2015-01-19 13:53:00

Nigeria: Erzbischof fordert mehr Unterstützung gegen Boko Haram


Knapp über eine Woche ist es her, da sind in Paris etwa eine Million Menschen zusammengekommen, um der Opfer der Attentate zu gedenken. Auch Angela Merkel war mit dabei. 17 Menschen sind dort Mitte Januar ums Leben gekommen. Attentäter sind in die Büroräume der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ eingedrungen und haben fast die ganze Redaktion ausgelöscht. Später gab es noch zwei Geiselnahmen. Doch auch in Nigeria wurden Anfang Januar Anschläge verübt - von der Terrorgruppe Boko Haram. Dabei könnten nach Schätzungen von Amnesty International hunderte Menschen ums Leben gekommen sein. Unter den Eindrücken aus Frankreich sind diese Verbrechen etwas untergegangen. Veronika Seidel Cardoso hat mit Nigerias Erzbischof Ignatius Kaigama über die Situation dort gesprochen.

Die Satellitenbilder, die Amnesty International Ende letzter Woche veröffentlicht hat, sprechen eine deutliche Sprache. Sie zeigen Städte im Norden Nigerias, vor und nach einem Angriff der Terrorgruppe. Christian Hanussek von Amnesty Deutschland:

„Es hat sich gezeigt, dass zwei Ortschaften zum Teil völlig verwüstet sind. Man erkennt, dass ein großer Teil der Häuser zerstört sind, und wir gehen davon aus, dass die Bevölkerung dieser Ortschaften den Ort verlassen hat, dass zehntausende auf der Flucht sind und dass es aber auch bei diesem Überfall zu sehr vielen Todesopfern gekommen ist.“

Hunderte von Opfern könnten es sein. Vielleicht sogar Tausende. Boko Haram, das übersetzt „westliche Bildung verboten“ heißt, verübt immer wieder brutale Anschläge auf Christen und Andersgläubige in Nigeria. Erzbischof Ignatius Kaigama wünscht sich, dass den Opfern in seinem Land ähnlich viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, wie den Ermordeten in Frankreich. Auch in Nigeria sollten die Menschen auf die Straße gehen und zeigen: Wir stehen zusammen.

„Wie das in Frankreich abläuft, finde ich großartig. Ich habe unserer Regierung gesagt, dass ich ein bisschen neidisch bin. Weil sie Liebe zeigen. Ich habe gesagt, so was könnten wir doch auch machen. Auch unsere Regierung sollte das Leben jedes einzelnen Nigerianers wertschätzen. Es wurden hier so viele Menschen ermordet. Und niemanden scheint es wirklich zu interessieren. Es wurden hunderte Mädchen entführt - und nichts ist passiert. Wenn wir so einen Patriotismus und diese Liebe für unser Land hätten, dann würden wir so reagieren wie die Franzosen.“

Boko Haram ermordet, foltert und vergewaltigt seit Jahren unschuldige Menschen. Die Kämpfer machen auch vor Frauen und Kindern nicht Halt. Erzbischof Kaigama fühlt sich alleingelassen von der internationalen Gemeinschaft. Vor allem Europa und die USA müssten helfen. Nicht nur mit Waffen – auch mit Informationen.

„Die Anführer sagen, sie haben mit Messern angefangen, jetzt haben sie hoch entwickelte Waffen. Woher haben sie die? Die können sie ja nicht im Busch selber herstellen. Die kommen von irgendwoher. Wenn die internationale Gemeinschaft herausfindet, woher und die Lieferungen stoppen kann, dann würde uns das sehr helfen. Wenn man herausfinden könnte, in welchen Ländern diese Fanatiker trainieren und ausgebildet werden oder woher sie ihr Geld beziehen, dann wäre uns sehr geholfen.“

Ziel von Boko Haram ist es, die Scharia einzuführen und andere Religionen auszulöschen. Daher leben auch Christen jeden Tag in der Angst, wegen ihres Glaubens attackiert zu werden. Dadurch wird ihr Glaube nur noch stärker, sagt Kaigama.

„In Maiduguri, das ist der Hauptsitz von Boko Haram, nehmen die Menschen lange und gefährliche Wege auf sich, um in die Kirche zu gehen. Der Bischof dort sagte mir, er ist erfreut über die volle Kirche. Also die ganzen Bemühungen von Boko Haram, die Christen zu vertreiben, war nicht erfolgreich. Die Christen sind hier mutiger und entschlossener, ihren Glauben zu leben.“

Auch der Erzbischof selbst lebt jeden Tag mit der Angst, verschleppt oder ermordet zu werden. Seine Diözese Jos liegt im Norden Nigerias – dort wo die meisten Anschläge von Boko Haram verübt werden. Doch der täglichen Angst begegnet er mit Gottvertrauen. Kaigama:

„Ich weiß, dass Gott einen Plan für mich hat. Was ich als Bischof mache, ist nicht kriminell. Ich ermutige niemanden, zu töten. Ich bete für den Frieden und für die Menschen. Ich sage den Leuten: Lebt zusammen wie eine Familie, seid freundlich zu Moslems und Menschen, die keine Christen sind. Nehmt keine Rache, bekämpft das Böse mit dem Guten. Das ist meine Arbeit. Und wenn ich damit in deren Augen ein Verbrechen begehe, dann kann ich nichts machen. Und wenn mich jemand deswegen tötet, dann denke ich an Jesus. Auch er wurde getötet, obwohl er etwas Gutes getan hat. Er hat kein Verbrechen begangen. Also werde auch ich weitermachen, jeden Tag aufs Neue.“

(domradio 19.01.2015 gs)








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