Mit westlichen Waffenlieferungen
nach Syrien ist niemandem gedient. Das sagt der Apostolische Vikar von Aleppo in Syrien,
Georges Abou Khazen, im Gespräch mit Radio Vatikan. Stattdessen solle der Westen in
Syrien bei der Versöhnung helfen. Der Kirchenmann sieht aber auch Anzeichen einer
positiven Entwicklung in seinem Heimatland Syrien: Das Assad-Regime gelte bei vielen
mittlerweile als das kleinere Übel, auf lokaler Ebene laufen Khazens Angaben zufolge
Versöhnungsinitiativen, Rebellen geben ihre Waffen ab. Am Rand des Rimini-Treffens
zeichnet der Apostolische Vikar von Aleppo ein Bild der derzeitigen Lage.
„Bis
jetzt war Syrien ein schönes Mosaik aus 23 verschiedenen Gruppen: ethnischen und religiösen
Gruppen. Es gab einen gemäßigten Islam und der Staat war säkular, mit einem gleichen
Abstand zu allen Gruppen. In seiner Geschichte hat Syrien Flüchtlinge aus der ganzen
Region aufgenommen, Christen, Muslime, Iraker, Libanese, Palästinenser, Sudanesen
– alle. Die Leute haben sich gut eingelebt, es gab keine Flüchtlingslager, die Flüchtlingskinder
gingen zur Schule. Und dieses Mosaik soll jetzt vorsätzlich zerstört werden. Die Leute,
die das tun, erhalten Unterstützung von anderen, die sich demokratisch nennen. Aber
wenn in der Demokratie der eine den anderen nicht toleriert – was ist das für eine
Demokratie?“
Der religiöse Faktor spiele bei den Konflikten ebenso eine
Rolle wie politische und wirtschaftliche Interessen, sagte Khazen.
„Wir
sehen leider auch eine Politik, deren Ziel es ist, den ganzen Nahen Osten frei von
Christen zu machen und frei von anderen Minderheiten. Das Mosaik soll einem Bild in
einer einzigen Farbe weichen. Grün oder schwarz oder rot. Aber nur eine Farbe. Ihr
seht doch selbst: Alle Menschen, die Minderheiten angehören, sind in Lebensgefahr.“
Die Hälfte der Bevölkerung Syriens ist auf der Flucht. Viele Beobachter
sehen nach drei Jahren Krieg und Bürgerkrieg überhaupt keinen Ausweg mehr für das
Land. Der Apostolische Vikar von Aleppo widerspricht:
„In meinen Augen
gibt es sehr wohl einen Ausweg. Statt uns zu helfen, einander umzubringen mit eigens
gelieferten Waffen, helft uns doch, uns mit einander zu versöhnen. Wenn es heute nicht
geht, dann morgen. Aber sobald ihr uns Waffen gebt und wir einander umbringen, wohin
gelangen wir denn damit? Da müssen sie uns helfen.“
Der Westen habe die
Lage in Syrien viel zu lange unterschätzt, sagt der Kirchenmann. Leider hätten die
westlichen Länder nichts aus den Erfahrungen in anderen Umbruchländern der Region
gelernt. Der Apostolische Vikar sieht aber auch Anzeichen einer Entspannung. Das Assad-Regime
übernehme jetzt langsam wieder die Kontrolle im Land, und zwar mit friedlichen Mitteln.
„Viele Leute waren eher gegen die Assad-Regierung, halten sie aber jetzt
für das kleinere Übel, weil sie gesehen haben, was dann geschah, drüben [im Irak].
Ich weiß, dass nicht einmal die Muslime [den „Islamischen Staat“] das wollen. Das
hilft [dem Assad-Regime] sehr. Auch das ist etwas, das der Westen nicht weiß: In vielen
Teilen Syrien gewinnt die Regierung wieder an Terrain, nicht mit Krieg, sondern aufgrund
von Versöhnung. Die Regierung kontaktiert die Leute, die bisher im Widerstand waren,
es gibt Verhandlungen. Sie geben die Waffen ab und der Kleinkrieg hört auf. Das ist
ein wichtiger Punkt, ein Indiz. Was man in einem Stadtviertel machen kann, kann man
in einer Stadt machen, und dann in der nächsten. Und in diesem Prozess kann man uns
helfen. Aber nicht, indem man die Leute wieder gegeneinander aufhetzt.“