2014-12-24 09:55:00

Papstbrief an Nahost: „Das haben wir wirklich gebraucht“


Dass ein Papst einen ausführlichen Brief an die Kirche eines Landes oder einer Region schreibt, ist äußerst ungewöhnlich; in der Regel gibt`s das nur, wenn große Probleme aufgetreten sind. Papst Benedikt schrieb nach den Missbrauchsskandalen an die irische Kirche, und er wandte sich in einem eigenen Brief an die Christen in China, andere Beispiele in der jüngeren Geschichte gibt es nicht. An diesem Montag hat Papst Franziskus den Christen im Nahen Osten geschrieben – vier Seiten Appelle, sie sollten trotz aller Verfolgungen durchhalten und den Glauben bewahren. Der Kustos des Heiligen Landes, Franziskanerpater Pierbattista Pizzaballa, kommentiert:

„Das ist ein Schriftstück, das mich sehr berührt hat, denn es ist klar – sehr klar. Da wird die Lage, in der sich die Christen befinden, sehr genau beschrieben. Aber es ist dabei nicht pessimistisch. Es ermutigt die christliche Gemeinschaft, weiterhin Zeugnis zu geben durch ein heiliges Leben. Das Böse wird beim Namen genannt, der Terrorismus wird verurteilt. Aber da finden sich auch einige Elemente, die sehr wichtig sind, nämlich der ökumenische und der interreligiöse Dialog: Man darf sich eben bei einer solchen Gemengelage nicht einigeln, sondern braucht umso mehr das Gespräch mit dem Anderen und den normalen Umgang – das ist essentiell, dazu gibt es keine Alternative, das sagt der Papst ganz klar. Also: Nicht parteiisch werden, denn das ist der Fluch dieser Erde hier.“

Gerade in Zeiten des IS-Terrors ist der Dialog und der vertrauensvolle Kontakt mit Muslimen besonders wichtig, argumentiert Papst Franziskus in seinem Brief – und zwar, um auch dem Islam selbst zu helfen, sich selbst nicht etwa als eine Religion der Gewalt zu sehen.

„Ja, so sagt er das ausdrücklich in seinem Brief. Es gibt keine Alternative zum interreligiösen Dialog! Allerdings – man muss in diesem Rahmen auch von unseren islamischen Brüdern Klarheit verlangen, wenn sie diese Formen der Verzerrung des Islams verurteilen, sonst beruht der Dialog nämlich auf etwas Falschem. Diese Klarheit ist wichtig. Und dann natürlich: Nicht dem Defätismus nachgeben, dem Zusammenstoß der Kulturen, dem Ruf zu den Waffen. Das alles nämlich bietet keine Perspektive.“

Der Kustos des Heiligen Landes glaubt, dass das Schreiben von Papst Franziskus einigen Eindruck auf die bedrängten Christen im Nahen Osten machen wird. Und zwar nicht nur auf die Katholiken unter ihnen.

„Schon der Brief an sich – dass er nicht lange im Voraus angekündigt worden ist, und dass er nicht in irgendeiner Tradition steht. Das ist schon eine sehr wichtige Geste der Aufmerksamkeit, das kommt sicher sehr gut an. Und dann zeigt der Brief ja auch eine Methode, einen Weg, den alle christlichen Gemeinschaften gehen können. Angesichts des Dramas, das wir alle erleben, war es notwendig, eine klare Richtung gezeigt zu bekommen und eine deutliche Stimme zu hören. Das haben wir wirklich gebraucht.“

(rv 24.12.2014 sk)








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