Kardinal Schönborn: „Arbeitsweise der Synode hat sich sehr entwickelt"
Kardinal Christoph
Schönborn erlebt zum ersten Mal eine Synode, die ihrem Wortsinn nach Syn-ode, also
„gemeinsamer Weg“ ist. Das sagte der Wiener Erzbischof, der als Angehöriger des Synodenrates
das Treffen mit vorbereitet hat, an diesem Donnerstag vor Journalisten im Vatikan.
Papst Franziskus habe vorab zu „Redefreiheit“ ermahnt. Die Stellungnahmen seien teils
sehr kontrovers, doch der Weg sei ein gemeinsamer. Das Instrument der Bischofssynode
ist historisch betrachtet nicht alt, die Synode besteht seit 49 Jahren. Ihre Arbeitsmethode
ist mit dieser Versammlung „deutlich verbessert worden“, sagte Kardinal Schönborn
im Gespräch mit Gudrun Sailer:
„Erstens sind die Wortmeldungen in der Plenarversammlung
viel besser fokussiert, viel besser themenzentriert. In früheren Synoden hat einfach
jeder Bischof über sein Thema geredet, wann er gerade an der Reihe war. Es war ein
endloses Potpourri von Wortmeldungen, zum Teil sehr interessant, aber unzusammenhängend.
Jetzt wurden die Wortmeldungen vom Synodensekretariat so geordnet, dass sie zu dem
Thema passten, das gerade an der Reihe war. Außerdem hat man immer zu Beginn eines
neuen Kapitels zuerst die Laien, die Experten gehört, und ich glaube auch das ist
ein wichtiges Signal, gerade beim Thema Ehe und Familie. Und schließlich etwas, was
schon Papst Benedikt eingeführt hat: die freie Diskussionszeit, wo man sich für kurze
Wortmeldungen frei melden kann, frei etwas zur Diskussion sagen kann und damit dazu
beiträgt, dass eine echte Diskussion entsteht mit Antworten und Reaktionen darauf.
Das macht die Synode viel lebendiger, auch den Austausch intensiver.“
Eines
der Schlüsselworte dieser Synode könnte das Wort Gradualität sein. Was meint Gradualität,
und inwiefern ist es ein Einsatz für die Weiterentwicklung der Familienseelsorge?
„Das
Wort Gradualität ist an sich ein klassischer Begriff aus der Moraltheologie. Der Heilige
Papst Johannes Paul hat diesem Wort eine entscheidende Rolle zugewiesen in seinem
nachsynodalen Schreiben, „Familiaris Consortio“ von 1984, dort gibt es einen Artikel
34, wo genau diese Frage angesprochen wird. Und es ist kein Zufall, dass es wieder
auf einer Synode über die Familie aufgegriffen wird. Im Grund ist es eine ganz einfache
Sache. Die Gebote Gottes sind nicht graduell. Du kannst nicht ein bisschen töten –
töten ist töten. Gut, beim Lügen ist es etwas komplizierter. Die klassische Lehre
sagt, in der Verwirklichung der Gebote Gottes ist unsere Praxis oft graduell. Wir
verwirklichen nicht das volle Programm, wir sagen damit aber nicht, dass das Teilprogramm
schon genügt. Eine Gradualität der Verwirklichung der Gebote Gottes ist einfach ein
Ausdruck für die Begleitung von Menschen, die auf dem Weg sind. Und wir sind alle
auf dem Weg. Ein ganz einfaches Beispiel: Ich bin Christ, fast 70 Jahre alt. Aber
ich würde von mir nicht behaupten, dass ich schon am Ende der Verwirklichung meines
Christseins bin. Ich habe noch viele mögliche Grade der Steigerung, der Entwicklung,
in meinem Christsein. Die Gradualität der Verwirklichung des Gesetzes, darum geht
es, nicht die Gradualität des Gesetzes. Das hat schon Johannes Paul II. gelehrt, ist
klassische Lehre, und wird jetzt angewendet auf die Situationen, wenn junge Leute,
wie es weltweit mehr und mehr vorkommt, zusammenleben, ohne kirchlich verheiratet
zu sein. Da kann man nicht sagen, dass das schon das Sakrament der Ehe ist, aber man
kann auch sagen, ihr seid unterwegs - wenn ihr unterwegs sein wollt.“
In
der Kirche in Afrika gibt es manifeste Vorbehalte gegen Homosexualität, viel entschiedener
als in westlichen Ortskirchen. Was ist davon in Ihrem französischen Sprachzirkel angeklungen?
„Es
ist sowohl die starke Reserve gegenüber der Homosexualität als solche zum Ausdruck
gekommen. Aber sehr viel mehr die Sorge der afrikanischen Bischöfe, die wir voll teilen,
und ich glaube es wird auch im Schlussdokument sein, dass wir uns entschieden dagegen
wehren, das internationale Organisationen ein gewisses Bild von Familie und Sexualität
und Fruchtbarkeit mit unlauteren Mitteln in Afrika durchsetzen wollen, indem sie Entwicklungshilfe,
finanzielle Zuwendungen etc. etwa der Weltbank oder des Monetary Fund an bestimmte
Bedingungen knüpfen, was die Veränderung der traditionellen afrikanischen Familienstrukturen
betrifft. Da wehren sich zu Recht die afrikanischen Bischöfe. Sie sagen sogar ausdrücklich,
das ist eine neue Form von Kolonialismus, lasst uns unsere Kultur leben, lasst uns
unsere Freiheit, lieber nehmen wir keine finanzielle Hilfe, als dass wir uns eine
finanzielle Hilfe mit Bedingungen aufoktroyieren lassen, die gegen unser Überzeugungen
sind. Das war ein sehr starkes Statement der afrikanischen Bischöfe.“
Synode
bezieht Realität von Familie mit ein
Allgemein sieht Kardinal Schönborn
bei der laufenden Synode die Realität von Familie heute gut einbezogen. Es sei das
erste Mal, dass bei einer Synode eine so „breite Dokumentation“ mit einbezogen würde,
so der Kardinal mit Blick auf die Ergebnisse des Vatikanfragebogens zu Ehe und Familie,
die in das Arbeitsinstrument zur Synode mit einflossen. Vor der Presse in Rom erinnerte
der Wiener Erzbischof am Donnerstag daran, dass der Papst das Thema Ehe und Familie
mit zwei Synoden zu einem Schwerpunktthema gemacht habe. Der Papst habe die Bischöfe
dazu eingeladen, einen „aufmerksamen Blick gegenüber der Realität zu haben“ und Familien
„zu begleiten“ - nicht „sie zu bewerten“, so Schönborn.