Im Februar hat er
erst sein Amt als Caritas-Chef im Libanon angetreten. Und sah sich gleich mit der
größten humanitären Krise seit Jahrzehnten konfrontiert: Maronitenpater Paul Karam
weist darauf hin, dass auch der kleine Libanon immer mehr unter der Syrien- und der
Irak-Krise leidet.
„Wir haben ein großes Problem: Im Libanon gibt es schon
eine Million und 600.000 syrische Flüchtlinge, und jetzt sind auch noch fast vierhundert
Familien hinzugekommen, die aus dem Irak geflüchtet sind; jeden Tag kommen neue Flüchtlinge.
Dazu kommt noch, dass wir immer noch das Problem der palästinensischen Flüchtlinge
haben, die sich schon seit sechzig Jahren auf unserem Territorium aufhalten! Also,
das ist ein zahlenmäßiger Notstand, vor allem weil der Libanon nicht groß ist und
unsere Bevölkerung, unsere Gläubigen jeden Tag etwas mehr in die Armut rutschen. Wir
bitten die internationale Gemeinschaft, dieses politische Spiel zu stoppen, das in
der Region vor sich geht!“
Karam hat gerade den Irak besucht und dort mit
vielen christlichen Flüchtlingen gesprochen, die angesichts des „Islamischen Staats“
ihr Heil in der Flucht gesucht haben.
„Wirklich, das ist eine Tragödie,
die einem die Tränen in die Augen treibt: Wenn du zum Beispiel Leute siehst, die etwa
siebzig Kilometer zu Fuß geflohen sind, jeden Tag neun Stunden. Die hängen sich an
dich, an dein Brustkreuz und sagen: ‚Pater, bete für mich, segne mich’, oder sie flehen:
‚Frieden, wir wollen Frieden! Wir wollen zurück nach Hause!’ Das fasst einem ans Herz.
Auch den Syrern geht es so... Aber das ist eine politische Problematik, und die Zahl
der Fanatiker hat stark zugenommen. Vorher sprach man noch von einer Revolution –
davon ist jetzt keine Rede mehr. Früher sprach man von der Freien Syrischen Armee,
die spielt jetzt offenbar gar keine Rolle mehr. Jetzt redet man nur noch von Dschihadisten,
von Fanatikern – wo ist denn die Lösung für eine ganze, verwundete Region?“
In
Verhandlungen mit dem „Islamischen Staat“ jedenfalls scheint der Gottesmann aus dem
Libanon keine Lösung zu sehen.
„Wenn einer nicht mehr an die Menschenrechte
glaubt, nicht mehr an die Religionsfreiheit glaubt, nicht mehr an das Zusammenleben
der Völker glaubt, wenn die einfach töten – was kann man denn von so einem Menschen
verlangen?“