Die sunnitische Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) hat ihre Haltung gegenüber Christen
im Sinne einer Brutalisierung geändert. Dies hat der deutsche Golfregion-Experte Otmar
Oehring in einem Interview für die aktuelle Ausgabe der Linzer „KirchenZeitung“ wie
folgt erläutert: Von den ersten IS-Eroberungen in Nordsyrien sei bekanntgeworden,
dass die Christen zwar der Scharia unterworfen wurden und Kopfsteuer bezahlen mussten,
„aber man hat sie dafür überleben lassen“. Jetzt werde vom Vordringen im Irak berichtet,
dass sich die IS „an diese Vorgaben der Scharia nicht mehr hält, sondern die Christen
genauso wie alle anderen Gruppen, die nicht dem sunnitischen Islam angehören, als
Ungläubige behandelt“ - und nicht mehr als Angehörige einer Buchreligion.
Christen
werde angeboten zu konvertieren, so Oehring, „wenn sie das nicht tun, würden sie umgebracht;
andernfalls haben sie nur noch die Möglichkeit, das Gebiet zu verlassen“. Ganz oben
auf der Todesliste der Terrormiliz stünden die Schiiten, danach die Jesiden, die keiner
Buchreligion angehören und deswegen vom „Islamischen Staat“ als Gottlose als todeswürdig
erachtet würden. Die derzeitige Gewalt im Irak sieht der Experte „eingebettet in einen
großen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten“. Schiitische Staaten wie der Iran,
der Libanon mit der Hisbollah, Syrien mit dem alawitischen Assad-Regime bis hin zum
Irak bemühten sich, ihren Einfluss in der Region auszubauen. Auf der anderen Seite
stünden die sunnitischen Golf-Staaten und die Türkei, die das verhindern wollen.
„Christen
das Verlassen des Irak zugestehen“ Die Existenz des Christentums im Irak
sieht Oehring vor diesem Hintergrund „essenziell gefährdet“. Auch die Autonome Region
Kurdistan tauge nur bedingt als Rückzugsort für Christen, da sie als Menschen, die
Großteils nicht aus dem landwirtschaftlichen Bereich kommen, dort kaum Zukunftsperspektiven
hätten. Oehring äußerte Vorbehalte gegenüber dem Appell von Bischöfen, es gelte alles
daranzusetzen, die christliche Präsenz im Irak zu erhalten: „Das ist meiner Meinung
nach vor dem Hintergrund dessen, was momentan im Irak passiert, nicht sehr überzeugend.“
Den betroffenen Christen müsse zugestanden werden, „selbst über ihre Zukunft zu entscheiden.
Ich denke, dass die Lage wirklich sehr ernst ist.“
Um die gegenwärtige Gewalt
zu stoppen, ist es laut Oehring zunächst einmal wichtig, dass im Irak endlich eine
stabile Regierung gebildet werde. Und die internationale Staatengemeinschaft, insbesondere
Staaten wie die USA oder der Iran, die am Irak ein großes Interesse haben, müssten
sich „in irgendeiner Weise einigen, wie man mit diesem konkreten Konflikt umgeht,
der auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen wird“.