2015-01-19 15:50:00

Papstreise nach Asien: Sechs Tage Weltkirche


 Von Dienstag bis Donnerstag vergangener Woche war Franziskus in Sri Lanka, von Donnerstagabend bis Montagmorgen auf den Philippinen. Wir lassen die Reise von 13. bis 19. Januar 2015 hier nochmals im O-Ton Revue passieren.

Der Papstbesuch auf Sri Lanka stand im Zeichen der Versöhnung zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen in dem Inselstaat. 30 Jahre Bürgerkrieg waren dort erst 2009 zu Ende gegangen, noch in den letzten Kriegsmonaten kamen 40.000 Menschen gewaltsam um. Derzeit herrscht ein kalter Frieden zwischen den verfeindeten Volksgruppen. Sri Lanka ist mehrheitlich buddhistisch, die muslimische und die christliche Minderheit haben keinen leichten Stand. Inmitten dieser Lage hielt Sri Lanka wenige Tage vor dem Papstbesuch eine vorgezogene Präsidentschaftswahl ab. Das doppelte Wunder geschah: der Urnengang verlief friedlich, und es siegte nicht der bisherige Präsident, sondern sein Herausforderer. Maithripala Sirisena nahm als eine seiner ersten Amtshandlungen am Dienstag vergangener Woche Papst Franziskus am Flughafen von Colombo in Empfang.

Keine einfache Aufgabe

„Es ist keine einfache Aufgabe, das bittere Erbe von Ungerechtigkeit, Feindlichkeit und Misstrauen zu überwinden, das dieser Konflikt hinterlassen hat“, räumte der Papst noch auf dem Rollfeld ein. Frieden könne nur gelingen, wenn das Gute das Böse überwinde.

Dass trotz aller Schwierigkeiten viel guter Wille vorhanden ist, zeigt sich gerade auch rund um die Papstvisite. Franziskus wurde mit singhalesischen, tamilischen, englischen und lateinischen Gesängen begrüßt, von einem großen Chor aus Jugendlichen aus ganz Sri Lanka. Eine ganz neuartige Erfahrung, nicht nur musikalisch, erklärte uns einer der Organisatoren, Sean Jason Austin:

„Das ist eine fantastische Initiative, weil wir zum ersten Mal in der Geschichte von Sri Lanka einen Chor aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 16 und 25 haben, die aus dem ganzen Land kommen: Aus dem Norden, dem Süden, von Osten und Westen. Und was ganz besonders ist, auch Singhalesen und Tamilen sind hier zusammen gekommen, um zusammen zu singen und Gott zu ehren. Das ist einfach eine tolle Gelegenheit.“

Das Zusammenklingen bei aller Verschiedenheit war auch Tenor bei der ersten großen Papstrede auf Sri Lanka. In einem Kongresszentrum in Colombo traf Franziskus Vertreter von Buddhismus, Hinduismus, Islam und Christentum und rief sie - wenige Tage übrigens nach den islamistischen Attentaten von Paris - zur Absage an religiös motivierte Gewalt auf.

„Was jetzt notwendig ist, sind Heilung und Einheit, nicht mehr Konflikt und Spaltung. Die Förderung von Heilung und Einheit ist eine edle Aufgabe, zu der alle verpflichtet sind, denen das Wohl des Landes und letztlich der ganzen Menschheitsfamilie am Herzen liegt. Es ist meine Hoffnung, dass die interreligiöse und die ökumenische Zusammenarbeit zeigen wird, dass man weder seine ethnische noch seine religiöse Identität aufgeben muss, um mit den Brüdern und Schwestern in Harmonie zu leben.“

Minderheit auf Sri Lanka

Die Katholiken auf Sri Lanka, denen der Papstbesuch in erster Linie galt, sind eine kleine Minderheit, die quer durch alle Volksgruppen beheimatet ist. Aggression – auch religiöser Art – geht auf Sri Lanka meist von einem nationalistisch verstandenen Buddhismus aus. Im Selbstverständnis vieler Singhalesen ist Sri Lanka ein heiliges Land des Buddhismus. Ohne eine Religion einzeln zu nennen, sagte Papst Franziskus vor den Religionsvertretern:

„Um des Friedens willen darf man niemals zulassen, dass religiöse Überzeugungen zur Rechtfertigung von Gewalt und Krieg missbraucht werden. Wir müssen unsere Gemeinschaften klar und eindeutig auffordern, die Grundsätze des Friedens und der Koexistenz, die sich in jeder Religion finden, uneingeschränkt zu leben und Gewalttaten zu verurteilen, wenn sie begangen werden.“

