D: Sterbehilfedebatte im Bundestag - es geht um die Unantastbarkeit der Würde
Der deutsche
Bundestag will im Herbst zum Beginn der neuen Legislaturperiode über einen Gesetzesentwurf
zur aktiven Sterbehilfe abstimmen. Traditionell besteht bei solchen ethischen Grenzfragen
im Bundestag kein Fraktionszwang. Das heißt, alle Abgeordneten dürfen unabhängig von
ihrer jeweiligen Parteilinie abstimmen. Der Augsburger Weihbischof, Anton Losinger,
sprach sich in einem Interview mit dem Domradio für ein Verbot der aktiven Sterbehilfe
aus. Ein Beitrag von Katharina Pfadenhauer.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat
sich festgelegt - sie wünsche eine „sehr restriktive Regelung jedweder Sterbehilfe",
das sagte sie den Kieler Nachrichten. Ihr Gesundheitsminister Hermann Gröhe fordert
in einem Gesetzentwurf das Verbot jeder aktiven Sterbehilfe. Der Augsburger Weihbischof
Anton Losinger, der unter anderem Mitglied im Deutschen Ethikrat ist, spricht sich
in einem Interview mit dem Domradio ebenfalls für eine solche Regelung aus.
„Voll
und ganz stehe ich hinter dieser Position. Ich meine auch, dass es mit dem Gesetzentwurf
zum Verbot der organisierten, aktiven Sterbehilfe im Bundestag um eine Weichenstellung
ganz grundsätzlicher Art geht. Nämlich sozusagen um das Kronsilber einer Demokratie
und eines Rechtsstaates, wo die Unantastbarkeit der Würde und des Lebensrechts des
Menschen in jeder Lebensphase garantiert sein muss“.
Wenn im September
die parlamentarische Sommerpause endet, wird Angela Merkel allerdings nur eine von
631 Abgeordneten sein, die über die aktive Sterbehilfe abstimmen wird. Das neue Gesetz
soll aus der Mitte des Bundestages kommen. Aus diesem Grund wird der sogenannte Fraktionszwang
aufgehoben. Das bedeutet, dass die Abgeordneten nicht im Sinne einer bereits vorab
festgelegten Parteilinie abstimmen müssen, sondern dies frei nach ihren eigenen ethischen
Überzeugungen tun können. Im Bundestag gibt es durchaus Gegenpositionen zu jener der
Bundeskanzlerin. Die Bundesfraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, beispielsweise
befürwortet eine gemeinnützige Sterbehilfe, gerade in Fällen, in denen keinen Ausweg
am Horizont erscheint. Haben diese Positionen nicht auch eine Berechtigung?
„Wir
haben im Deutschen Ethikrat auch schon einmal gefragt, warum erbitten Menschen für
sich aktive Sterbehilfe. Die Antworten waren zwei Angst generierte Phänomene. Nämlich
erstens die Angst vor großen Schmerzen und zweitens die Angst vor dem Pflegefall.
Gegen beides hätten wir [im Sinne auch der Empfehlungen der Kirche und auch im Sinne
des Engagements im Sozialbereich, wie wir es immer wieder leisten,] zwei gute Antworten.
Das erste in der Tat die palliativmedizinische Versorgung, Schmerzmedizin, Ausbildung
der Ärzte und Förderung dieses Wissenschaftszweiges, um Menschen diese Angst vor Schmerzen
zu nehmen. Und das zweite wäre das Hospiz. Damit Menschen in dieser letzten Phase
ihres Lebens, die vielleicht auch die wichtigste für sie persönlich sein kann, in
einer behüteten, freien Umgebung liebevoll begleitet werden dürfen.“
Gerade
die palliativmedizinische Versorgung sei nach Meinung des Augsburger Weihbischofs
eine der ganz großen Errungenschaften hinsichtlich des Umgangs mit sterbenden Menschen.
Die Gefahr, dass eine palliativmedizinische Versorgung unter Umstänen auch das leid
der patienten verlängert werden könne, sei zwar gegeben. Jedoch würde oft übersehen,
wie individuell diese Phase, in der das Leben eines Menschen zu Ende geht, ist.
„Dass
unter Umständen eine erfolgreiche palliative Medizin, eine Schmerzmedizin, vielleicht
sogar eine lebensverlängernde Wirkung haben kann, weil der Schmerzdruck von einem
solchen Menschen physiologisch genommen werden kann - das ist in der Tat eine interessante
medizinische These, die noch nicht geklärt ist. Unter Umständen ist es aber auch so,
dass Schmerzmeditation eine mögliche lebensverkürzende Wirkung auf einen Patienten
haben kann. Auch dieses ist im Sinne der Ethik der Kirche erlaubt und richtig.“
Was
aus Sicht der Kirche ethisch und moralisch nicht tragbar sei, sei jede Form der kommerziellen
Sterbehilfe. „Ein Geschäft mit dem Tod anderer Menschen darf es nicht geben“, so der
Augsburger Weihbischof. Und genau darum geht es auch in der nun neu entbrannten Debatte
um die Sterbehilfe: Eine Gesetzeslücke, nach der die aktive Sterbehilfe in Deutschland
zwar verboten ist, nicht aber ein sogenannter assistierter Suizid. Nach aktuell geltender
Rechtslage in Deutschland ist demnach das Töten auf Verlangen zwar verboten, jedoch
dürfe ein Arzt oder ein Verwandter einen Sterbewilligen dabei unterstützt, sich selbst
zu töten. Diese Regelung habe dazu geführt, dass sich Organisationen darauf spezialisierten,
den assistierten Suizid kommerziell anzubieten. Derzeit sieht es so aus, als wären
sich die Abgeordneten quer durch die Fraktionen des Bundestages uneinig sind:
„Ich
denke, dass es wahrscheinlich wohl mehrere Gruppenanträge geben wird. Ich denke, dass
auch eine gewisse innere Betroffenheit von Menschen, die andere Menschen in einer
Schmerzsituation sehen, bei manchem der Abgeordneten vorherrschen wird. Ich würde
mich einer ganz klaren Empfehlung anschließen, die auch dem entspricht, was die Bundeskanzlerin
mit der restriktiven Haltung fordert und was auch der Gröhe-Entwurf beinhalten“.