Die Ansprache beim Treffen mit Ordensgemeinschaften
Die Ansprache von Papst Franziskus beim Treffen mit den Ordensgemeinschaften in
Kkottongnae (Südkorea) beim „Training Center“, gehalten am 16. August 2014. Es handelt
sich um eine offizielle Übersetzung.
Liebe Brüder und Schwestern in
Christus, Herzlich grüße ich euch alle im Herrn. Es ist gut, heute bei euch zu
sein und diese Augenblicke der Gemeinschaft zu teilen. Die großartige Vielfalt der
Charismen und der Apostolate, die ihr vertretet, bereichern auf wunderbare Weise das
Leben der Kirche in Korea und darüber hinaus. Im Rahmen dieses Vespergottesdienstes,
wo wir den Lobpreis von Gottes unendlicher Güte und seiner Barmherzigkeit gesungen
haben, danke ich euch und all euren Brüdern und Schwestern für eure Bemühungen, das
Reich Gottes in diesem geschätzten Land aufzubauen. Ich danke Pater Hwang Seok-mo
und Schwester Scholastica Lee Kwang-ok, den Vorsitzenden der Koreanischen Konferenzen
höherer Ordensoberer männlicher und weiblicher Ordensinstitute und Gemeinschaften
des Apostolischen Lebens (Korean Conferences of Major Superiors of Men’s and Women’s
Religious Institutes and Societies of Apostolic Life), für ihre freundlichen Begrüßungsworte.
Die
Worte des Psalms, „Auch wenn mein Leib und mein Herz verschmachten, Gott ist der Fels
meines Herzens und mein Anteil auf ewig“ (Ps 73,26) laden uns ein, über unser eigenes
Leben nachzudenken. Der Psalmist strahlt freudiges Vertrauen auf Gott aus. Wir wissen
alle, das die Freude nicht alle Zeiten des Lebens auf gleiche Weise zum Ausdruck kommt,
dass aber in Augenblicken großer Schwierigkeiten „immer wenigstens ein Lichtstrahl
bleibt, der aus der persönlichen Gewissheit hervorgeht, jenseits von allem grenzenlos
geliebt zu sein“ (Evangelii Gaudium, 6). Die feste Überzeugung, von Gott geliebt zu
sein, steht im Mittelpunkt eurer Berufung: für andere ein berührbares Zeichen der
Gegenwart des Reiches Gottes zu sein, ein Vorgeschmack der ewigen Freuden des Himmels.
Nur wenn unser Zeugnis freudig ist, werden wir Männer und Frauen für Christus interessieren.
Und diese Freude ist ein Geschenk und wird durch das Gebetsleben, durch die Betrachtung
des Wortes Gottes, durch die Feier der Sakramente und durch das Gemeinschaftsleben
genährt. Wenn das fehlt, werden Schwächen und Schwierigkeiten aufkommen, um die Freude
niederzudrücken, die wir am Beginn unseres Ordenslebens so gut kannten.
Für
euch als gottgeweihte Männer und Frauen ist diese Freude im Geheimnis der Barmherzigkeit
des Vaters verwurzelt, die im Opfer Christi am Kreuz offenbart wurde. Ganz gleich,
ob das Charisma eures Instituts mehr auf die Kontemplation oder mehr auf das aktive
Leben gerichtet ist, seid ihr aufgefordert, besonders durch euer Gemeinschaftsleben
„Experten“ der göttlichen Barmherzigkeit zu werden. Aus Erfahrung weiß ich, dass das
Gemeinschaftsleben nicht immer einfach ist, aber es ist ein günstiges Übungsgelände
für das Herz. Es ist unrealistisch, keine Auseinandersetzungen zu erwarten; Missverständnisse
werden aufkommen und sie müssen gelöst werden. Trotz all dieser Schwierigkeiten sind
wir gerade im Gemeinschaftsleben gerufen, in Barmherzigkeit, in Langmut und vollkommener
Nächstenliebe zu wachsen.
