D: „Offener Antisemitismus“ – eine realistische Formulierung
Der Krieg in Gaza
erregt die Gemüter auch im deutschsprachigen Raum. Demonstrationen in deutschen Städten
holen den Konflikt ganz nah heran - Pro-Israel-Proteste genauso wie Pro-Palästinenser
Kundgebungen. Soweit - so demokratisch. Schlimm wird es allerdings, wenn sich unter
die palästinenserfreundlichen Demonstranten offen antisemitische Kräfte mischen, so
Karl Klein-Rusteberg. Er ist Geschäftsführer der Gesellschaft für christlich-jüdische
Zusammenarbeit in Essen, wo es am Wochenende zu Protesten kam. Im Interview mit dem
Domradio geht er auf die Befürchtungen des Zentralrats der Juden in Deutschland ein,
der von „offenem Antisemitismus“ spricht.
„Ich halte das nicht für eine
drastische, sondern für eine leider sehr realistische Formulierung.“
Jüdische
Organisationen finden in Deutschland derzeit keine ausreichende Unterstützung, so
Klein-Rusteberg.
„Es ist eher so eine Art von gleichgültigem Wohlwollen,
dass aber doch durch Falschinformationen und falsche Interpretationen über den Nahost-Konflikt
in große Distanzen umschlägt und in Verbindung gebracht wird mit den Juden in Deutschland.“
Die
Reaktionen aus der breiten Bevölkerung sei erschütternd, so Klein-Rusteberg. Gerade
in Essen ,wo Klein-Rusteberg tätig ist, mussten jüdische Einrichtungen unter Polizeischutz
gestellt werden. Ein solcher Schutz sei nötig, aber man müsse bedenken weshalb.
„Ich
habe bei meiner Rede bei der Gegenkundgebung am Freitag erwähnt, dass die Überwachungen
der jüdischen Einrichtungen insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland bisher interpretiert
wurden als Bewachung, um gegen eine Anfeindung von Alt- und Neonazis zu schützen.
Das ist in der Geschichte dieses Schutzes schlicht falsch. Die Geschichte dieses Schutzes
basiert auf Reaktionen auf das Olympiamassaker von 1972 in München, als Arafat und
seine terroristischen Freunde einige Mitglieder der israelischen Olympiamannschaft
ermordet haben. Seitdem ist der Schutz der jüdischen Einrichtungen in diesem Land
so drastisch geworden.“
Der Zentralrat der Juden ruft deshalb Politik,
Medien, Zivilgesellschaft und die muslimischen Verbände zu einem klaren Bekenntnis
gegen Antisemitismus auf. „Wir erleben hierzulande gerade eine Explosion an bösem
und gewaltbereiten Judenhass, die uns alle schockiert und bestürzt“, erklärte der
Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, am Montag in
Berlin. „Dass auf deutschen Straßen antisemitische Aufrufe der übelsten und primitivsten
Art skandiert werden können, hätten wir niemals im Leben mehr für möglich gehalten“,
heißt es in der Erklärung weiter.