Der Empfang des Papstes durch die Bevölkerung in Sri Lanka geriet enthusiastisch. Nicht viele dort können sich Reisen außer Landes leisten. Die Menschen wussten, dass sie den Papst nie wieder im Leben sehen würden, und kamen in hellen Scharen. Weil Hunderttausende die 28 Kilometer lange Strecke Kilometer vom Flughafen bis in die Innenstadt Colombos säumten, um Franziskus zu sehen, musste der erste Programmpunkt seiner Reise entfallen, nämlich das Treffen mit den Bischöfen. Ein Pfarrer in Colombo erzählte uns:

„Die Leute stehen entlang den Straßen, durch die der Papst kommt, und sind ungeheuer begeistert, einige weinten, andere hatten sich hingekniet, es waren viele Kinder gekommen, auch viele Kranke. Der Papst hat sie gesegnet. Es war ungeheuer emotional.“

Heiligsprechung und Marienheiligtum

Zwei weitere große Begegnungen hatte Franziskus auf Sri Lanka: die Messe mit Heiligsprechung des Missionars Joseph Vaz und der Besuch im Marienheiligtum von Madhu im Norden des Landes, beide am Mittwoch vergangener Woche. Oratorianerpater Joseph Vaz gilt als „Apostel Sri Lankas”. Er reiste 1686 in der Verkleidung eines Sklaven nach Sri Lanka, um dort den Katholiken während der Verfolgung zu Hilfe zu kommen. Joseph Vaz ist der erste Heilige für Sri Lanka, vor 20 Jahren hatte ihn Johannes Paul II. in Colombo am selben Ort selig gesprochen. Franziskus betonte die interreligiöse Tragweite des neuen Heiligen für das Glaubensleben heute

„Seine ungeteilte Liebe zu Gott öffnete ihn für die Liebe zum Nächsten; sie macht keine Unterschiede nach Rasse, Bekenntnis, Volksstamm, Stand oder Religion in dem Dienst, den sie durch ihre Schulen, Krankenhäuser, Kliniken und viele andere gemeinnützige Werke bereitstellt. Die einzige Gegenleistung, die sie fordert, ist die Freiheit, ihre Mission zu erfüllen. Religionsfreiheit ist ein fundamentales Menschenrecht. Jeder Einzelne muss – allein oder in Gemeinschaft mit anderen – frei sein, nach der Wahrheit zu suchen und die eigenen religiösen Überzeugungen öffentlich auszudrücken, ohne Einschüchterung und äußeren Zwang.“

Ein unumwundenes Bekenntnis zur Religions- und Meinungsfreiheit. Dienstagnachmittag dann: Franziskus besteigt den Hubschrauber und fliegt als erster Papst zu Sri Lankas größtem katholischen Heiligtum, zum Marienwallfahrtsort Madhu. Es ist heute eine religiöse Anlaufstelle nicht nur für Katholiken, sondern auch für Gläubige anderer Religionen. Während des letzten Kriegs in Sri Lanka geriet das Heiligtum zwischen die Fronten der Kämpfe von tamilischen Rebellen und Regierungstruppen. Den Bischöfen Sri Lankas gelang es schließlich, aus Madhu eine entmilitarisierte Zone zu machen. So flüchteten sich ab 1990 mehrere Tausende Vertriebene auf die 160 Hektar Grund, die zu dem Wallfahrtsort gehören. Das Flüchtlingscamp wurde de facto von beiden Seiten respektiert. 2008 wurde das Heiligtum der Diözese Mannar zurückgegeben und im Dezember 2010 als Kultstätte wiedereröffnet. Die Muttergottes von Madhu ist landesweit ein Symbol der Versöhnung, erklärt Pater Anselm shirat:

Dort, wo es Krieg gab

„Madhu liegt dort, wo es Krieg gab. Das Gebiet ist überwiegend tamilisch, es gibt dort aber auch viele Katholiken. Ich war dort während des Krieges und habe viele Waisenkinder gesehen, die ihre ganze Familie verloren hatten. Wenn man in Madhu ist und die Pilger beobachtet, fällt sofort auf, wie stark und ganz der Glauben dort gelebt wird. Die Kirche ist überfüllt, jeden Morgen. Die Leute singen laut, mit Inbrunst. Sie kommen nicht nur aus der Gegend, sondern von ganz Sri Lanka. Die Muttergottes dort ist die Vermittlerin für sie, und sie haben keine Abwesenheit Gottes gefühlt, auch nicht während des Krieges. Das ist ein großes Symbol.“

