2014-10-20 10:08:43

Nordirak: „Keine Hoffnung auf Rückkehr“


RealAudioMP3 Unter den 1,4 Millionen Flüchtlingen im Kurdengebiet sind auch viele Jesiden, also die Angehörigen einer kleinen religiösen Minderheit von etwa 800.000 Menschen. Die Jesiden - die von radikalen Muslimen als Teufelsanbeter verfolgt werden - sind in einer besonders schwierigen Situation und laufen Gefahr, nicht die notwendige internationale Solidarität zu erfahren. Das sagt Klaus Barwig von der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Der Referent für Migrationsfragen gilt als Experte für die Jesiden und Chaldäer und war gerade kürzlich in Erbil, um sich über die Situation der jesidischen Flüchtlinge zu informieren. Die Jesiden, so Barwig, seien verzweifelt:

„Vertreter der Jesiden sagten uns während unserer Reise, völlig übereinstimmend: ,Es ist die 73. Vertreibung und der Versuch des 73. Genozids, und wir haben keine Hoffnung mehr, dass wir in unsere angestammten Gebiete zurück können.‘“

Die Jesiden, die in die Region um Erbil geflohen sind, werden bislang, so Barwig, von den Christen nach Kräften unterstützt.

„Die Jesiden sehen die grundsätzliche Solidarität, die ihnen seitens der Chaldäer und der anderen christlichen Denominationen entgegengebracht wird, die allerdings selbst unter höchster Anspannung sind. Der Vertreibungsdruck bei den Christen ist geringer, weil sie in ihren angestammten Gebieten immer noch auf Solidarität unter den eigenen Leuten, mit eigenen Strukturen hoffen können. Dies ist für die Jesiden völlig unmöglich, weil sie aus dem angestammten Gebiet vertrieben wurden.“

Die Versorgungssituation der jesidischen Flüchtlinge wird auch deswegen schwierig, weil die kurdische Regierung entschieden hat, dass die Jesiden die Schulen veranlassen müssen, in denen sie untergekommen waren:

„Und was wir von den Jesiden hören, auch sonst hören, ist, dass die Schulen jetzt mit sanftem Druck geräumt werden, geräumt wurden. Und dass auch die Rohbauten - die Bilder sind ja bekannt und weltweit in den Medien gewesen - inzwischen geräumt werden, weil nach Besserung der Sicherheitslage dort wieder weitergebaut wird. Es ist also völlig unabsehbar, wie es gehen soll. Von 29 geplanten Lagern hat der deutsche Entwicklungshilfeminister Müller bei seiner kürzlichen Besuchsreise sich sagen lassen, dass acht Lager fertiggestellt sind. Das heißt, 21 Lager sind noch nicht fertig, und in vier Wochen ist es kalt.“

Der katholische Theologe Barwig fordert, dass die internationalen Hilfsorganisationen, auch die der Kirche, die Situation der Jesiden besonders im Blick behalten müssen:

„Das Problem in Kurdistan ist nach wie vor, dass angesichts der Größe der Flüchtlingskatastrophe die Koordination für Hilfe auf regionaler und auf staatlicher Ebene sehr schwierig zu leisten ist. Und das ist einer der Hauptkritikpunkte, dass eine Gesamtkoordination im Hinblick auf die bestehende und noch schlimmer werdende Katastrophe vor dem Winter nicht sichtbar ist, die der Größe des Problems angemessen wäre.“


(rv 17.10.2014 mch)









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