Nach der Synode: „Angstfreiheit muss gewahrt bleiben“
Vor einer Woche genau
endete im Vatikan die Außerordentliche Versammlung der Bischofssynode – aber die Debatte
zum Thema Ehe- und Familienseelsorge geht weiter, oft mit einiger Schärfe. Sie soll
ja auch weitergehen, bis zu einer weiteren Synode im Herbst des nächsten Jahres. Aber
könnte es sein, dass im Moment Gräben innerhalb der Kirche aufreißen? Wir sprachen
mit unserem Redaktionsleiter Pater Bernd Hagenkord, der die Beratungen der Synode
hinter verschlossenen Türen mitanhören durfte.
Während der Synode hieß es immer,
es werde da mit Freimut, aber vor allem großer Freundlichkeit geredet. In der Nach-Berichterstattung
bekommt man aber den Eindruck von Spaltungen und Richtungskämpfen! Haben die Synodenväter,
nach dem Streit um den Zwischenbericht von Kardinal Erdö, Angst vor der eigenen Courage
bekommen und sind zurückgerudert?
„Das müsste man zunächst einmal die Synodenteilnehmer
selber fragen, wie das ist mit ihrer Courage und ihrer Einstellung! Ich habe während
der zwei Wochen sehr viel Freimut und Offenheit dort gesehen, aber keine Parteiungen
- die werden meiner Meinung nach nachträglich dort hineininterpretiert. Es gibt sehr
viele Meinungen, auch kontroverse und auch gegensätzliche Meinungen, die sich aber
nicht in Parteien auflösen lassen, nach dem Motto ‚Wer ist hier gegen wen’. Also,
ich habe Offenheit und Freimut erlebt, sie haben der Synode sehr, sehr gut getan.
Es ist nur ein Schritt, der sehr gut abbildet, wie die Debatte gelaufen ist; von daher,
würde ich sagen, wünschen wir uns noch mehr Freimut und Offenheit jetzt für das nächste
Jahr!“
„Dinge zur Sprache bringen, ohne dass sie gleich zerfleddert
werden“
Ist, im Rückblick gesehen, die Medien- und Veröffentlichungsstrategie
der Synode aufgegangen?
„Ich denke schon... Die Synode war ja nicht für
die Öffentlichkeit bestimmt in dem Sinne, dass es ein Medienereignis gewesen wäre,
sondern es ging ja darum, im Raum offen zu debattieren - und ich glaube, da war es
ganz gut, dass die Texte nicht komplett veröffentlicht wurden. Den Stellungnahmen
konnte man auch anhören, dass sie nicht für die Mikrofone und Kameras gemacht waren,
sondern nur für die Leute, die im Raum saßen. Und das muss auch mal sein dürfen! Ich
bin ganz und gar für Veröffentlichung, für Transparenz usw., aber ein bisschen darf
man auch mal hinter verschlossenen Türen machen, damit Dinge zur Sprache kommen können,
ohne dass sie gleich zerfleddert werden! Ich glaube, in dem Sinne ist das aufgegangen.“
Einige
Synodenväter, etwa Kardinal Burke und Erzbischof Gadecki, haben in Interviews ziemlich
unverhüllt vor Änderungen bei der kirchlichen Sicht von Ehe und Familie gewarnt. Ist
das noch der gewünschte Freimut, oder ist das etwas Ernsteres? Schließlich spricht
ja auch Kardinal Schönborn von einer ‚Angriffswelle auf Papst Franziskus’...
„Wir
müssen da vorsichtig sein, das Zitat von Kardinal Schönborn gleich mit Namen zu versehen.
Das ist ja so ein bisschen die Versuchung auch der Medien gewesen: Wer gehört in welches
Lager? Da gibt es eben die von Ihnen Angesprochenen, dann gibt es den Marx und den
Kasper, den Erdö und Bischof Bruno Forte usw. - also, da werden prominente Namen genannt
und dann geguckt, in welches Lager die gehören. Damit wird man der Synode aber nicht
gerecht! Damit macht man das Thema auch kaputt. Ich weiß, es ist medial das Interessanteste:
Kampf und Auseinandersetzung, wer wird gewinnen usw. Aber darum geht es hier weniger.
Ich glaube schon, dass das Thema Familie zu wichtig ist, als dass wir
da jetzt sehen müssen, wer kämpft gegen wen. Die Kämpfe mag es geben - es hat ja auch
Interviews in der Richtung gegeben -, aber bei der großen Mehrheit habe ich das nicht
erlebt!
Man muss natürlich auch darauf schauen, dass der Freimut jetzt
weitergegeben werden kann: Die Angstfreiheit muss gewahrt bleiben. Das darf nicht
in eine Angriffswelle ‚einer gegen den anderen’ überschwappen. Und da hat der Papst,
glaube ich, schon sehr deutlich gesagt, dass er ein Jahr lang eine Debatte will -
und das ist jetzt sozusagen unsere Aufgabe.
Ich wäre auch vorsichtig
damit, den Teufel an die Wand zu malen, also nach dem Motto ‚Da wird jetzt die Lehre
der Kirche geändert.’ Das hört man ja nicht nur von einigen wenigen - sehr wenigen
- Teilnehmern, sondern auch vor allem in den Blogs von Leuten, die nicht dabei waren.
