Ratzinger-Schülerkreis spricht ohne Ratzinger über Kreuzestheologie
Die Schüler und Schülerinnen
von Professor Joseph Ratzinger treffen sich an diesem Wochenende wieder in Castel
Gandolfo. Das Symposion beginnt am Freitag und endet am Sonntagmorgen mit einer gemeinsamen
Messe, die der emeritierte Papst Benedikt XVI. zelebriert. Zum zweiten Mal in Folge
nimmt der emeritierte Papst nur aus der Ferne an der Tagung des „Ratzinger-Schülerkreises“
teil. Das Thema in diesem Jahr ist die Theologie des Kreuzes, und als Vortragender
reist der Bonner Dogmatiker Karl Heinz Menke an. Einer seiner beiden Vorträge widmet
sich der Frage, „was das Kreuz Christi für alle Menschen aller Zeiten bedeutet“, erklärte
uns Pater Stephan Horn, der Sprecher des Schülerkreises.
„Das Thema ist
eines, das uns alle betrifft. Wir Christen wissen natürlich, dass wir der Liebe Gottes
im Kreuz Christi begegnen, aber was ist mit den anderen Menschen? Wie können die dem
Kreuz Christi begegnen? So begegnen, dass sie von daher eine Heilsmöglichkeit haben,
ohne dass aber sozusagen das Besondere, das für die Christen im Kreuz Christi da ist,
weggewischt würde. Das sind Grundfragen, die das Christsein betreffen.”
Der
andere Vortrag des Dogmatikers wird der Frage nachgehen, wie das Kreuz Christi als
Selbstoffenbarung des trinitarischen Gottes deutbar ist. Pater Horn erläutert:
„Der
Heilige Vater selber hat in seinem Jesusbuch einen anderen Akzent gesetzt. Er hat
vor allem die Frage nach der Sühne gestellt: wie also der Tod Jesu als Sühne verstanden
werden kann. Und er hat das von seiner Konzeption, die er schon jahrzehntelang hat,
neu beleuchtet, nämlich dass es hier nicht darum gehe, dass der Mensch sich mit Gott
versöhnen möchte, und von sich aus Sühne leisten möchte für Gott, sondern dass Gott
selber in seinem Sohn Sühne leistet, also Versöhnung schenkt – und dadurch eine ganz
positive Sicht des Kreuzes Christi da ist, dass Gott der Vater durch die Liebe des
Sohnes die Menschen mit sich versöhnen möchte.“
Ein um jeden Menschen
werbender Gott spricht somit aus Joseph Ratzingers Kreuzestheologie. Auch der 64-jährige
Dogmatiker Menke beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Theologie des Kreuzes,
der emeritierte Papst schätze ihn sehr und habe ihn deshalb zum Schülerkreis eingeladen,
sagte Horn. Als amtierendes Kirchenoberhaupt hatte Benedikt XVI. jedes Jahr an den
theologischen Debatten des „Schülerkreises“ teilgenommen; als Emeritus hingegen nicht
mehr. Wem das mehr Leid tut: dem Papst selbst oder seinen Schülern und Schülerinnen?
Pater Horn:
„Ich kann natürlich nicht den Ersatz für den Papst sehen! Auf
der einen Seite wäre er sicher sehr gern dabei. Auf der anderen Seite hat er nun seine
Lebensentscheidung getroffen, dass er ein kontemplatives Leben führen will, und er
will nun auf neue Weise im Schülerkreis verbunden bleiben. So Gott will, kann er noch
öfters die Heilige Messe mit uns feiern. Aber er trägt unsere Anliegen auch mit sich.
Wenn wir irgendein Symposion gestalten, unterrichten wir ihn, und er betet dafür und
ermutigt uns, zeigt dann seine Freude, wenn wir ihm davon erzählen. Wir können ihm
auch die Referate geben, sodass er sich hinein vertiefen kann. Und es ist durchaus
möglich, dass er mit Professor Menke dann in ein theologisches Gespräch eintritt.“