2014-11-22 11:44:00

Unser Buchtipp: Päpste im Heiligen Land


Unser Buchtipp: Franziskus im Heiligen Land – Päpste als Botschafter des Friedens, von Matthias Kopp.

 

Dieses Buch hält viel mehr, als der Titel verspricht: Matthias Kopp, Sprecher der Dt. Bischofskonferenz (und in den 90ern unser Redaktionskollege) ist ein profunder Kenner sowohl des Nahen Ostens wie des Vatikans. Er legt, erstmals im deutschen Sprachraum, eine eingehende Analyse dessen vor, was eine Papstreise ins Heilige Land – von denen es in den letzten sechzig Jahren vier gegeben hat – leisten kann und wie sie sich ins Puzzle vatikanischer Nahost-Diplomatie einfügt.

 

Kopps Buch startet nicht in Rom, sondern in Israel, Palästina und Jordanien: Er führt als erstes in die ausserordentliche Vielfalt und Problematik christlichen Lebens im Heiligen Land ein. Dann widmet er sich den Verknotungen der dortigen Politik. Wer sich diese Zahlen und Fakten vor Augen führt, fragt sich unwillkürlich, wie ein Papst sich überhaupt in eine so komplizierte Gemengelage hineintrauen kann. Kopp dazu:

 

„Genau deshalb habe ich das Buch ja geschrieben – um zu zeigen, welche Leistung vier Päpste in fünf Jahrzehnten vollbracht haben, indem sie in diese Gemengelage gefahren sind, wo man sich ökumenisch einigermaßen verständlich machen muss, wo man im Dialog der Religionen reden muss, wo man mit der Politik reden muss. Wichtig ist mir in diesem Kapitel, wo es um die katholische Kirche und ihre Geschichte im Heiligen Land geht, zu zeigen: Was leistet die Kirche dort vor Ort für die Menschen? Warum ist die Kirche, sind die Kirchen unverzichtbar für das Heilige Land?“
Die Geschichte der Papstreisen in die Region startet mit Paul VI.: 1964, ein Jahr nach seinem Amtsantritt, flog der Montini-Papst nach Jordanien und besuchte von dort aus auch Israel. Und das, obwohl der Vatikan den jüdischen Staat noch gar nicht diplomatisch anerkannte – das kam erst Jahrzehnte später unter Johannes Paul.

 

„Paul VI. hat die Grundlagen gelegt mit dem berühmten Gang von Kardinal Eugène Tisserand, der damals Dekan des Kardinalskollegiums war, in den sogenannten Shoah-Keller, wo auf dem Berg Zion in Jerusalem der Holocaust-Opfer gedacht wird, während Paul VI. in der Dormitio-Abtei war. Aber es ist das große Verdienst von Johannes Paul II., dass er mit Pontifikatsbeginn 1978 bis zum Jahr 2000, als er nach Israel reiste, über zwanzig Jahre lang daran gearbeitet hat, diese Aussöhnung mit dem israelischen Staat und dem Judentum so umzusetzen, dass diese Aussöhnung letzten Endes durch seine Reise gekrönt wurde.“

 

Für Paul wie für Johannes Paul, für Benedikt XVI. wie für Franziskus gilt: Ein Besuch im Heiligen Land ist ein Eiertanz. Der Besucher aus Rom muss auf viele Empfindlichkeiten Rücksicht nehmen und sich einem starren Programm unterwerfen. Aber Matthias Kopp urteilt:

 

„Die Reisen haben dann ein Proprium, wenn die Päpste anfangen, zu sprechen! Denn ich glaube, jeder Papst – Johannes Paul, Benedikt, Franziskus – hat eigene Akzente in seinen Reden gesetzt. Natürlich ist das Protokoll sehr eng, ob in Jordanien, Palästina oder in Israel; bei der letzten Reise hat Franziskus sehr eigene Akzente gesetzt, etwa dadurch, dass er von Jordanien direkt nach Betlehem geflogen ist, nicht über Tel Aviv; oder dass er das Grab von Theodor Herzl auf dem ‚Mount Herzl‘ besucht hat. Das sind kleine Momente, wo Neues eingebaut wurde. Aber natürlich hat sich das Protokoll sehr, sehr verfestigt – und leider auch die Sicherheitslage, so dass doch bei allen Reisen in Israel, also 2000, 2009 und 2014, die Sicherheitslage oftmals im Mittelpunkt stand und der Papst nur wenig Kontakt mit den Menschen haben konnte.“

