Sierra Leone: Ebola als Rebellenkrieg ohne Rebellen
Die Ebola-Epidemie
ist nicht kontrollierbar: Die WHO erklärte die Epidemie bereits zum weltweiten Gesundheitsnotfall
und ließ den Einsatz noch nicht erprobter Medikamente und Impfstoffe in den betroffenen
Ländern zu. Doch eine Panik und eine sich immer ausbreitende Katastrophe lässt sich
weiterhin den Schlagzeilen entnehmen. In Liberia ist wegen der Ebola-Epidemie eine
nächtliche Ausgangssperre von 21.00 bis 6.00 Uhr verhängt worden, und an der geschlossenen
Grenze von Liberia zu Sierra Leone erhielt die Armee den Befehl, laut lokalen Berichterstattungen,
jede Person in Sichtweite zu erschießen, die illegal das Land betreten wolle. Ebola-Patienten
sowie Ärzte flüchten aus Isolierstationen. Die humanitären Hilfseinrichtungen haben
alle Hände voll zu tun. So wie auch Bruder Lothar Wagner, der im Kinderschutzzentrum
Don Bosco Fambul in Freetown (Sierra Leone) tätig ist und von der österreichischen
Hilfsorganisation „Jugend eine Welt“ unterstützt wird. Er spricht von einer aussichtlosen
Situation…:
„…Wenn wir feststellen müssen, dass Ärzte und Krankenpfleger
die Krankenhäuser verlassen. Das gesamte Gesundheitssystem ist zusammengebrochen.
Menschen, die jetzt Malaria, Typhus, Cholera oder eine einfache Erkältung haben, bekommen
keine medizinische Versorgung mehr. Es gibt auch Panik unter den Menschen in Dörfern,
in welchen man Ebola-Patienten ausgemacht hatte. Dort werden Patienten verjagt, oder
sie werden aus Angst versteckt gehalten von der Familie. Es sind schon Dinge hier
im Gange, die uns ganz klare Richtlinien zeigen, dass wir hier ein gescheiterter Staat
sind: Unruhen, Plünderungen, Preise steigen, Menschen verlieren ihre Jobs. Es ist
wie im Rebellenkrieg – einfach ohne Rebellen. Der Feind ist nicht sichtbar, doch die
Konsequenzen und die Nebenbewirkung sind die gleichen wie im Rebellenkrieg.“
Die
Zahlen sprechen für sich: Insgesamt gibt es nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) mittlerweile mehr als 1.200 Tote und über 2.200 Infizierte. Das Ebola-Virus
war zunächst zu Jahresbeginn in Guinea aufgetaucht, im Grenzgebiet zwischen Sierra
Leone und Liberia. Es verbreitete sich rasch in den beiden Nachbarstaaten und erreichte
schließlich Nigeria. Dank der Organisation „Jugend eine Welt“ wird soeben in Freetown
ein neues Isolationsstation aufgebaut um ehemalige infizierte Kinder aufzunehmen oder
allein gelassene Kinder aufzunehmen. Sie werden von der Familie aus Angst vor Ansteckung
oder auch aufgrund des Aufklärungsmangels für „verhext“ gehalten und allein gelassen.
„Da
werden wir zur Zeit überlaufen in unseren Einrichtungen. Wir versuchen auch durch
Präventionsarbeit die Menschen zu beruhigen. Es gibt eine enorme Informationsflut,
die Menschen werden verwirrt. Durch Haus zu Haus Kampagnen und eine Telefonhotline
für Kinder, wo sich derzeit die Zahl der Anrufer vervierfacht und die Beratungsdauer
verdoppelt hat. Wir versuchen hier gezielt zu helfen und ich denke, dass die katholische
Kirche hier auf diesem Felde ganz gut aufgestellt ist, durch ein bereits bestehendes
gut funktionierendes soziales System.“
Die Salesianer Don Boscos bzw. „Don
Bosco Fambul“, wo auch Bruder Lothar eine Einrichtung, die sich vor allem um Straßenkinder
und Jugendliche in Not kümmert, sind in Freetown seit Jahren vor Ort und genießen
in der Bevölkerung hohes Vertrauen – im Gegensatz zu vielen Krankenhäusern, in denen
es in der Vergangenheit zu Fällen von Korruption und Fehldiagnosen kam. Außerdem gehen
beispielsweise in Liberia Gerüchte herum, dass die Krankheit nur eine Erfindung der
Regierung sei. Ebola gilt jedoch als eine der ansteckendsten und tödlichsten Krankheiten
weltweit - neun von zehn Menschen überleben das Virus nicht.
„Ich denke
die Situation ist derzeit ernst genug. Ich bin von morgens 6:00 bis abends 22:00 Uhr
in unseren sieben Einrichtungen hier. Es kommt zu Plünderungen, Menschen verlieren
ihre Jobs und ihre Lebensexistenz. Für mich und meine Mitbrüder ist klar, dass wir
in dieser Situation das Land nicht verlassen werden und können. Denn genau das wird
hier gebraucht. Qualifiziertes Personal, die vor Ort das Land auch kennen und hier
bleiben und den Menschen hier helfen. Denn das ist für mich auch die Nachricht Gottes:
Nicht nur in schönen Zeiten hier zu sein, sondern auch in Krisenzeiten! Jetzt hier
zu verschwinden, egal ob die Situation schlimmer wird, das wäre fatal.“