Kardinal Schönborn: Neuer Blick, aber keine neue Lehre
Die bevorstehende Bischofssynode zur Familienpastoral soll den Blick der Kirche auf
Ehe und Familie erweitern, eine Änderung der Lehre ist dabei nicht zu erwarten. Das
hat Kardinal Christoph Schönborn am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien erklärt.
Der Wiener Erzbischof wird bei der am 5. Oktober beginnenden Versammlung der Synode
im Vatikan die österreichische Bischofskonferenz vertreten und gehört zudem dem Synodenrat
an, der das Treffen vorbereitet hat.
Für Papst Franziskus sei Ehe und Familie
„ein zentrales Thema des Pontifikats, ähnlich wie es dies auch für Johannes Paul II.
war", erklärte Schönborn. „Erwarten Sie aber nicht, dass der Papst die Lehre über
die Ehe ändert", so die Aufforderung des Kardinals. Schließlich habe die Kirche in
ihrer ganzen Geschichte ihre Lehre „nie verändert, sondern stets erweitert und vertieft".
Verändern wolle Franziskus ähnlich wie zuvor der Konzilspapst Johannes XXIII. vor
allem den Umgang und den Blick der Kirche auf bestimmte Themen. Die Richtung dazu
sei die der "pastoralen Bekehrung" - „weg vom Denken in Schubladen, hin zu einem Hinsehen,
zu Wertschätzung und zu einem Begleiten".
Leitend bei allen Überlegungen seien
die überaus klaren Worte Jesus mit Blick auf die Ehe: „Was Gott verbunden hat, das
darf der Mensch nicht trennen." Zugleich habe Jesus auch eine anderen Blick auf die
Situation gehabt, verwies Schönborn auf die Bibelstelle von der Ehebrecherin: „Er
sagte: Ich verurteile Dich nicht. Geh hin, und sündige nicht mehr." Diese Handlungsweise
Jesu mache deutlich, dass es „Lehre und Barmherzigkeit" brauche und beide „nicht austauschbar"
seien. „Nicht verurteilen, heißt aber nicht, alles rechtfertigen", sagte der Kardinal.
Wertschätzender
Umgang nötig
In seinem eigenen Redebeitrag zur Synode werde er eintreten
für wertschätzenden Umgang „mit jenen Situationen, die nicht der vollen Realität es
sakramentalen christlichen Ehe entsprechen", kündigte Schönborn an. Diesen Zugang
zu Ehe vertrete auch Papst Franziskus, der sich gegenüber Österreichs Bischöfe bei
ihrem Ad-limina-Besuch zu Jahresbeginn dahingehend geäußert und dazu aufgefordert
habe, die Menschen in der Realität ihrer Beziehungssituation zu begleiten. Die Synode
solle für dieses Anliegen des Papstes einen „hermeneutischen Schlüssel" schaffen,
so die Hoffnung des Wiener Erzbischofs.
Konkret müsse die Kirche Antworten
finden auf die Tatsache, dass viele Paare ohne Trauschein zusammenleben und oft erst
beim Auftreten von Kindern die Eheschließung überlegen, betonte Schönborn. Innerhalb
der Theologie werde darüber diskutiert, „dass es auch außerhalb der vollen Verwirklichung
der sakramentalen Gestalt der Ehe vielfältige Elemente der Wahrheit und Heiligung
gibt. Eine Teilverwirklichung ist auch hier da - zwar nicht als Vollgestalt, aber
doch als eine Wegetappe, bei der es dann manchmal bleibt", so der Kardinal. Einen
ähnlichen „theologischen Schlüssel" habe die Kirche schon beim Konzil in ihren Aussagen
über das Verhältnis zu den anderen christlichen Konfessionen verwendet. So habe man
damals festgehalten, dass die Vollgestalt von Kirche in der katholischen Kirche verwirklicht
sei und gleichzeitig Elemente der Wahrheit und Heiligung in anderen Kirchen und kirchlichen
Gemeinschaften anerkannt, führte Schönborn in Analogie aus.
Blick auf Kinder
und Zurückgebliebene richten
Er wolle in der Synode weiters die Aufmerksamkeit
auf den Blick von Kindern lenken, die in Trennungen und Scheidungen zurückbleiben,
fuhr Schönborn fort. Im Arbeitspapier der Synode, dem „Instrumentum laboris", wie
auch zuvor in den einfließenden Rückmeldungen habe er dazu „fast völliges Schweigen"
vorgefunden, beklagte der Kardinal. Die Kirche laufe Gefahr, „pharisäisch zu werden",
wenn sie bei der Diskussion über Geschiedene den vom Evangelium gebotenen Blick „vor
allem auf die Kleinen" verabsäume. Wenn Eltern einen Rosenkrieg auf den Rücken der
Kinder austragen, sei dies „ein schweres Vergehen".
Ebenso sollten die Bischöfe
nach den Vorstellungen Schönborns die Situation des zurückbleibenden Partners diskutieren.
Es sei ein „Megaproblem", wenn jemand in einer Trennung nicht aus seiner Not herausfinde,
„und unsere Großstädte sind voll von Menschen, die übrig bleiben aus gescheiterten
Beziehungen", so der Wiener Erzbischof. Auch ohne konkrete Lösungen anbieten zu können,
müsse die Kirche stärker auf die Not der „Scheidungswaisen und Scheidungswitwen" hinweisen.
Ziel
der Synode ist „echte Debatte"
Im Gegensatz zu früheren Sitzungen
der Bischofssynode zielt die bevorstehende Familiensynode auf eine „echte Debatte".
Das betonte Kardinal Schönborn, der als Mitglied des Synodenrates in die Vorbereitung
und Durchführung der kommenden außerordentlichen Sitzung der Bischofssynode eingebunden
war. Anders als früher sei der Ablauf der Synode diesmal thematisch gebündelt. Bemerkenswert
sei zudem, dass zu jedem Thema zuerst Laien sprechen und erst danach die Bischöfe.
Die Synodenteilnehmer seien auch zur freien Rede angehalten, davon unabhängig sollten
sie ihre schriftliche Stellungnahme bis 5. September eingeben. Neu sei auch, dass
nach jedem Plenartag eine Stunde der freien Diskussion gewidmet sei und dass es an
jedem Tag ein Pressebriefing mit Synodenteilnehmern geben wird.
In der Zweiten
Sitzungswoche stehen vertiefende Gespräche in den verschiedenen Sprachgruppen an,
führte Schönborn weiter aus. Die Ergebnisse der Beratungen würden dann in einem Schlusspapier
zusammengefasst werden, wobei noch offen sei, ob darin auch die sonst üblichen „Propositiones"
(Vorschläge) an den Papst enthalten sind, zumal es ja im nächsten Jahr dann eine ordentliche
Sitzung der Bischofssynode zum Thema gibt.
„Die Arbeitsmethode wurde deutlich
verbessert", resümierte der Kardinal und verwies dabei auch auf die Vorbereitungsphase.
Dies habe bereits damit begonnen, dass Papst Franziskus persönlich an Sitzungen des
Synodenrates teilgenommen habe. Dabei sei es auch zur überraschenden Themenänderung
in Richtung Ehe und Familie gekommen, denn ursprünglich seien Fragen der Anthropologie
und der Bioethik auf dem Programm gestanden. Der Papst habe aber deutlich gemacht,
dass man schwer über das Menschenbild sprechen könne, ohne Ehe und Familie in Blick
zu nehmen.
Bedeutend sei zudem die Vorgabe des Papstes gewesen, die üblicherweise
vor einer Synode stattfindende Befragung stark auszuweiten. Eine „sehr realistische
Zusammenfassung" der zahlreichen Antworten aus der ganzen Welt sei in der Folge mit
der Erstellung des „Instrumentum laboris" (Arbeitspapiers) für die Synodenteilnehmer
gelungen. Der gesamte Vorgang zeige, wie sehr es Papst Franziskus bei der kommenden
Synodensitzung um ein „Hinschauen" und eine „Bestandsaufnahme" im Sinne des bewährten
Dreischritts „sehen - urteilen - handeln" geht, so der Vorsitzende der Bischofskonferenz.