Die Aufgabe des Glaubenden
ist es, „immer wieder die Türen aufzustoßen über das bloß Technische und Pragmatische
hinaus zur ganzen Größe unserer Existenz“. Und dies sei die Begegnung mit dem lebendigen
Gott. Das betont der emeritierte Papst Benedikt XVI. in einer Botschaft zur Einweihung
der neuen Aula Magna der Päpstlichen Universität Urbaniana in Rom. Der große Saal
ist dem emeritierten Papst gewidmet, der sich in dem Brief dafür bedankt. Sein persönlicher
Sekretär, Erzbischof Georg Gänswein, las die Botschaft bei der Eröffnungsfeier vor
wenigen Tagen vor. Nun ist der gesamte Text in der „Tagespost“ abgedruckt worden.
Der
emeritierte Papst macht in seiner Botschaft darauf aufmerksam, dass „der Verzicht
auf die Wahrheit“ tödlich für den Glauben sei. Dies sei insbesondere dann ein Problem,
wenn die „allgemeine Vorstellung…(vorherrsche), dass die Religionen sozusagen nebeneinander
stehen“. Doch erst die Begegnung mit Christus bringe zu dem Eigentlichen hin. Diese
Begegnung „ist nicht das Einbrechen eines Fremden, das die eigene Kultur und Geschichte
zerstören würde“, fügt Benedikt an. Vielmehr sei dieses Aufeinandertreffen „eine Reinigung
und Reifung“.
Religion muss immer auch religionskritisch sein
Weiter
geht der emeritierte Papst auf die genaue Bedeutung des Begriffs Religion ein: Diese
sei „in sich kein einheitliches Phänomen“. Auch sei Religion „nie einfach ein positives
oder negatives Phänomen“. Jede Religion müsse, „um recht zu bleiben, immer auch zugleich
religionskritisch sein“. Für Christen bedeute dies, so Benedikt wörtlich: „Jesus Christus
ist der Logos Gottes, das Licht, das uns hilft, zwischen Wesen und Unwesen der Religion
zu unterscheiden“.
Benedikt kritisiert die verbreitete Haltung, Religion als
etwas Überholtes zu betrachten: „Wo das Ethos in seinem über das Pragmatische hinausweisenden
wahren Wesen und der Blick auf Gott keinen Raum mehr findet, ist der Mensch nicht
größer, sondern kleiner geworden.“ Die positivistische Vernunft sei nur im Bereich
der Technik und Wirtschaft „vernünftig“. Der Glaubende hingegen müsse auf die Begegnung
mit dem lebendigen Gott hinweisen.
Freude am Glauben
„Freude
muss sich mitteilen“, so der emeritierte Papst weiter. Denn wer eine Freude erhalten
habe, könne sie nicht nur für sich allein behalten. „Wir erzählen von ihm (Christus,
Anm. d. Red.), weil wir die Freude weitergeben müssen, die uns geschenkt wurde.“ Ihm
sei bewusst, dass es auch eine innere Spannung gibt: Auf der einen Seite bedeutet
Glaube eine mystische Hingabe an Gott, und auf der anderen Seite geht es um die Verantwortung
für die Mitmenschen und die Welt. Diese Pole zu verbinden, sei Aufgabe des Glaubenden.
„Die Liebe, die sich in den Heiligen aller Jahrhunderte auf vielfältige Weise realisiert
und spiegelt, ist der wirkliche Beweis für die Wahrheit des Christentums.“