2014-10-20 12:45:06

Papst beklagt „brutale Gewalt“ gegen Christen im Nahen Osten


RealAudioMP3 Papst Franziskus hat an diesem Montag mit Kardinälen und Patriarchen eingehend über die Lage im Nahen Osten beraten. Um eine möglichst breite Teilnahme zu ermöglichen, hatte er den Gipfel, ein sogenanntes Konsistorium, zeitlich direkt an die Vollversammlung der Bischöfe angeschlossen. Zu Beginn der Gespräche gab Franziskus folgendermaßen die Richtung vor:

„Wir alle wollen Frieden und Stabilität im Nahen Osten, und wir wollen etwas dafür tun, dass die Konflikte durch Dialog, Versöhnung und politische Übereinkünfte gelöst werden. Gleichzeitig wollen wir so stark wie möglich den christlichen Gemeinschaften helfen, damit sie in der Region bleiben können.“

Damit machte der Papst klar, dass er die Mehrheitslinie der Bischöfe im Nahen Osten übernimmt, so wie auch eine vatikanische Nahost-Bischofssynode sie vor einigen Jahren bekräftigt hat: Die bedrängten Christen sollten, soweit möglich, in der Region gehalten werden, und ihre Flucht oder Emigration wird nicht unterstützt.

„Wir können uns einfach nicht mit dem Gedanken abfinden, dass es einen Nahen Osten ohne Christen geben könnte! Seit zweitausend Jahren bekennen sie dort den Namen Jesu! Die letzten Entwicklungen, vor allem im Irak und in Syrien, sind sehr besorgniseerregend. Wir erleben ein Terrorismus-Phänomen von einem Ausmass, das vorher schlechthin nicht vorstellbar war. So viele unserer Brüder werden verfolgt und haben ihre Häuser verlassen müssen, oft wurden sie brutal hinausgeworfen.“

Das ist fast noch ein euphemistischer Ausdruck für den Terror, mit dem die Mörderbande des „Islamischen Staats“ Andersdenkende überzieht. Papst Franziskus:

„Es sieht so aus, als wäre das Bewußtsein für den Wert des menschlichen Lebens verlorengegangen. Als ob der Mensch nichts mehr zählen würde; als könnte man ihn anderen Interessen opfern. Und das alles, leider, während viele gleichgültig bleiben.“

Die Beratungen im Vatikan sollten nach einem Ausweg aus der tödlichen Sackgasse suchen, in der die Christen in Teilen Syriens und des Iraks feststecken. Der melkitische Patriarch Gregorius III. Laham, der in Damaskus residiert, wollte – wie er vorher berichtete – bei den Gesprächen im Vatikan eine weltweite Friedenskonferenz im Vatikan unter Schirmherrschaft von Papst Franziskus vorschlagen. Es gehe um eine umfassende Friedenslösung im Nahen Osten, so Laham; Waffen zu schicken oder IS-Stellungen zu bombardieren, reiche nicht aus. Auch Papst Franziskus sieht die Staatenwelt in der Pflicht:

„Diese ungerechte Lage verlangt nicht nur unser inständiges Gebet, sondern auch eine adäquate Antwort der internationalen Gemeinschaft! Ich bin sicher, dass sich aus unserem Treffen heute Überlegungen und Vorschläge entwickeln werden, um unseren leidenden Brüdern zu helfen. Und wir sollten auch etwas tun gegen das Drama, dass die christliche Präsenz schwindet in dem Land, wo das Christentum geboren wurde und von wo aus es sich verbreitet hat.“

Was meint der Papst genau mit einer „adäquaten Antwort der internationalen Gemeinschaft“? Hier ist die Lesart von Kardinal Béchara Rai; der Patriarch ist Oberhaupt der maronitischen Gemeinschaft des Libanon und damit einer der wichtigsten nahöstlichen Kirchenführer überhaupt.

„Was wir sagen, immer schon gesagt haben und unermüdlich den Regierungen und der internationalen Gemeinschaft sagen werden, ist dies: Stoppt den Aggressor! Es kann doch nicht sein, dass wir im 21. Jahrhundert zum Gesetz des Dschungels zurückkehren, wo einfach eine Bande ankommt, dich aus deinem Land wirft und sagt: ‚Du musst raus’, und die internationale Gemeinschaft schaut zu – das geht doch nicht! Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, den Aggressor zu stoppen. Schlimm ist, dass viele Länder aus Ost und West fundamentalistische, terroristische Verbände unterstützen, und zwar aus politischem oder wirtschaftlichem Eigennutz. Die internationale Gemeinschaft soll endlich ihrer Verantwortung gerecht werden! Und wenn wir sagen ‚internationale Gemeinschaft’, dann meinen wir ganz klar UNO, Sicherheitsrat und Internationalen Strafgerichtshof. Die müssen handeln, wo kommen wir denn sonst hin?“

Etwa neunzig Personen nahmen am Konsistorium teil: Kardinäle, Patriarchen, Mitarbeiter des Staatssekretariats und der Papst. Ungefähr dreißig ergriffen das Wort. Einige Teilnehmer betonten nach Vatikan-Angaben, dass „der Nahe Osten sich dringend darüber klarwerden muss, wie er sich seine Zukunft vorstellt“. Auch über die entscheidende Rolle von Schul- und Universitätsbildung wurde gesprochen; in vielen Ländern des Orients schilderten die Schulbücher „nicht auf positive Weise die Rolle der Religionen“. Christen aus dem Ausland sollten häufig zu Pilgerreisen und auch als Touristen in den Nahen Osten kommen, und die internationale Gemeinschaft müsse „Sicherheitszonen“ einrichten, um eine Rückkehr von vertriebenen Christen etwa in die nordirakische Ninive-Ebene zu ermöglichen.

Ansonsten diente das Konsistorium den Vorbereitungen zur Heiligsprechung zweier Seliger: Einer von ihnen ist Joseph Vaz, der erste Heilige Sri Lankas. Papst Franziskus wird im kommenden Januar Sri Lanka besuchen und dabei den gebürtigen Inder Vaz, der als Missionar in Sri Lanka wirkte, heiligsprechen. Auch für die italienische Ordensfrau Maria Cristina von der Unbefleckten Empfängnis machte die Versammlung im Vatikan an diesem Montag den Weg zur Heiligsprechung frei.

(rv 20.10.2014 sk)








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