Angesichts der steigenden
Zahlen von Menschen, die vor Krieg und Verfolgung Zuflucht in Europa suchen, sollte
die aktuelle Asylregelung in der Europäischen Union reformiert werden. Dafür plädiert
der italienische Jesuitenpater Giovanni La Manna, Leiter des Flüchtlingszentrum „Astalli“
in Rom.
„Man muss das Verfahren überprüfen und überwinden, denn es ist
ungerecht und unmenschlich, Menschen dazu zu zwingen, in einem Land zu bleiben, wo
sie nicht bleiben wollen. Auch wenn diese Menschen Familienangehörige und Freunde
in anderen Ländern haben, die sie zu erreichen suchen, um bessere Bedingungen, eine
bessere Zukunft, ein Heim zu finden.“
Knackpunkt bei der gültigen Asylregelung,
dem sog. „Dublin II-Verfahren“: Asylsuchende können nur in dem EU-Land einen Antrag
auf Asyl stellen, in dem sie zuerst ankommen. Viele der Flüchtlinge versuchten deshalb,
eine Erst-Registrierung zu umgehen, um direkt weiter Richtung Norden zu reisen, berichtet
P. La Manna über die Situation in Italien: „Die Leute sind nicht dumm, sie wissen,
dass sie hier vermeiden müssen, dass die Polizei ihre Fingerabdrücke nimmt (und sie
registriert werden, Anm.). Das setzt sie aber weiteren Gefahren aus: Sie flüchten
aus den Zentren, wo sie eine Erstversorgung erhalten könnten und bleiben in den Händen
der Menschenhändler, die auf unserem Gebiet operieren und die ihnen ermöglichen, illegal
Länder zu erreichen wie Deutschland, Österreich, Frankreich, Großbritannien und Nordeuropa.“ Mit
anderen Worten: Die gültige Dublin-Regelung spielt laut P. La Manna Menschenhändlern
zusätzlich in die Hände. EU streitet über Flüchtlinge: Schon Lebensrettung
ist „zu teuer“ Die steigenden Flüchtlingszahlen lösen Streit in der Europäischen
Union aus. So warf der bayrische Innenminister Joachim Hermann zuletzt der italienischen
Regierung vorsätzliche Mängel bei der Registrierung der Flüchtlinge vor: „Es ist Fakt,
dass Italien absichtlich in vielen Fällen weder Personaldaten noch Fingerabdrücke
aufnimmt, damit die Flüchtlinge in einem anderen Land Asyl beantragen können und nicht
wieder nach Italien zurückkehren“, sagte Hermann der Deutschen Presse-Agentur. Der
CSU-Politiker nannte laut dpa Diskrepanzen in den offiziellen Zahlen: In Deutschland
seien 2013 über 126.000 Asylanträge gestellt worden, in Italien nur 27.930. Nach den
Zahlen des UN-Flüchtlingskommissars landeten im vergangenen Jahr aber über 60.000
Flüchtlinge in Italien. Auch bei der Frage der Rettung von Flüchtlingen auf dem
Mittelmeer gibt es bislang keine Einigung. Italien will seine Rettungsoperation „Mare
Nostrum“, mit der bisher unzählige Mittelmeerflüchtlinge vor dem Tod bewahrt werden
konnten, im kommenden Oktober aus Kostengründen einstellen. Die Europäische Union
und die EU-Grenzschutzagentur Frontex sollten die Mission dann übernehmen, schlug
Italiens Innenminister Angelino Alfano in der vergangenen Woche vor. Frontex winkte
derweil ab und signalisierte, man habe kein Geld, um das Programm zu übernehmen. Die
EU-Kommission sieht die einzelnen Mitgliedsstaaten in der Pflicht, um die Rettungsaktionen
weiter zu garantieren: Sie sollten mehr Geld, Ausrüstung und Personal für das Programm
bereitstellen, sagte EU-Kommissionssprecher Antony Gravili am vergangene Dienstag.
Allein an diesem Samstagmorgen landeten im sizilianischen Catania wieder fast
200 Flüchtlinge. Ohne „Mare Nostrum“ hätten einige von ihnen die italienische Küste
wohl gar nicht erst erreicht. (rv/agenturen 23.08.2014 pr)