2014-07-21 13:24:51

Italien: „Flüchtlinge sind keine Schachbrettfiguren“


RealAudioMP3 61 Menschen wurden vor der Küste Siziliens an diesem Montag von der italienischen Marine gerettet, auf dem Boot befanden sich außerdem fünf Tote Flüchtlinge. Die Zahl der Toten bei der Flüchtlingskatastrophe vom Samstag ist dagegen auf 30 gestiegen. Das berichtet an diesem Montag die italienische Nachrichtenagentur ANSA. Das völlig überladene Schiff war am Samstag etwa 150 Kilometer vor Lampedusa von einem dänischen Handelsschiff entdeckt worden. 566 Passagiere überlebten. Die meisten von ihnen kommen aus Syrien. Die Caritas des Bistums Bozen-Brixen appelliert an die Verantwortung und Solidarität in Italien und Europa, wie uns einer der beiden Südtiroler Caritas-Direktoren Heiner Schweigkofler sagt:

„Ich wurde gerade vor zwei Tagen persönlich sehr getroffen, als ich bei einer Frau mit vier Kindern war, die wir begleiten. Sie bekam einen Anruf von ihrem Sohn, der auf einem Flüchtlingsboot war und die Mutter anrief, weil dieses Boot drohte unterzugehen. Dieses Geschehen auf dem Mittelmeer hat mir gezeigt, wie dramatisch die Situation ist und wie die Mutter trauerte, denn diese Ungewissheit, was mit ihrem Sohn geschieht, das hat sie einfach fertig gemacht.“

Beinahe täglich erreichen neue Flüchtlinge – meist auf illegalem Weg – italienischen Boden. In Italien ist die Flüchtlingspolitik ein sehr schwieriges Thema, einerseits werde die Solidarität als wichtiges Argument angeführt, andererseits befürchten viele Italiener, dass die Masse der Flüchtlinge ein Problem sei.

„Wir als Caritas der Diözese Bozen-Brixen sehen beide Seiten: wir sehen, dass es Befürchtungen und Ängste gibt in unserer Bevölkerung, die einfach sagt, das seien so viele Flüchtlinge. Es sind in diesem Jahr bereits 73.000 Bootsflüchtlinge, die Italien erreicht haben. Wie soll ein Staat das bewältigen? Auf der anderen Seite sagen wir, dass es immer um jeden einzelnen Menschen geht und die dürfen nicht einfach wie Schachbrettfiguren gesehen werden, die hier einfach anonym verschoben werden. Wir fordern, dass diese Menschenwürde voll respektiert wird.“

Die italienische Regierung hat schon mehrmals die Europäische Union aufgefordert, mehr Hilfe für die Flüchtlingsaufnahme und Betreuung zur Verfügung zu stellen. In Italien selber bleiben die meisten Flüchtlinge nur vorübergehend. Die Zielländer sind meist andere.

„Eine besondere Herausforderung ist für die bestehende Strukturen – und das erleben wir so – dass wir beispielsweise dreimal 20 Flüchtlinge für Südtirol zugewiesen bekommen haben, und dies war jedes Mal so, dass wir innerhalb von 24 Stunden helfen sollten. Hier bräuchte es also noch stärkere Bemühungen von Seiten des Staates, um diese Koordination zu verbessern. Natürlich ist das eine große Zahl, wenn jetzt schon 73.000 Flüchtlinge gekommen sind. Man geht davon aus, dass es bis Ende des Jahres über 100.000 Flüchtlinge sein werden. Das ist weit mehr, als das, was vom nationalen Verteilungsplan vorgesehen ist.“

(rv 21.07.2014 mg)








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