2014-10-21 11:47:15

Braucht Frankreich ein neues Gesetz zur Sterbehilfe?


RealAudioMP3 Was ist das große Projekt der sozialistischen Regierung in Frankreich? Das Sparen wohl nicht, auch wenn Berlin und Brüssel das gerne so hätten. Aber in Erinnerung bleiben wird die glücklose Regierung von Präsident Francois Hollande wohl vor allem durch ihre Zeitgeist-Initiativen: das Umdefinieren von Ehe und Familie, zum Beispiel (wir erinnern uns: „Mariage pour tous“, Ehe für alle – und dagegen demonstrierten Hunderttausende im ganzen Land unter dem Motto „Manif pour tous“, Demo für alle). Neuestes Thema auf der Hollande-Agenda: Euthanasie. Wobei Euthanasie gar nicht Euthanasie heißen darf, weil darin nach den Worten des früheren Ministers Bernard Kouchners das Wörtchen „Nazi“ steckt. Also sprechen Hollande und seine Mannen lieber von „fin de vie“, Lebensende.

„Ich bin immer wieder verstört, wenn ich mit belgischen Kollegen – darunter auch katholischen Kollegen – spreche und sehe, wie schon das Erlaubtsein von aktiver Sterbehilfe dazu führt, dass sie solche zulassen oder praktizieren in Fällen, wo das sehr grenzwertig ist. Um das mal so zu formulieren.“

Das sagt der katholische Priester und Arzt Bruno Cazin, delegierter Rektor der Katholischen Universität von Lille. In Belgien ist aktive Sterbehilfe erlaubt, jetzt plant Premierminister Manuel Valls für Frankreich Ähnliches. Noch vor dem Ende von Hollandes Amtszeit 2017 will Valls ein entsprechendes Gesetz vorlegen, das hat er dem Parteichef der radikalen Linken Baylet versprochen. Noch vor Jahresende wird sich die „Assemblée Nationale“, das Pariser Parlament, erstmals mit dem Thema beschäftigen. Der Nationale Französische Ethikrat hat schon im Juli 2013 gewarnt, es sei für eine Gesellschaft gefährlich, wenn Ärzte sich am Töten statt am Lebenserhalten beteiligen. In die gleiche Kerbe schlägt im Gespräch mit uns auch Bruno Cazin:

„Man sieht in Belgien gut, wie eine Gesetzgebung, die das Töten auf Verlangen erlaubt – auch wenn viele sehr gewissenhaft mit ihr umgehen! – doch in Situationen führen kann, wo letzlich die Freiheit des Einzelnen sich ohne Grenzen durchsetzt. Wo selbst Leute, die viel vom Wert des menschlichen Lebens halten, schließlich diesen Sirenenklängen von der Freiheit des Einzelnen, und dass doch eigentlich jeder frei über seinen Körper verfügen könne, erliegen. Wenn sich dieser Blickwinkel erst einmal durchsetzt: ‚Das ist doch mein Körper, und ich kann damit doch tun, was ich will’, dann wird der Arzt nur noch zu dem, der das am Schluß ausführen muss. Ich glaube, sobald wir Ausnahmen am Euthanasie-Verbot zulassen, öffnen wir einen Damm, und letztlich ist dann alles erlaubt. Das wird zu einer schweren Belastung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt, Pflegenden, Patienten und ihren Familien führen.“

Das bisherige Gesetz zum Lebensende, die „loi Léonetti“, verbietet aktive Sterbehilfe, aber auch lebensverlängernde Therapien um jeden Preis. Es war 2005 von der konservativen Regierung von Präsident Jacques Chirac formuliert worden, nachdem der Fall eines schwerbehinderten 22-Jährigen namens Vincent Humbert die Nation aufgewühlt hatte. Humbert wurde das von ihm reklamierte „Recht auf Tod“ verweigert, seine Mutter ließ ihn mithilfe eines Arztes sterben, vor Gericht kamen beide damit durch. Das Gesetz betont das Recht auf ein „würdiges Leben bis zum Tod“; ein schwer und unheilbar Kranker kann danach um die Einstellung jeder Therapie bitten, selbst wenn das zu seinem Tod führt. Jetzt soll das Gesetz „weiterentwickelt“ werden. Cazin:

Leider glaube ich, dass die öffentliche Meinung in Frankreich durch außerordentliche, dramatische Fälle geprägt, ja manipuliert worden ist, die von den Medien breit ausgerollt worden sind. Das hat dazu geführt, dass viele Menschen zunächst mal instinktiv für Euthanasie sind. Sobald man aber erklärt, worum es da genau geht und was da alles auf dem Spiel steht, zum Beispiel im Vertrauensverhältnis Arzt-Patient oder was die Verantwortungen betrifft, dann verstehen viele Menschen doch, wie gut ein Verbot der aktiven Sterbehilfe der Gesellschaft tut: einfach damit man zusammen leben und sich gegenseitig vertrauen kann. Die Leute verstehen es, wenn man ihnen erklärt: Die Mission eines Pflegers oder Arztes ist es, zu begleiten, nicht, den Tod zu geben. Dieses Prinzip wird ganz gut aufgenommen.“

(rv 21.10.2014 sk)








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