2015-01-18 06:53:00

Begegnung mit Jugendlichen: „Wirklichkeit ist wichtiger als Ideen“


Ein Straßenkind, ein Jura-Stundent und ein junger Mann mit einer eigenen kleinen Hilfsorganisation: Papst Franziskus begegnete an diesem Sonntagmorgen exemplarisch der Wirklichkeit von Jugendlichen auf den Philippinen. An der katholischen Thomas-Universität in Manila fand eine Veranstaltung der Begegnung mit Jugendlichen statt, auf dem Sportplatz der Universität waren schon vor Beginn der Veranstaltung 30.000 von ihnen versammelt, mehrere tausend weitere verfolgten die Begegnung von außerhalb. Aber die Menschenmenge nahm immer weiter zu, die Radio Vatikan Korrespondenten sprechen von zum Schluss nicht mehr zählbaren Mengen.

Zuerst gedachte der Papst der jungen Frau, die bei der Messe an diesem Samstag ums Leben gekommen war und betete gemeinsam mit den Tausdenden von Menschen für sie: „Gestern, als die Messe begann, fiel ein Teil von einem Gerüst herunter und traf eine junge Frau, die dort arbeitete, und sie starb. Sie hieß Kristel. Sie arbeitete für eine Organisation, die die Messe vorbereitete. Sie war 27 Jahre alt, jung wie ihr auch. Sie arbeitete als Freiwillige für den Catholic Relief Service. Ich möchte euch alle, die ihr auch jung seid, bitten einen Augenblick in Stille mit mir zu beten und dann werden wir unsere Mutter im Himmel um Fürsprache bitten. [Stille, dann leitet Papst Franziskus ein Ave Maria] Lasst uns auch für ihre Eltern beten. Sie war ihr einziges Kind. Ihre Mutter kommt aus Hong Kong hierher und ihr Vater ist hier, in Manila. [Papst Franziskus betet ein Vater Unser]"

 

„Unter euch sind nur wenige Mädchen"

Drei Jugendliche erzählten aus ihrem Leben. Ein junges Mädchen, ein ehemaliges Straßenkind, war voller Emotionen und konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen. Papst Franziskus versuchte sie mit Umarmung zu trösten. Ein weiterer Jugendlicher übergab dem Papst ein versiegeltes Glasgefäß voller Zettel, auf jedem ein Gedanke eines Studierenden an der Hochschule für den Papst.

„Unter euch sind nur wenige Mädchen, zu wenige. Frauen haben uns so viel zu sagen in unserer Gesellschaft heute. Manchmal sind wir zu sehr „Macho“ und erlauben Frauen nicht genug Raum. Aber Frauen können die Dinge aus einem anderen Blickwinkel sehen, mit anderen Augen. Frauen können Fragen stellen, die wir Männer unfähig sind zu verstehen. Schaut genau hin: Sie [die junge Frau, die dem Papst eine Frage gestellt hatte] ist die einzige, die mir eine Frage gestellt hat, auf die es keine Antwort gibt. Sie konnte es nicht in Worten ausdrücken, aber mit Tränen. Wenn also der nächste Papst nach Manila kommt, bitte lasst mehr Mädchen dabei sein.“

 

Warum leiden Kinder?

„Ich danke Jun, dass sie so mutig war und über ihre Erfahrungen gesprochen hat“, fuhr der Papst fort. Jun, 14 Jahre alt, hatte von ihrer Zeit als Straßenkind berichtet, von „fürchterlichen Dingen, die meinen Freunden auf der Straße passiert sind", von Kriminalität und Prostitution. Sie brach in Tränen aus und konnte nicht weiter sprechen. „Wie ich schon gesagt habe, das Herz deiner Frage hat keine Antwort. Nur wenn wir über die Dinge, die zu erzählt hast, weinen können, können wir in die Nähe einer Antwort kommen. Warum leiden Kinder so viel? Warum leiden Kinder? Wenn das Herz diese Fragen stellen kann und weint, dann können wir sie verstehen.“ Es gebe ein weltliches Mitleid, das letztlich nutzlos sei, das Mitleid des Griffs in die Tasche und der Almosen. „Wenn Christus diese Art von Mitleid gehabt hätte, hätte er einige Menschen gegrüßt, ihnen etwas gegeben und wäre weitergegangen.“ Erst als er selbst geweint habe, verstand er das Leben der Menschen, so Papst Franziskus. „Liebe Jungen und Mädchen, die Welt heute kann nicht mehr weinen. (..) Aber bestimmte Wirklichkeiten des Lebens kann man nur mit den Augen sehen, die durch Tränen gereinigt wurden. Ich lade euch alle ein, euch zu fragen: Habe ich gelernt zu weinen? Das möchte ich euch heute als erstes sagen: lasst uns lernen, zu weinen, wie sie [Jun] hier geweint hat und lasst uns das nicht vergessen.“

 

Werte in der Welt von heute

Leandro Santos, der zweite Sprecher und ein Student der Hochschule, hatte von Werten und Vorbildern in der Informationsgesellschaft gesprochen. Papst Franziskus begann seine Antwort damit, dass er diese neue Welt erst einmal wertschätzte. Aber: „Wir haben so viel Information aber vielleicht wissen wir gar nicht mehr, was wir damit tun sollen. Wir werden zu einem Museum von jungen Menschen, die alles haben, aber nicht mehr wissen, was sie damit tun sollen.“ Das Evangelium habe eine Antwort, die drei Sprachen des Verstandes, des Herzens und der Hände müssten gemeinsam wirken. „Was du denkst, musst du auch fühlen und tun. Die Informationen kommen zum Herzen und werden auch umgesetzt. (..) Fühle, was du denkst und fühle, was du tust. Tue, was du denkst und was du fühlst. Diese drei Sprachen, könnt ihr das alle wiederholen? Denken, fühlen, tun … .“

 

Rikki, ein Ingenieur-Student, blickte noch einmal zurück auf den Taifun von 2013, den er selber erlebt hatte, erzählte und fragte nach dem Sinn in all dem. Gemeinsam mit anderen Studenten betreibt er ein Projekt, Licht und damit ein Stück moderne Welt zu Menschen zu bringen, die sonst nichts davon haben. „Rikki hat eine gute Idee, was wir alle in unserem Leben tun können. Danke, Rikki, für all das, was du und deine Freunde tun. Ich möchte dir eine Frage stellen: Du und deine Freunde helfen anderen, aber erlaubt ihr euch auch selber, zu empfangen? Antworte darauf mit deinem Herzen.“

Auch tätigen Menschen würde eine Sache fehlen: zu Bittenden werden, fuhr Papst Franziskus fort. „Das ist nicht einfach zu verstehen (…), von den Armen evangelisiert zu werden, von denen, denen wir helfen, den Kranken, den Waisen, sie alle haben uns so viel zu geben.“ Das sei es, was das eigene Tun reifen lasse, so Papst Franziskus.

„Das ist es, was ich euch heute sagen möchte. Es tut mir leid, dass ich nicht das vorgelesen habe, was ich für euch vorbereitet habe, aber es gibt einen Satz, der mich tröstet: Wirklichkeit ist wichtiger als die Ideen. Eure Wirklichkeit ist wichtiger als das Papier, das hier vor mir liegt. Ich danke euch. Betet für mich!“

 

(rv 18.01.2015 ord)








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