 

Einem Außenminister – nehmen wir nur John Kerry, USA – kann es passieren, dass er mehrmals im Monat den Nahen Osten bereist, oft von einem Brennpunkt zum nächsten. Papstreisen in die Region hingegen sind selten, auch wenn sich der Rythmus deutlich beschleunigt hat.

 

„Papstreisen sind natürlich immer nur eine Momentaufnahme – ein Moment, wo die Weltöffentlichkeit auf den Nahen Osten, das Heilige Land, den Papst schaut. Ich glaube aber aus meiner Erfahrung von den drei Reisen, bei denen ich auch vor Ort sein konnte, dass sie am Ende länger wirken, als sie gedauert haben!“

 

Die Menschen im Heiligen Land seien dankbar für das, was der Papst sage, und fühlten nach seiner Visite neuen Mut, so Kopp. Mit seinem Friedensgebet für den Nahen Osten in den Vatikanischen Gärten hat auch Franziskus im Juni gezeigt, dass für ihn die Heilig-Land-Reise nicht mit dem Abflug aus Tel Aviv zu Ende gegangen war. Mehr noch: Die vatikanische Diplomatie setze einiges von dem, was sich bei diesen Reisen ergebe, in handfeste Ergebnisse um, hat Matthias Kopp beobachtet.

 

„Ein Beispiel: Im Gespräch zwischen Papst Franziskus und Benjamin Netanjahu ging es ja wohl dem Vernehmen nach auch um die Frage der künftigen Zuschüsse für kirchliche Schulen auf israelischem Staatsgebiet; diese Zuschüsse wollte der Staat einfrieren. Das hat Netanjahu rückgängig gemacht. Also gibt es immer wieder auch kleine Erfolge bei diesen Papstreisen. Dass nun Franziskus dieses besondere Zeichen setzte, zu einem Friedensgebet in die Vatikanischen Gärten einzuladen, war etwas völlig Neues; wenn alle Hoffnung verzweifelt, dann ist das Gebet vielleicht die letzte Hoffnung, die noch trägt, und deshalb glaube ich, dass neben Pendeldiplomatie Papstreisen genauso notwendig sind, die dieses Bild von Hoffnung vermitteln!“

 

Apropos Netanjahu: Die Passagen, in denen der Autor die Begegnungen und Gespräche von Papst Franziskus mit dem israelischen Ministerpräsidenten schildert, gehören zu den spannendsten des Buches. Kopp macht klar, wie engstirnig Netanjahu sich dem Gast aus Rom gegenüber äußerte, und analysiert viele Details, die hinterher durchsickerten und die in keiner anderen Chronik dieser Papstreise zu finden sind. Wie würde denn für ihn ein idealer Papstbesuch, frei von vielen Zwängen, aussehen?

 

„Dass der Papst am Abend einmal einen Spaziergang ohne Polizei und Geheimdienste durch die Altstadt von Jerusalem machen kann, um etwas vom Leben in dieser Stadt mitzubekommen. Wir haben ja bei der letzten Papstreise 2014 das Problem gehabt, dass viele palästinensisch-arabische Christen gar nicht bis an den Papst herankamen, ihn gar nicht sehen konnten aufgrund der Sicherheitsmaßnahmen. Ich würde dem Papst wünschen, dass er eine Kirche vor Ort einmal frei von Panzerglas erlebt, um zu sehen, welche Lebendigkeit diese kleinen Gemeinden haben.“

 

Matthias Kopp, Franziskus im Heiligen Land – Päpste als Botschafter des Friedens. Verlag Butzon und Bercker, ca. 20 Euro.
(sk 22.11.2014 sk)

 








All the contents on this site are copyrighted ©.