Kardinal Marx: „Lehre der Kirche wird nicht verändert, aber sie entwickelt sich"
Der Vorsitzende der
Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, ist zufrieden mit dem Auftakt
der Beratungen zu Ehe und Familie im Vatikan. Bereits am ersten Tag habe eine „Atmosphäre
der Offenheit“ geherrscht, sagte der Münchner Erzbischof am Montagabend bei einer
Pressekonferenz in Radio Vatikan. Marx zeigte sich zuversichtlich, dass auch die weitere
Arbeit der Synode gut verlaufen werde. Gleichzeitig betonte er: „Wer erwartet, jetzt
werden morgen Beschlüsse gefasst, der wird sicherlich enttäuscht.“ Die Generalversammlung
der Bischofssynode sei ein Weg. Er hoffe auf eine breite - und öffentliche - Diskussion
zur Ehe- und Familienseelsorge in der gesamten Kirche.
Auf dem zweiwöchigen
Treffen diskutieren fast 200 Bischöfe aus aller Welt sowie einige Laien über die Herausforderungen
für die katholische Kirche in Fragen von Ehe und Familie angesichts sich ändernder
Lebenswirklichkeiten.
Ideale Realität von Ehe und Familie
Eine
„ideale Realität von Ehe und Familie“, die die Kirche zurückerobern müsse, hat es
zu keinem Zeitpunkt gegeben. Das betonte Marx, wie er hinterher auf der Pressekonferenz
berichtete, bei seiner Wortmeldung in der Synodenaula. Ehe und Familie hätten geschichtlich
betrachtet „immer eine Herausforderung“ dargestellt.
„Wir sollten den Unterton
vermeiden, es habe irgendwann eine ideale Realität von Ehe und Familie gegeben. Das
ist eine Sicht, die ein bisschen Reconquista-mäßig ist: Wir müssen wiedergewinnen,
was wir mal hatten. Das ist eine falsche Sicht, eine ungeschichtliche Sicht!"
Vielmehr
müsse man „jetzt in dieser Zeit“ das Evangelium von der Familie mit den Menschen von
heute „neu erarbeiten, neu entdecken“ – und „nicht nur etwas Altes wiederentdecken“.
Dazu gehöre auch ein Überdenken der moralischen Bewertungen: „Dass Menschen heute
moralisch schlechter wären, das ist doch nicht wahr", so der Kardinal.
„Die
Lehre der Kirche ist kein statisches Gebilde. Kardinal Kasper hat das so schön gesagt,
aber da könnte man auch Benedikt XVI. zitieren und viele andere: Die Wahrheit ist
kein System, sondern eine Person. Eine Person, die mitgeht und mit der wir im Gespräch
sind mit den Realitäten unseres Lebens.“
Kardinal Marx warnte vor einer
zu apodiktischen Betonung der Tatsache, dass die katholische Lehre sich auf keinen
Fall verändern würde. „Die Lehre wird nicht verändert, aber die entwickelt sich."
Eine Absetzung der Pastoral von der Lehre würde bedeuten, die Pastoraltheologie nicht
ernst zu nehmen.
Die vom Papst angesprochene Offenheit
Er
habe den ersten Tag der Synode als „Mut machend“ erlebt und in der Aula eine „Atmosphäre
der Offenheit“ wahrgenommen, fuhr Kardinal Marx fort. Die Bandbreite der Beiträge
sei sehr weit gewesen. Geäußert hätten sich „aber auch viele, die klar gemacht haben,
dass sie ein pastorales Interesse haben, dass sie die Realitäten der Menschen wahrnehmen.
Das Stichwort Barmherzigkeit ist sehr oft gefallen! Insofern bin ich ganz zufrieden.“
Zur
Frage der Akzeptanz homosexueller Paare von Seiten der Kirche - ein weiterer neuralgischer
Punkt aus Sicht der Ortskirchen im Westen - sprach Kardinal Marx von einer gewissen
Dynamik.
„Homosexuelle dürfen nicht ausgegrenzt werden. Und ich kann ja
nicht sagen, dass in einer homosexuellen Beziehung, die über Jahrzehnte geht und treu
gelebt wird, ich habe ja solche Leute erlebt – ich kann nicht sagen, das ist alles
nichts! Nur weil es eine homosexuelle Beziehung ist. Das ist ein bisschen zu stark!
Das sind Dinge, die wir genauer anschauen müssen. Einfach alles über einen Kamm scheren,
das kann man nicht.“
Marx, der bei der Versammlung der Bischofssynode die
Deutsche Bischofskonferenz vertritt, ging auch auf die Besonderheiten des synodalen
Prozesses ein, den Papst Franziskus begonnen habe. Der Weg müsse ein öffentlicher
Weg sein, so der Kardinal, die Öffentlichkeit gehöre zu den Beratungen dazu, das müsse
allen Synodenteilnehmern klar sein. So wolle man mit dem Abschlusstext, der während
der Beratungen erstellt werde, einen Impuls in die Ortskirchen geben, damit diese
dann in dem Jahr bis zur kommenden Synode im Herbst 2015 darüber sprechen könnten.
In der Deutschen Bischofskonferenz habe man sich bereits Gedanken dazu gemacht, wie
dies organisiert werden könne, so Marx.
Die im Vorfeld der Versammlung geführten
Debatten hätten in der Aula - zumindest am ersten Tag - keine Rolle gespielt. Hier
war es vor allem um die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen und die Frage ihrer
Zulassung zu den Sakramenten gegangen. Insgesamt sei die Debatte aber viel breiter
verlaufen, so Marx. Dabei sei man sich klar darüber, dass das nicht nur ein europäisches
Problem sei; aber gleichzeitig träten auch weitere Problemanzeigen hinzu. Es sei ihm
ein besonderes Anliegen, dass auch über die Auswirkungen von Armut beziehungsweise
des Kapitalismus auf die Familien gesprochen werde.
Bereits vor der Generalversammlung
der Bischofssynode waren Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Kirche deutlich geworden.
„Das spielt hier alles keine Rolle“, betonte Marx. Neben ihm nimmt aus Deutschland
noch die Berliner Familienseelsorgerin Ute Eberl beratend an den Debatten teil. Das
Treffen soll eine weitere Synode im kommenden Jahr vorbereiten. Definitive Entscheidungen
werden diesmal nicht erwartet.