In Madhu ermahnte Papst Franziskus die ethnischen Gruppen in Sri Lanka dazu, Feindseligkeiten zu überwinden und die verlorene Einheit wiederherzustellen. Er rief alle Gläubigen – und auch Nicht-Katholiken durften sich gemeint fühlen - dazu auf, „Sühne zu leisten für unsere Sünden und für alles Böse, das dieses Land erfahren hat". Das sei nicht einfach. „Doch nur wenn wir im Licht des Kreuzes zur Einsicht gelangen, zu welchem Übel wir fähig sind und an welchem wir sogar teilgenommen haben, können wir echte Reue und aufrichtige Buße erfahren. Nur dann können wir die Gnade erhalten, wirklich reumütig aufeinander zugehen und so echte Verzeihung anzubieten und zu suchen.“ Allein der „Balsam der Vergebung und des Erbarmens Gottes“ bringe allen wahre Heilung.

Am Donnerstagvormittag vor dem Abflug auf die Philippinen besuchte Franziskus noch ein nach Papst Benedikt XVI. bekanntes Kulturzentrum, das den Frieden zwischen den Religionen fördert. Nach dem mehrstündigen Flug dann der Empfang auf dem Flughafen von Manila in Asiens größtem katholischen Land: die Philippinen. Die Regierung, unter ihnen auch Staatspräsident Benigno Aquino III. und die Kardinäle begrüßte Papst Franziskus mit Handschlag, einen nach dem anderen. Kardinal Louis Antonio Tagle wurde herzlich umarmt von Papst Franziskus, während im Hintergrund hunderte von Jugendlichen abwechselnd die Flaggen ihrer eigenen Nation und die des Vatikans hin und herschwenkten und traditionelle Tänze aufführten. Die Regierung hatte während des Papstbesuches nationale Feiertage ausgerufen, die Menschen sind in einem regelrechten „Papst-Fieber“.

Am Freitag feierte Franziskus zunächst eine Messe mit Bischöfen, Priestern und Ordensleuten in der Kathedrale von Manila, am Nachmittag traf er tausende Familien. Sofort zeigte sich eine sprachliche Eigenheit dieses Besuches. Während der Papst, dessen Englisch nicht für alle leicht verständlich ist, auf Sri Lanka weitgehend bei den Redetexten blieb, machte er auf den Philippinen unzählige spontane Einschübe, und zwar auf Spanisch, das viele Menschen dort wegen der kolonialen Vergangenheit noch einigermaßen gut verstehen. Den Dolmetscher gab ein junger Mitarbeiter aus dem Staatssekretariat, Mark Miles aus Gibraltar.

Was heißt es, Botschafter Christi zu sein? Dieser Frage ging Papst Franziskus in seiner Predigt in der Kathedrale von Manila nach. Er rief die Bischöfe, Priester und Ordensleute der Philippinen dazu auf, „Netzwerke der Solidarität“ zu bilden und gegen „skandalöse Ungleichheit“ in der Gesellschaft des Landes vorzugehen. „Die Armen sind das Zentrum des Evangeliums; die Armen sind im Herzen des Evangeliums. Wenn wir die Armen aus dem Evangelium herausnehmen, können wir nicht mehr die ganze Botschaft von Jesus Christus verstehen.“ Das sagte der Papst, von seinem Redetext abweichend, in der Kathedrale von Manila.  Gleich nach der Messe besuchte er überraschend ein Heim für Straßenkinder und plauderte 20 Minuten mit den Jungen und Mädchen.

Ideologische Kolonialisierung

Bei der Begegnung mit den Familien am Nachmittag warnte er vor einem westlichen Zerrbild von Familie; Franziskus fand das Bild „ideologische Kolonialisierung“, ein Vorgang, der die Familie zerstöre. Es handle sich um Vorstellungen, die nicht aus dem Gebet und der Begegnung mit Gott entstünden, sondern „von außen“ kämen, „deshalb nenne ich sie Kolonialisierung“. Franziskus zählte solche Gefahren für die Familie auf: Relativismus, Kultur des Vorläufigen, Versuche, die Institution der Ehe neu zu definieren und mangelnde Offenheit für das Leben. So wie in bestimmten geschichtlichen Situationen die Völker „Nein“ zur Kolonialisierung gesagt hätten, so gelte es heute als Familie „weise und stark“ zu sein und „Nein“ zu jedem Versuch der ideologischen Kolonialisierung der Familie zu sagen. Gegen diese Gefahren und Herausforderungen brauche die Welt „gute und starke Familien“, fuhr Papst Franziskus fort. Die Zukunft der Menschheit gehe über die Familie, zitierte er Papst Johannes Paul II.

