie ein Papst. Einen Tag nach seiner Rückkehr in sein römisches Büro ist der Präfekt der vatikanischen Missionskongregation noch voller Eindrücke.

„Die Ortskirche hat mich nicht nur sehr gut aufgenommen, sie hat all meine Erwartungen noch übertroffen. Die vietnamesische Kirche ist wirklich reich an Berufungen, sowohl bei Männern wie bei Frauen, und ich habe den Eindruck, dass die Priester gute Arbeit leisten und ausgesprochen engagiert sind. Aber was soll ich erst von den Gläubigen sagen? Wie die mich empfangen haben, das war fast wie ein Tsunami. Sie haben ein ausgesprochenes christliches Selbstbewusstsein und fühlen sich ihren Priestern und Bischöfen sehr nahe – vor allem aber dem Papst, das haben mir so viele ausdrücklich gesagt. Also, eine extrem lebhafte, engagierte Kirche, die auch auf die sozialen und menschlichen Anforderungen im Land einzugehen weiß. Ich muss zugeben: Für mich war Vietnam eine Entdeckung, trotz allem, was ich vorher davon gehört und gelesen hatte.“

 

Auch von seinen Begegnungen mit dem Ministerpräsidenten und anderen Vertretern des Regimes hat der Kardinal, der als Vatikandiplomat viele Jahre in Asien gelebt hat, sehr positive Eindrücke mitgenommen.

„Ich muss sagen: Alle Zeitungen – sowohl die in vietnamesischer als auch die in englischer Sprache – haben, teilweise auf der ersten Seite und mit Foto, über meinen Aufenthalt berichtet. Ich spürte eine große Wertschätzung für das gute Einvernehmen zwischen katholischer Kirche, dem Heiligen Stuhl und den örtlichen Behörden. Ich konnte nicht nur den Ministerpräsidenten oder den kommunistischen Parteisekretär von Hanoi treffen; zu meinem Abflug kam sogar extra der Vizepräsident des Büros für religiöse Angelegenheiten nach Hanoi, um mich dort zu verabschieden. Auf allen Ebenen habe ich viel Aufmerksamkeit vorgefunden; der nicht-residierende Päpstliche Repräsentant, Erzbischof Girelli, und der Präsident der Bischofskonferenz haben mich bei meinen Terminen begleitet, und wie ich gehört habe,  hat auch das Fernsehen von diesen Begegnungen gesprochen.“

 

So euphorisch das klingt – noch längst nicht alles ist eitel Sonnenschein zwischen dem Vatikan und Vietnam. Jahrzehntelang waren die diplomatischen Beziehungen unterbrochen (so wie heute noch zwischen dem Vatikan und China); einen im Land residierenden Nuntius gibt es noch nicht, und die Katholiken im Land haben unter vielen Einschränkungen zu leiden. Priesterseminare dürfen, dies nur als Beispiel, jedes Jahr nur eine bestimmte Anzahl an Priesteramtskandidaten aufnehmen, und das Büro für religiöse Angelegenheiten bemüht sich, auf Anweisung der kommunistischen Partei, um eine lückenlose Kontrolle aller Aktivitäten der Katholiken. Immer wieder brechen auch Konflikte auf, etwa um früheres Kircheneigentum, das von Behörden vor Ort für Bauprojekte verplant wird, statt der Kirche zurückgegeben zu werden. Aber Filoni urteilt:

„Die Einschränkungen haben nichts mit dem Glauben zu tun, ihr Ziel ist es nicht, den Glauben einzuschränken. Manchmal geht es da – wie mir meine Gesprächspartner gesagt haben – um spezielle Einzelfälle, über die man irgendwie versuchen sollte, in einen Dialog einzutreten. Aus meiner Sicht heißt die Perspektive vor allem Missionsarbeit: Die vietnamesische Gesellschaft ist derzeit in einem rasanten wirtschaftlichen und sozialen Umbruch, fühlt sich aber immer noch stark an ihre traditionellen Werte gebunden, die aus der buddhistischen und der konfuzianischen Welt kommen. Hier muss die Verkündigung des Evangeliums neue Formen finden, um wirklich einheimisch aufzutreten und daher verstanden und aufgenommen zu werden. Bei den Minderheiten können wir in missionarischer Hinsicht zufrieden sein: Als ich im Bistum Hung Hoa eine Pfarrei besuchte, wurden dort 200 Erwachsene getauft, und sie gehörten fast alle zu einer Stammes-Minderheit. Etwas Ähnliches habe ich dann auch in Da Nang gesehen, wo der 50. Geburtstag des Bistums gefeiert wurde und über fünfzig Stammes-Angehörige – Erwachsene – getauft wurden. Also, in der Welt der Stämme lässt sich eine gute Arbeit tun. Ich habe auch viele Ordensfrauen gesehen, die aus Stämmen kommen; das ist eine Neuigkeit, die mir bisher noch nicht klar war. Diese Menschen können natürlich sehr viel für die Missionierung unter ihren eigenen „tribals“ tun. Wir haben noch keine Priester aus diesen ethnischen Gruppen, aber es gibt viel Engagement in die Richtung, dass eines Tages auch „tribals“-Priester in ihrem eigenen Ambiente arbeiten können.“

Asien ist eine neue Priorität für den Vatikan, das haben die Papstreisen nach Korea, Sri Lanka und auf die Philippinen in den letzten Monaten gezeigt.

„Dem Papst liegt die Evangelisierung des asiatischen Kontinents am Herzen; er spricht wie schon der heilige Papst Johannes Paul II. von einem Millennium der Evangelisierung Asiens. Hoffen wir, dass in Erfüllung geht, was so viele Christen in Vietnam mir gesagt haben: ‚Sagen Sie dem Papst bitte, er soll auch mal zu uns kommen. Er soll Vietnam nicht nur überfliegen, sondern auch mal herunterkommen zu uns.‘ Das ist etwas sehr Schönes; offenbar spüren sie, dass der Papst einen missionarischen Aufbruch mit sich bringt, der in diesem Kontinent, glaube ich, noch viel Raum finden kann.“

(rv 27.01.2015 sk)








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