2014-09-18 10:26:40

Vor 200 Jahren: Der Wiener Kongress


RealAudioMP3 Vor genau 200 Jahren, am 18. September 1814, begann der Wiener Kongress: Und auch wenn er nach den napoleonischen Wirren sehr konservativ und restaurativ ausgerichtet war, so war er doch auch ein ausgesprochen erfolgreicher Friedenskongress. Kein anderer vergleichbarer Frieden hat in Europa so lange gehalten wie der vor zwei Jahrhunderten in Wien ausgehandelte, und viele der damals gezogenen Grenzen bestehen noch heute.

Eine gemischte Bilanz zum Kongress zieht aus spezifisch kirchlicher Sicht der Wiener Kirchenhistoriker Rupert Klieber: Zwar war die katholische Kirche durch den päpstlichen Delegaten Ercole Consalvi hochrangig am Kongress vertreten, und außerdem wurde durch den Kongress der „Kirchenstaat“, der große Teile Norditaliens umfasste, als einziges Territorium wieder errichtet - doch Grund zur Freude besteht aus heutiger Sicht darüber nicht. Sagt Klieber.

So habe sich die Errichtung des Kirchenstaates als „Danaergeschenk“ (ein dem Empfänger Unheil bringendes Geschenk) an die Kirche erwiesen, da sie somit erneut zu einer realpolitischen, auch militärischen Größe wurde mit einem Papst, der auch weltliche Macht über weite Besitztümer ausübte. Es habe weitere rund 100 Jahre gedauert, so Klieber, bis die Kirche tatsächlich in ihrem neuen, auf den Vatikan begrenzten Territorium, frei wurde vom Mächte- und Ränkespiel der Politik und so zu einer „Friedensmacht“ werden konnte.

Um diese Rolle der Kirche beim Kongress zu verstehen, muss man laut Klieber auf die aufgewühlte Zeit nach der Französischen Revolution zurückgehen. Die Zersplitterung Europas in Dutzende Territorien von oft kleinster Ausdehnung hatte damals einen prinzipiellen Reformbedarf deutlich werden lassen. Mancherorts gab es auf 100 Kilometern bis zu drei Rechtsordnungen - das war, so der Wiener Historiker, „kein geeigneter Rahmen mehr für ein modernes Staatswesen, zu dem die Staaten ab dem 19. Jahrhundert drängten“.

Zum anderen habe man zu Beginn des 19. Jahrhunderts begonnen, „die kirchlichen Verhältnisse grundlegend umzukrempeln. Kein Stein ist auf dem anderen geblieben." So habe man - Stichwort Säkularisierung - etwa massiv in die Kirchen- und Klosterstrukturen eingegriffen: „Strukturen, die in 1.000 Jahren gewachsen sind, sind hier an ein Ende gekommen.“

„Polizeistaat unter kirchlicher Aufsicht“

Der Reformbedarf auch kirchlicherseits war also groß. Dennoch spielten Kirchenfragen am Wiener Kongress laut Klieber nur eine nachgeordnete Rolle. Das lag daran, dass man sich unter den Großmächten auf keine einheitliche Position zum zukünftigen Status der katholischen Kirche in Europa einigen konnte - mit Ausnahme der Wiederherstellung des Kirchenstaates. Dieses Comeback bewertet der Kirchenhistoriker als eine zweischneidige Sache. Zum einen entsprach dies, nach den demütigenden Erfahrungen der napoleonischen Zeit, einem verständlichen Wunsch der Päpste nach einem geschützten Territorium.

Auf der anderen Seite entstand auf diese Weise laut Klieber aber in Italien ein „sehr reaktionärer Staat“, der sich in seinen Institutionen gegen alle bürgerlichen Ansprüche und Fortschritte seit der Französischen Revolution stellte. Schließlich habe sich der Kirchenstaat gar in eine Art „Polizeistaat unter kirchlicher Aufsicht“ verwandelt, resümiert der Historiker, „der seine Energie darauf verschwendet hat, alle Veränderungen und Neuerungen zu unterbinden.“ Mit mäßigem Erfolg, so Klieber, sei es doch selbst im Kirchenstaat bereits 1817 „zu ersten Aufständen gegen die neue Prälaten-Herrschaft gekommen“.

Zu Ende ging diese Verquickung von weltlicher und geistlicher Macht erst mit der militärischen Niederlage des Papstes 1870 und seiner Entmachtung durch den italienischen König Viktor Emanuel II. Erst die Lateran-Verträge von 1929 und die Einhegung der weltlichen Machtsphäre des Papstes habe die Kirche dann „zurück auf das diplomatische Parkett“ gebracht, so Klieber - und erst dadurch habe die katholische Kirche zu jener „Friedensmacht“ werden können, als welche sie sich heute versteht.

(kap 18.09.2014 sk)








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