2014-12-24 16:07:00

Weihnachtsmeditation aus Jerusalem: Ein Christ bleibt nie zu Hause


Gott wird Mensch, im Nahen Osten, inmitten von politischen, religiösen und sozialen Konflikten, umgeben von Mächtigen und Armen, von Hirten und Weisen. Und er ging hinaus, er verkündete, nicht eingeschüchtert von all dem. Das ist auch heute die Botschaft von Weihnachten für die Christen heute, im Nahen Osten und anderswo. Eine Betrachtung von Pater David Neuhaus SJ, Patriarchalvikar für die Christen israelischer Sprache des Bischofs von Jerusalem.

 

Christen sind dazu berufen, kein finster dreinblickendes Volk zu sein. Ein düsterer Christ ist kein Christ, und das haben wir wieder holt von Papst Franziskus gehört, aber auch von Papst Benedikt und dem heiligen Johannes Paul II. Wir sind nicht düster, weil wir aus der Freude der Auferstehung leben. Also hoffe ich, dass Christen nicht finster dreinblicken, und ganz besonders nicht zu Weihnachten!

Aber natürlich sehen wir uns vielen Herausforderungen gegenüber, der Herausforderung etwa, dass sich viele Christen völlig aus dem Heiligen Land zurück ziehen, also woandershin emigrieren oder zumindest davon träumen zu emigrieren. Es ist gar nicht mehr so einfach, wegzugehen, viele wollen es, können aber gar nicht.

Sie ziehen sich aber auch psychologisch, sozial und politisch aus der Gesellschaft zurück und bilden kleine Ghettos. Letztlich ist das ein Verrat an dem was es bedeutet, ein Christ zu sein.

Ein Christ ist jemand, der heraus geht, immer. Ein Christ bleibt nie nur zu Hause. Ein Christ geht hinaus, um die Gründe für seine Freude zu verkünden, die Gründe für seine Hoffnung, die Gründe für Versöhnung, Vergebung, Gerechtigkeit und Frieden.

Unser großer Feind im gemeinsamen Umgang mit all dem, was mit uns passiert, ist die Furcht. Die Furcht ist allüberall, gerade jetzt in den christlichen Gemeinschaften im Nahen Osten. Diese Furcht bezieht sich auf die vielen Bilder, die andauernd in unser Leben kommen: Die furchtbaren Dinge, die im Nahen Osten passieren, vor allem im Irak und in Syrien aber nicht nur da, all die Bilder des Schlimmen, was da passiert, veranlasst Christen dazu, sich zurück ziehen zu wollen. Es ist nicht sicher, hinaus zu gehen, wir leben in einer sehr gefährlichen und dunklen Welt.

Einmal mehr müssen wir zurück zu unserer Berufung: Hinaus gehen! Es gibt eine ganze Reihe von Wegen, das zu tun. Drei möchte ich nennen, drei von denen ich denke, dass sie besonders wichtig seien.

Erstens müssen wir mit unseren Worten hinaus gehen, wir müssen das, was wir zu sagen haben, sagen und senden. Das christliche Sprechen bezieht sich niemals nur auf ein enges Eigeninteresse, in christlichem Sprechen geht es niemals nur um Christen. Es geht immer darum, dass Gott die Welt so sehr geliebt hat, dass Gott seinen einzigen Sohn in diese Welt gesandt hat. Was immer Christen mit ihrem Sprechen erreichen wollen, es dreht sich immer um das Gemeinwohl aller. Im christlichen Sprechen geht es nicht nur um Christen, sondern darum, unsere Welt besser zu machen, sie zu korrigieren, uns für die Werte einzusetzen, an die wir glauben, so dass alle Menschen eine bessere Zukunft haben. Das ist der erste Weg, hinaus zu gehen, sei es als Weltkirche, sei es als Ortskirche, laut und stark über das, an was wir glauben.

Zweitens müssen wir unsere Institutionen bauen. Unsere Institutionen waren immer für alle da. Wir haben sie niemals nur auf Christen beschränkt. Ich spreche hier ganz ausdrücklich über unsere Schulen, unsere Universitäten und unsere Krankenhäuser: sie stehen im Dienst aller. Dann bekommen sie strahlende Oasen dessen, was der Nahe Osten sein könnte, wenn christliche uns muslimische Kinder gemeinsam in der Schule lernen. Einige unserer Schulen – wenn es da keine Sprachbarriere gibt – sind auch offen für Juden. Wenn unsere Krankenhäuser Christen, Muslime und Juden behandeln, und ich könnte unzählige Beispiele nennen, wo christliche Institutionen für alle und jeden da sind. Durch den Dienst für alle bringen sie alle zusammen, und die Weise, in der sie das tun, verändert die Menschen. So ist die Stärkung unserer Institutionen für uns ein Weg, hinaus zu gehen.

Es ist drittens wichtig, wahrzunehmen, dass die Kräfte, die uns bedrohen, nicht nur uns bedrohen. Das ist eine sehr menschliche Sache. Wenn wir an IS denken oder an irgendeine der vielen Arten von Fundamentalismus, muslimisch oder jüdisch im Nahen Osten von heute, dann müssen wir sehen, dass sie auch unsere muslimischen und unsere jüdischen Brüder und Schwestern bedrohen, all die, die nicht diese Art monolithische und eintönige Gesellschaft wollen, für die diese Fundamentalisten kämpfen. Wir müssen hinaus gehen und diese Menschen finden, diese Muslime und diese Juden, die unsere Vision und unsere Werte teilen. Gemeinsam mit ihnen müssen wir uns gegen die Kräfte der Dunkelheit einsetzen.

Es gibt die Tendenz, über Muslime zu sprechen, als wären sie ein Block, das gleiche gilt für Juden. In unserem Alltag als Christen im Nahen Osten wissen wir, dass das nicht stimmt. Wir müssen offen darüber sprechen. Über die Medien haben wir viel von IS und der Gewalt gehört, wir haben aber noch nicht genug gehört über Muslime, die ihr Leben dabei verloren haben, Jesiden oder Christen zu verteidigen. Diese Menschen wurden gefoltert und umgebracht.

Es gibt so viele Menschen, die in der gleichen Furcht leben, wie wir das tun. Als Christen müssen wir diese Angst beiseite schieben und unsere jüdischen Brüder und Schwestern und unsere muslimische Brüder und Schwestern suchen, die bereit sind, gemeinsam mit uns einen besseren Nahen Osten zu bauen.

Ich wiederhole: Es ist kein Platz für Niedergeschlagenheit, besonders nicht an Weihnachten. Es ist jetzt die Zeit, den Mut zu erneuern, der aus dem Glauben kommt. Bis zu dem Moment, als der Heilige Geist zu Pfingsten über die Jünger ausgegossen wurde, hatten sie in Angst gelebt und sich selbst eingeschlossen. Erfüllt mit Heiligem Geist haben sie den Kopf erhoben die Frohe Botschaft verkündet. Genau das ist für uns heute sehr wichtig.

 

(rv 24.12.2014 ord)

 








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