Christen sollten sich
nicht nur gegen die Todesstrafe einsetzen, sondern sich gleichzeitig für menschenwürdigere
Gefängnisse engagieren. Das betonte der Papst an diesem Donnerstagmittag im Vatikan.
Er empfing eine 35-köpfige Delegation der Internationalen Vereinigung von Strafrechtlern.
In einer außergewöhnlich langen Rede ging der Papst auf die einzelnen Probleme des
heutigen Strafrechts ein und warnte vor dessen Missbrauch. Auch in Europa sind Probleme
im Strafvollzug nicht unbekannt. So gelten etwa die Zustände in vielen italienischen
Gefängnisse aufgrund von Überfüllung als menschenunwürdig. Franziskus erinnerte:
„Es
geht darum, dass auch die Würde jener respektiert wird, die im Gefängnis sitzen. Dieses
Konzept verbinde ich mit der lebenslänglichen Haftstrafe: Im Vatikan haben wir im
Strafgesetz diese Art von Strafe abgeschafft. Denn die lebenslängliche Haftstrafe
ist eine versteckte Todesstrafe.“
Zugleich kritisierte der Papst in seiner
Rede, dass die Todesstrafe weiterhin auf „dem ganzen Planeten“ angewendet werde. Aus
katholischer Sicht sei diese Praktik nicht hinnehmbar. Dagegen spreche unter anderem,
dass die Justiz sich irren könne, und totalitäre Regime oder Diktaturen sie missbrauchten,
um politischen Widerstand zu unterdrücken und religiöse und kulturelle Minderheiten
zu verfolgen.
Weiter warnte der Papst vor einem Missbrauch der Untersuchungshaft:
„Die
Untersuchungshaft ist heute – wenn sie als verfrühte Strafe vor der Verurteilung missbraucht
wird oder als Maßnahme gegenüber einem mehr oder weniger Verdächtigten angewandt wird
– eine Art illegale versteckte Strafe, die nur den Anschein von Legalität hat. Und
das ist besonders in einigen Ländern ein schlimmes Problem, wo sich über 50 Prozent
der Inhaftierten in Untersuchungshaft befinden. Das verschlimmert die Lage der Gefängnisse,
die dadurch unnötig überfüllt werden.“
Franziskus sprach sich insgesamt
für menschenwürdige Haftbedingungen in Haftanstalten aus. Zugleich wandte er sich
gegen eine „verbreitete Überzeugung“, mit einer öffentlichen Strafe könne man alle
sozialen Probleme lösen. Mit Blick auf die Gerichtsbarkeit sagte der Papst, es sei
wichtig, dass jeder Richter immer mit Vorsicht sein Urteil ausspreche. Der Justiz
dürfe es nicht in erster Linie darum gehen, die öffentliche Meinung zu besänftigen.
„Als
Getaufter ist ein Strafrechtler dazu berufen, im Geiste des Evangeliums dem Gemeinwohl
zu dienen. Für alle – auch für jene unter euch, die nicht Christen sind – braucht
es die Hilfe Gottes, der die Quelle für die Vernunft und die Gerechtigkeit ist.“
Franziskus
ist seit seinem Amtsantritt vor anderthalb Jahren bereits mehrfach mit Häftlingen
zusammengetroffen. Auch seine Vorgänger Benedikt XVI. und Johannes Paul II. hatten
sich zwar ebenfalls für eine Abschaffung der Todesstrafe eingesetzt, nicht direkt
jedoch für einen Verzicht auf die lebenslange Freiheitsstrafe.
Hier
finden Sie unsere ausführliche Zusammenfassung der Papstrede: