Jahrhunderte lang
war der Nahe Osten ein Ort des Zusammenlebens verschiedener Religionen – war. Denn
jetzt leert sich die Region von Christen und anderen, nicht-muslimischen Minderheiten.
Was da im Gang ist, ist der Untergang des Prinzips „Toleranz“ selbst, sagt der syrisch-katholische
Patriarch Ignace Joseph III. Younan, der in den Bergen oberhalb der libanesischen
Hauptstadt Beirut residiert.
„Wir können das einen Exodus nennen, oder
einen Völkermord – das ist ein Desaster, das im 21. Jahrhundert eigentlich nicht akzeptabel
ist. Wie kann man es nur zulassen, dass friedliche Menschen einfach nur deshalb, weil
sie eine andere Religion bekennen als den Islam, verfolgt werden?“
Auch
wenn von oben die eine oder andere amerikanische Bombe fällt – unten am Boden verschwindet,
im Irak wie in Syrien, das Christentum.
„Was da verschwindet, ist sozusagen
unsere Chance aufs Überleben. Bisher gab es ein Zusammenleben, aber jetzt wollen sie
uns buchstäblich an den Kragen! Im Land zu bleiben, ist für uns Christen eine Riesen-Herausforderung.
Wie sollen wir etwa unsere jungen Leute davon überzeugen, Zeugnis für ihren Glauben
zugeben? Die sagen uns: „Aber die anderen wollen doch gar keinen Dialog, die akzeptieren
uns nicht, die erkennen uns nicht an!“
Die westliche Allianz, die Ziele
der Terroristen des „Islamischen Staats“ bombardiert, betont in diesen Tagen immer
wieder: Wir führen keinen Krieg gegen den Islam, sondern wir wollen den Terrorismus
bekämpfen. So sieht der Patriarch das auch.
„Ja, wir können und wir dürfen
absolut keine Religion bekämpfen! Aber wir haben das Recht und auch die Pflicht, den
Islamführern zu sagen: Seid bitte klar, und seid deutlich, wenn ihr betont, dass man
Menschen nicht töten darf, egal zu welcher Religion sie gehören; dass das ein schwerwiegendes
Verbrechen ist und keineswegs gottgefällig. Das sind Handlungen gegen die Zivilisation
selbst. Das sagen auch die Regierungen der arabischen Länder, der Golfstaaten – aber
vielleicht nicht nachdrücklich genug. Ich appelliere an unsere christlichen Gläubigen,
an alle syrischen Katholiken und Orthodoxen, die in letzter Zeit Schlimmeres erleiden
als alle anderen, weil unsere klassischen Siedlungsgebiete angegriffen worden sind.
Lasst trotz allem die Hoffnung nicht fahren! Wir werden alles tun, um ihre Stimme
in der ganzen Welt hörbar zu machen.“
Zur syrisch-katholischen Kirche gehören
etwa 130.000 Gläubige; die meisten von ihnen leben in Syrien und im Libanon. Ihre
liturgische Sprache ist Aramäisch, die Sprache Jesu.