Da wird weiß Gott was herbeigeredet. Vorsicht, Vorsicht! Hier geht es nicht um die
Änderung der Lehre. Wenn man den Text vorsichtig liest, und selbst wenn man den Zwischenbericht
vorsichtig liest: Da wird nichts an Lehre geändert! Da muss man einfach mal genau
hinsehen! Jetzt den Teufel an die Wand zu malen, das tut der Debatte, das tut auch
der Offenheit der Debatte im kommenden Jahr überhaupt nicht gut.“
„Dass
er das Kirchenrecht zitiert, ist etwas Neues“
Warum hat der Papst in
seiner Schlussansprache erst sozusagen gegen rechts wie links ‚ausgeteilt’ und dann
dermaßen seine Vollmacht und Autorität betont? So kennt man ihn gar nicht...
„Das
Erste kennen wir doch sehr gut! Also, da würde ich widersprechen. Wenn man ‚Evangelii
Gaudium’ sieht - das Schreiben des Papstes feiert ja bald sozusagen seinen ersten
Geburtstag -, da beschreibt der Papst seitenweise diese fünf Plagen, diese fünf Versuchungen,
und da wird sehr genau untersucht, in welche Fallen wir tappen können, wenn wir uns
auf den Weg machen - was kann uns verführen, was sind die Schwächen, was sind auch
die Versuchungen des Amtes usw.? Also, das kennen wir sehr gut, dass er hier noch
mal klar und deutlich sagt: Hört mal, das ist hier ein geistlicher Prozess, da geht
es nicht um das Abstecken von Positionen. Es ist auch kein akademischer Prozess hier,
dass wir nachschlagen, was im Katechismus usw. steht. Sondern es ist ein geistlicher
Prozess: Es geht um den Willen Gottes - das ist ja schließlich das Zentrum dessen,
was Kirche ausmacht.
Also, das ist sicherlich etwas, was wir vom Papst
kennen. Dass er das Kirchenrecht zitiert, und dann auch noch in Bezug auf sein Amt
- das ist schon etwas Neues. Aber ich glaube, der Papst hat sehr genau gesehen, was
seine Rolle bei dem Ganzen ist; nämlich nicht, inhaltlich Einfluss zu nehmen, sondern
den Rahmen zu gewährleisten. Hier geht es eben darum, dass er will, dass offen debattiert
wird, und er sagt: Ich gebe die Garantie, das Lehramt der Kirche gibt die Garantie,
dass das nicht auseinanderfliegt. Dass wir offen reden können, ohne dass da gleich
die Lehre verändert wird oder die Kirche auseinanderbricht. Also, sein Amt nimmt er
sehr wohl ernst. Er sagt: Ich bin da, und deswegen können wir auch offen reden, weil
mein Amt - nicht er als Person - sicherstellt, dass da nichts schiefgeht.
Das
ist sehr, sehr wichtig, dass der Papst klarstellt, worin seine Rolle da besteht, um
die Offenheit zu gewährleisten.“
„Wir wissen jetzt, wo die Stärken
und Schwächen sind“
Wie ist es zu bewerten, dass heikle Punkte im Schlussdokument
(homosexuelle Paare, wiederverheiratete Geschiedene) in der Synodenaula keine qualifizierte
Mehrheit bekommen haben? Schwächt das jetzt den einjährigen Prozess des Nachdenkens
bis zur nächsten Synode von Oktober 2015?
„Papst Franziskus hat sehr klar
deutlichgemacht: Er will, dass die Themen weiter besprochen werden. Er hat auch den
Prozess öffentlich gemacht, indem - wie üblich - der Zwischenbericht veröffentlicht
wurde und indem der Schlussbericht sofort veröffentlicht wurde, mit diesen drei Abschnitten,
die zwar eine absolute, aber keine qualifizierte Mehrheit bekommen haben. Warum das
so ist, weiß ich nicht so genau; ich habe verschiedenste Begründungen von einzelnen
Synodenteilnehmern gehört, weswegen sie Schwierigkeiten mit einzelnen Abschnitten
hatten. Da jetzt etwas ,hineinzugeheimnissen‘ oder Vermutungen über die Motivationen
anzustellen, finde ich sehr schwierig. Ich denke aber schon, dass der Prozess innerhalb
der Synode jetzt nicht abgeschlossen ist, sondern dass die Debatten, die geführt wurden,
und auch die Argumente, die ausgetauscht wurden, weitergeführt werden müssen. Deswegen
hat der Papst entschieden, diese drei Abschnitte auch zu veröffentlichen. Das schwächt
den Prozess nicht! Es macht nur klar und deutlich, wo wir stehen.
Ich
habe direkt nach der Pressekonferenz vom Samstag mit einem Vertreter von ‚Wir sind
Kirche’ gesprochen, und der sagte, dass er sehr zufrieden sei mit dem Dokument, weil
es die Realität widerspiegle! Alles andere sei ja nicht wahr - d a s
ist die Realität unserer Kirche, und es sei ein wunderbarer Ausgangspunkt, weil wir
wissen, wo es herkommt, weil wir wissen, wo die großen Stärken sind (es sind ja einige
Abschnitte fast komplett ohne Gegenstimme durchgewunken worden); es gibt aber auch
Dinge, die Diskussionsbedarf haben, und die sind jetzt klar und deutlich angesagt.
Deswegen, würde ich sagen, ist der Prozess überhaupt nicht geschwächt - ganz im Gegenteil,
er ist gestärkt!“