2014-08-29 14:35:53

Syrien: Anzeichen einer Entspannung?


RealAudioMP3 Mit westlichen Waffenlieferungen nach Syrien ist niemandem gedient. Das sagt der Apostolische Vikar von Aleppo in Syrien, Georges Abou Khazen, im Gespräch mit Radio Vatikan. Stattdessen solle der Westen in Syrien bei der Versöhnung helfen. Der Kirchenmann sieht aber auch Anzeichen einer positiven Entwicklung in seinem Heimatland Syrien: Das Assad-Regime gelte bei vielen mittlerweile als das kleinere Übel, auf lokaler Ebene laufen Khazens Angaben zufolge Versöhnungsinitiativen, Rebellen geben ihre Waffen ab. Am Rand des Rimini-Treffens zeichnet der Apostolische Vikar von Aleppo ein Bild der derzeitigen Lage.

„Bis jetzt war Syrien ein schönes Mosaik aus 23 verschiedenen Gruppen: ethnischen und religiösen Gruppen. Es gab einen gemäßigten Islam und der Staat war säkular, mit einem gleichen Abstand zu allen Gruppen. In seiner Geschichte hat Syrien Flüchtlinge aus der ganzen Region aufgenommen, Christen, Muslime, Iraker, Libanese, Palästinenser, Sudanesen – alle. Die Leute haben sich gut eingelebt, es gab keine Flüchtlingslager, die Flüchtlingskinder gingen zur Schule. Und dieses Mosaik soll jetzt vorsätzlich zerstört werden. Die Leute, die das tun, erhalten Unterstützung von anderen, die sich demokratisch nennen. Aber wenn in der Demokratie der eine den anderen nicht toleriert – was ist das für eine Demokratie?“

Der religiöse Faktor spiele bei den Konflikten ebenso eine Rolle wie politische und wirtschaftliche Interessen, sagte Khazen.

„Wir sehen leider auch eine Politik, deren Ziel es ist, den ganzen Nahen Osten frei von Christen zu machen und frei von anderen Minderheiten. Das Mosaik soll einem Bild in einer einzigen Farbe weichen. Grün oder schwarz oder rot. Aber nur eine Farbe. Ihr seht doch selbst: Alle Menschen, die Minderheiten angehören, sind in Lebensgefahr.“

Die Hälfte der Bevölkerung Syriens ist auf der Flucht. Viele Beobachter sehen nach drei Jahren Krieg und Bürgerkrieg überhaupt keinen Ausweg mehr für das Land. Der Apostolische Vikar von Aleppo widerspricht:

„In meinen Augen gibt es sehr wohl einen Ausweg. Statt uns zu helfen, einander umzubringen mit eigens gelieferten Waffen, helft uns doch, uns mit einander zu versöhnen. Wenn es heute nicht geht, dann morgen. Aber sobald ihr uns Waffen gebt und wir einander umbringen, wohin gelangen wir denn damit? Da müssen sie uns helfen.“

Der Westen habe die Lage in Syrien viel zu lange unterschätzt, sagt der Kirchenmann. Leider hätten die westlichen Länder nichts aus den Erfahrungen in anderen Umbruchländern der Region gelernt. Der Apostolische Vikar sieht aber auch Anzeichen einer Entspannung. Das Assad-Regime übernehme jetzt langsam wieder die Kontrolle im Land, und zwar mit friedlichen Mitteln.

„Viele Leute waren eher gegen die Assad-Regierung, halten sie aber jetzt für das kleinere Übel, weil sie gesehen haben, was dann geschah, drüben [im Irak]. Ich weiß, dass nicht einmal die Muslime [den „Islamischen Staat“] das wollen. Das hilft [dem Assad-Regime] sehr. Auch das ist etwas, das der Westen nicht weiß: In vielen Teilen Syrien gewinnt die Regierung wieder an Terrain, nicht mit Krieg, sondern aufgrund von Versöhnung. Die Regierung kontaktiert die Leute, die bisher im Widerstand waren, es gibt Verhandlungen. Sie geben die Waffen ab und der Kleinkrieg hört auf. Das ist ein wichtiger Punkt, ein Indiz. Was man in einem Stadtviertel machen kann, kann man in einer Stadt machen, und dann in der nächsten. Und in diesem Prozess kann man uns helfen. Aber nicht, indem man die Leute wieder gegeneinander aufhetzt.“

(rv 29.08.2014 gs)








All the contents on this site are copyrighted ©.