Kardinal Tauran: Kirche zu interreligiösem Dialog verurteilt
Der Präsident des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog sieht die katholische
Kirche gerade angesichts der Flucht vieler Christen aus dem Nahen Osten zu einem Dialog
mit der islamischen Welt aufgerufen. Kardinal Jean-Louis Tauran betonte, Religion
sei nicht die Ursache von Konflikten, sondern könne zu ihrer Lösung beitragen. Demnach
sei die Kirche zum Dialog „verurteilt“. Tauran äußerte sich bei der Einweihung der
neuen Stiftungsprofessur „Katholische Theologie im Angesicht des Islam“ an der Philosophisch-Theologischen
Fakultät Sankt Georgen am Freitagabend.
„Der interreligiöse Dialog beginnt
immer damit, dass man seine eigene religiöse Überzeugung vertritt“, so Tauran. Aktuell
habe im Westen aber ein „religiöser Analphabetismus“ besorgniserregende Ausmaße angenommen.
„Es ist wichtig für die europäischen Gesellschaften, dass sie ihre religiösen und
kulturellen Wurzeln wiederfinden“, so Tauran. Sonst seien die jüngeren Generationen
Erben ohne Erbe.
Krise der Information
Zudem befinde
sich der Westen in einer „Krise der Information“. Die ständige Mobilität und eine
Überfütterung mit Informationen führe dazu, dass „der Mensch nicht mehr liest, nicht
mehr nachdenkt und außerstande ist, sein Wissen zu organisieren“, so der Kardinal.
Interreligiöser Dialog setze unter anderem den Willen voraus, „alles Menschenmögliche“
zu tun, um die Sichtweise des anderen zu verstehen.
Muslime und Christen sind
Tauran zufolge dazu aufgerufen, eine „Pädagogik des Zusammenlebens“ zu entwickeln,
wodurch sich die Angst vor dem Anderen in eine Angst um den Anderen wandle. Religiöse
Führer hätten zudem die Pflicht, ihren Anhängern eine bürgerliche Verantwortung nahezulegen,
so dass niemand dem Unrecht gleichgültig gegenüberstehe.