Familien müssten aber auch prophetische Stimmen sein:

„Wenn Familien Kinder zur Welt bringen, sie im Glauben und in gesunden Werten erziehen und sie lehren, ihren Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, werden sie zum Segen in unserer Welt. Gottes Liebe wird gegenwärtig und wirksam durch die Art, wie wir lieben, und durch die guten Werke, die wir vollbringen. Wir breiten Christi Königreich in dieser Welt aus. Und indem wir das tun, erweisen wir uns als treu gegenüber der prophetischen Sendung, die wir in der Taufe erhalten haben.“

Den Samstag prägten Unwetter, und sie machten auch Änderungen im Papstprogramm nötig. Franziskus war 350 Kilometer aus Manila nach Tacloban auf die Insel Leyte geflogen, um mit den Hinterbliebenen der Opfer des Taifuns Haiyan (auf den Philippinen Yolanda genannt) zu beten und seine Solidarität zu zeigen. Aber auch der Papstbesuch wurde von einem tropischen Sturm getroffen. Das Treffen mit Ordensleuten musste entfallen, der Pilot konnte eine so späte Rückreise nicht verantworten – und er behielt recht, ein wenig nach der Papstmaschine gestartetes Flugzeug verunglückte, wobei glücklicherweise niemand ernsthaft verletzt wurde; auf dem Flughafen starb ungefähr zu jener Zeit eine junge freiwillige Helferin durch einen herabfallenden Lautsprecher, Franziskus zeigte sich erschüttert und traf in Manila den Vater der Toten.

Bei der Messe mit den Hinterbliebenen der Taifun-Opfer erinnerte Franziskus an die allgegenwärtige Anwesenheit Gottes. Er sei ein Herr, der in den schwierigsten Momentes des Lebens „mit uns weint und mit uns geht“.

„So viele von euch haben alles verloren. Ich weiß nicht, was ich euch sagen soll. Aber der Herr weiß, was er euch sagen will. So viele von euch haben Teile eurer Familien verloren. Alles, was ich tun kann, ist still zu sein und mit euch allen zu gehen mit meinem stillen Herzen. Viele von euch haben den Herrn gefragt: Warum, Herr? Und jedem von euch, in eurem Herzen, antwortet Christus mit seinem Herzen, vom Kreuz herab. Ich habe keine anderen Worte als diese.”

Die Bilder der Messe in Tacloban werden wohl jene sein, die von dieser Papstreise nach Asien bleiben: Franziskus, der beim Gottesdienst wie alle anderen auch ein gelbes Regencape über dem Messgewand trägt, an dem der Sturm zerrt. Vielen Messteilnehmern in Tacloban liefen die Tränen über das Gesicht, als Franziskus in seinem Regencape mit einfachen, spontanen Worten predigte. Berichterstatter kreierten ein neues Wort: „Ponchifex“ - der Papst im Regen-Poncho.

Am Sonntag dann: die vielleicht emotionalsten Momente einer hochemotionalen Reise, bei der wirklich der Funke übersprang zwischen dem lateinamerikanischen Papst und den Filippinos, die jemand als „die Latinos Asiens“ bezeichnet hat. Zur Sonntagsmesse in Manila kamen trotz schlechten Wetters sechs oder sieben Millionen Menschen, so genau hat sie keiner gezählt, und am Nachmittag begegnete Franziskus Jugendlichen.  

Auf den Philippinen wurde dieser Sonntag als der „Jesuskind-Sonntag“ gefeiert, was Papst Franziskus auch in seiner Predigt aufgriff. Die Christen seien dazu berufen, Zeugen der Wahrheit und Gerechtigkeit Gottes zu sein, so der Papst. Die Philippinen als das „führende katholische Land in Asien“ hätten hier eine besondere Berufung: „hervorragende Missionare des Glaubens in Asien zu sein“. Zugleich rief er die Filipinos dazu auf, ihre christliche Identität zu schützen - und der erste Schutzraum dafür sei die Familie. Papst Franziskus beklagte auch hier die Versuche der Welt, diese Schutzräume zu zerstören: „Leider muss die Familie in unseren Tagen allzu oft gegen heimtückische Angriffe und Programme verteidigt werden, die im Gegensatz zu all dem stehen, was uns wahr und heilig ist, zum Schönsten und Edelsten in unserer Kultur.“ Und an die Adresse der Politik gewandt, die auf den Philippinen jedem Glaubensbekenntnis zum Trotz von einem erschreckenden Ausmaß an Korruption geplagt wird, sagte der Papst:

