2014-11-01 09:33:47

Allerheiligen, Allerseelen: Trauer braucht Zeit und Raum


RealAudioMP3 Im Angedenken an die Verstorbenen begehen Katholiken am kommenden Sonntag den Allerseelentag. Einen Tag nach Allerheiligen stehen Erinnerung, Dankbarkeit über gemeinsam verbrachte Zeit, Gebet, aber auch Trauer im Zentrum. Günther Rederlechner ist seit sechs Jahren Leiter der Caritas Hospizbewegung in Bozen und langjähriger Trauerbegleiter. Er hat mit Radio Vatikan über die „Kunst des Trauerns“ gesprochen. Trauer sei wichtig, um Schönes festzuhalten und den Schmerz zu verarbeiten, so Rederlechner:

„Trauer gehört zum Leben eines jeden Menschen. Die Trauer soll ausgelebt werden, und es ist wichtig, dass sie einen Ort bekommt, wo sie erfahrbar wird. Durch eine Verlusterfahrung wird uns bewusst, dass wir trauern, weil wir das Verlorengegangene lieben. Daher ist es wichtig, die Erinnerungen an das Verlorengegangene aufrecht zu halten, um den Prozess des Trauerns zu durchleben.“

Voraussetzung sei hier die Akzeptanz der Trauer, meint der erfahrene Trauerbegleiter. Trauer muss zugelassen werden.
„Wir haben immer die Erfahrung gemacht, dass trauernde Menschen von sich aus unsicher werden. Weil sie sich fragen: Ist das normal? Kann es so weitergehen? Daher ist es wichtig, dies zuallererst zu akzeptieren. Und dann geht es darum, Trauer nicht zu verdrängen, sondern diese zu leben. Oft haben trauernde Menschen Scheu oder Angst davor. Aber nur durch das Erleben dieses Schmerzes kann die Trauer auch bewältigt werden.“
Die Caritas bietet genau aus diesem Grund Hilfe an, Unterstützung, Veranstaltungen, um mit der eigenen Trauer zu arbeiten. Rederlechner nennt als Beispiel eine spezielle Einzelbegleitung durch Caritas-Mitarbeiter: Sie bieten Zeit und Raum für die Trauer an, hören zu. Trostspendend können auch betreute Trauergruppen sein, zum Beispiel für trauernde Eltern. In der Gruppe werden Erfahrungen ausgetauscht, um mit der Trauer nicht alleine zu bleiben. Denn genau das passiere heute in unserer Gesellschaft immer öfter, so Rederlechner. Das habe mit einem Ohnmachtsgefühl und Angst vor der Trauer zu tun. Der Leiter der Bozener Caritas Hospizbewegung gibt ein Beispiel:
„Eine Trauernde hat mir unlängst erzählt, dass sie Bekannte traf in der Stadt, und wenige Meter vor ihr seien sie in ein anderes Geschäft gegangen. Sie merkte eben, dass sie vor ihr flüchteten, weil sie sich dieser Ohnmacht, dieser Hilflosigkeit gegenüber der Trauer nicht stellen wollen. Viele Menschen fühlen sich dann alleingelassen. Und deswegen verdrängen auch sehr viele Menschen ihre Trauer, um wieder mehr ein Teil der Gesellschaft zu sein. Wir als Caritas versuchen das auch anzusprechen und die Menschen in ihrer Trauer zu unterstützen.“
Wesentlich sei also, für trauernde Menschen in unserer Umgebung da zu sein und ein offenes Ohr für sie zu haben. Es gehe darum, sie auf ihrem Weg der Trauer zu begleiten und ihnen das Gefühl zu geben, dass ihre Trauer erlaubt sei:


„Trauernde Menschen haben ja immer wieder das Bedürfnis, von der Verlusterfahrung zu erzählen und zu reden. Sie wollen auch das, was verloren gegangen ist, nicht loslassen. Wir kennen den Begriff des Loslassens, gerade in der Trauerbegleitung: Es geht letztendlich nicht um ein Loslassen von etwas, was man liebt. Es geht darum, den Hinterbliebenen zu vermitteln, dass sie nicht loslassen, sondern über das Verlorengegangene trauern müssen.“

Zu einer Trauerbegleitung könne auch gehören, Orte zu besuchen, wo die Beziehung mit den nun Verstorbenen gelebt wurde und wo Erinnerungen wiedergefunden werden können, so Rederlechner weiter. Dort könne auch das Unbegreifliche des Todes bewusster gemacht werden. Dazu zählten etwa Grabbesuche.

„Ich brauche einen Ort, wo ich die Begegnung mit den Verstorbenen intensiver erleben kann. Das sind bei uns die Gräber, und das bedeutet: Ich, als trauernder Mensch, mache mich auf den Weg, ich gehe zu dem Ort, wo ich genau diesem Menschen oder diesen Erfahrungen, die ich mit dem Menschen gelebt habe, begegnen will. Hier kann die Trauer auch – gesellschaftlich gesehen – zugelassen werden kann. Denn wenn ich auf der Straße in Tränen ausbreche, wird dies weniger verstanden werden als auf dem Friedhof.“

(rv 31.10.2014 no)








All the contents on this site are copyrighted ©.