Die Erfahrung von Gottes Barmherzigkeit, die
durch Gebet und Gemeinschaft genährt wird, muss allem, was ihr seid, und allem, was
ihr tut, Gestalt geben. Eure Keuschheit, eure Armut und euer Gehorsam werden ein freudiges
Zeugnis für Gottes Liebe sein in dem Maß, wie ihr fest auf dem Fels seiner Barmherzigkeit
steht. Das ist sicher der Fall hinsichtlich des religiösen Gehorsams. Reifer und großherziger
Gehorsam verlangt, dass ihr am Gebet mit Christus hängt, der in der Annahme der Knechtsgestalt
aus seinem Leiden Gehorsam erlernte (vgl. Perfectae Caritatis, 14). Da gibt es keine
Einschränkungen: Gott verlangt vollständig unsere Herzen ganz und das bedeutet, dass
wir „uns selbst loslassen“ und immer mehr „aus uns herausgehen“ müssen.
Eine
lebendige Erfahrung der unerschütterlichen Barmherzigkeit des Herrn stärkt den Wunsch,
die Vollkommenheit der Nächstenliebe zu erlangen, die aus der Reinheit des Herzens
geboren wird. Die Keuschheit bringt eure zielstrebige Hingabe zur Liebe Gottes zum
Ausdruck, der „die Kraft unserer Herzen“ ist. Wir alle wissen, was für ein persönliches
und anspruchsvolles Engagement das zur Folge hat. Versuchungen auf diesem Gebiet rufen
nach demütigem Gottvertrauen, Wachsamkeit und Ausdauer.
Durch den Evangelischen
Rat der Armut seid ihr fähig, Gottes Barmherzigkeit nicht nur als Quelle der Kraft,
sondern auch als einen Schatz zu erkennen. Selbst wenn wir müde sind, können wir ihm
unsere Herzen aufopfern, die von Sünde und Schwäche beladen sind; in diesen Zeiten,
wenn wir uns am hilflosesten fühlen, können wir uns nach Christus ausstrecken, der
„arm wurde, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9). Diese unsere fundamentale
Bedürftigkeit hinsichtlich Vergebung und Heilung ist in sich selbst eine Form der
Armut, die wir nie aus dem Blickfeld verlieren dürfen, ganz gleich wie sehr wir im
Tugendstreben vorankommen. Das sollte auch einen konkreten Ausdruck in eurer individuellen
und gemeinschaftlichen Lebensgestaltung finden. Ich denke besonders an die Notwendigkeit,
all jene Dinge zu vermeiden, die euch ablenken und dann Verwirrung und Ärgernis für
andere verursachen können. Im gottgeweihten Leben ist die Armut beides, eine „Mauer“
und eine „Mutter“. Sie ist eine „Mauer“, weil sie das gottgeweihte Leben schützt,
und sie ist eine „Mutter“, weil sie zu wachsen hilft und entlang des richtigen Weges
führt. Die Heuchelei jener gottgeweihten Männer und Frauen, welche die Gelübde der
Armut versprechen, dann aber wie der Reiche leben, verwundet die Seelen der Gläubigen
und schadet der Kirche. Denkt auch daran, wie gefährlich die Versuchung ist, eine
bloß funktionale, weltliche Mentalität anzunehmen, die uns dazu anleitet, unsere Hoffnung
allein auf menschliche Mittel zu setzen, und die das Zeugnis der Armut zerstört, die
unser Herr Jesus Christus gelebt und uns gelehrt hat.
Liebe Brüder und
Schwestern, macht alles, was ihr könnt, mit großer Demut, um zu zeigen, dass das gottgeweihte
Leben ein kostbares Geschenk für die Kirche und für die Welt ist. Behaltet es nicht
für euch selbst, verteilt es, indem ihr Christus in jeden Winkel dieses geschätzten
Landes bringt. Lasst eure Freude weiter Ausdruck finden in eurem Einsatz, Berufungen
zu wecken und zu fördern, und erkennt, dass ihr alle einen Anteil daran habt, die
gottgeweihten Männer und Frauen von morgen zu formen. Ganz gleich ob ihr mehr dem
kontemplativen oder dem apostolischen Leben zugehört – seid eifrig in eurer Liebe
zur Kirche in Korea und eurem Wunsch, durch euer eigenes, besonderes Charisma zu ihrer
Sendung beizutragen, das Evangelium zu verkünden und das Volk Gottes in Einheit, Heiligkeit
und Liebe aufzubauen.
Indem ich euch alle und in besonderer Weise die alten
und kranken Mitglieder eurer Gemeinschaften der liebenden Fürsorge Marias, der Mutter
der Kirche, empfehle, erteile ich euch meinen Segen als Unterpfand überreicher Gnaden
und des Friedens in Jesus, ihrem Sohn.