„Gottes Sohn widersetzte sich der Unehrlichkeit und der Korruption, welche die Erbschaft der Sünde sind und besiegte sie durch die Kraft des Kreuzes. Jetzt, am Ende meines Besuches auf den Philippinen, empfehle ich euch ihm, Jesus an, der als ein Kind in unsere Mitte kam. Möge er all die geliebten Menschen dieses Landes befähigen zusammenzuarbeiten, indem sie beim Aufbau einer Welt der Gerechtigkeit, der Rechtschaffenheit und des Friedens einander beschützen – angefangen bei euren Familien und Gemeinschaften.“

Ein Straßenkind, ein Jura-Student und ein junger Mann mit einer eigenen kleinen Hilfsorganisation: Papst Franziskus begegnete an diesem Sonntagmorgen exemplarisch der Wirklichkeit von Jugendlichen auf den Philippinen. Die ganze Begegnung war auf gewisse Weise bestimmt von Mädchen: weil sie fehlten, wie der Papst anmerkte; weil eines beim Sturm auf Tacloban gestorben war und weil ein anders bei dieser Begegnung mit dem Papst buchstäblich einen Strom von Tränen vergoss.

Zuerst gedachte Franziskus gemeinsam mit den Jugendlichen der 27-jährigen freiwilligen Helferin, die am Samstag ums Leben gekommen war und betete für sie. Drei Jugendliche erzählten dann aus ihrem Leben. Ein junges Mädchen, ein ehemaliges Straßenkind, konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen. Papst Franziskus versuchte sie mit Umarmung zu trösten. Dann fiel dem Papst ein merkwürdiger Sachverhalt auf:

„Unter euch sind nur wenige Mädchen, zu wenige. Frauen haben uns so viel zu sagen in unserer Gesellschaft heute. Manchmal sind wir zu sehr „Macho“ und erlauben Frauen nicht genug Raum. Aber Frauen können die Dinge aus einem anderen Blickwinkel sehen, mit anderen Augen. Frauen können Fragen stellen, die wir Männer unfähig sind zu verstehen. Schaut genau hin: Sie [die junge Frau, die dem Papst eine Frage gestellt hatte] ist die einzige, die mir eine Frage gestellt hat, auf die es keine Antwort gibt. Sie konnte es nicht in Worten ausdrücken, aber mit Tränen. Wenn also der nächste Papst nach Manila kommt, bitte lasst mehr Mädchen dabei sein.“

„Ich danke Jun, dass sie so mutig war und über ihre Erfahrungen gesprochen hat“, fuhr der Papst fort. Jun, 14 Jahre alt, hatte von ihrer Zeit als Straßenkind berichtet, von „fürchterlichen Dingen, die meinen Freunden auf der Straße passiert sind", von Kriminalität und Prostitution. Sie brach in Tränen aus und konnte nicht weiter sprechen. „Wie ich schon gesagt habe, das Herz deiner Frage hat keine Antwort. Nur wenn wir über die Dinge, die zu erzählt hast, weinen können, können wir in die Nähe einer Antwort kommen. Warum leiden Kinder so viel? Warum leiden Kinder? Wenn das Herz diese Fragen stellen kann und weint, dann können wir sie verstehen.“ Es gebe ein weltliches Mitleid, das letztlich nutzlos sei, das Mitleid des Griffs in die Tasche und der Almosen. „Wenn Christus diese Art von Mitleid gehabt hätte, hätte er einige Menschen gegrüßt, ihnen etwas gegeben und wäre weitergegangen.“ Erst als er selbst geweint habe, verstand er das Leben der Menschen, so Papst Franziskus. „Liebe Jungen und Mädchen, die Welt heute kann nicht mehr weinen. (..) Aber bestimmte Wirklichkeiten des Lebens kann man nur mit den Augen sehen, die durch Tränen gereinigt wurden. Ich lade euch alle ein, euch zu fragen: Habe ich gelernt zu weinen? Das möchte ich euch heute als erstes sagen: lasst uns lernen, zu weinen, wie sie [Jun] hier geweint hat und lasst uns das nicht vergessen.“

(rv 19.01.2015 gs)








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