2014-07-18 13:08:11

D: Frage nach Sterbehilfe ist in der Seelsorge nicht außergewöhnlich


RealAudioMP3 Unterschiedliche Reaktionen fanden die Äußerungen von Nikolaus Schneider, dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, zur Sterbehilfe. Schneider hatte erklärt, er sei grundsätzlich bereit, einen möglichen Wunsch seiner krebskranken Ehefrau nach Sterbehilfe zu unterstützen. Dass die Frage der Sterbehilfe oder des Suizids während einer schweren Erkrankung auftauche, sei nichts ungewöhnliches, sagt Pfarrer Matthias Schnegg, der seit Jahren schwer kranke Menschen seelsorgerisch begleitet:

„Das erlebe ich immer wieder und finde es auch ganz natürlich, dass der Mensch in einer Phase seiner Krankheit auch mit solchen Gedanken spielt. Es ist ja sehr oft das Streben nach Autonomie bis zum allerletzten Punkt. Und die Ahnung, dass man das durchhalten wird, kommt dann zu dem Schluss, lass es doch bitte nach meiner eigenen Terminierung zu Ende gehen."

Der katholische Seelsorger sagte im Interview mit dem Domradio ferner, in solchen Situationen höre er erstmal zu und begegne dem Wunsch nach Sterbehilfe nicht sofort mit moraltheologischen Argumenten.

„Ich sehe es wirklich als einen Moment, in dem der Mensch sich sehr intensiv mit seiner Krankheit, mit seiner Endlichkeit und mit dem Autonomieverlust auseinandersetzt. Und das ist eine ganz nachvollziehbare Anfrage. Meine Erfahrung ist bisher in allen seelsorglichen Kontexten, dass die Menschen, die das geäußert haben - sehr oft am Anfang einer Krankheit - es nachher nicht gemacht haben. Ich habe es noch nie erlebt, dass jemand bewusst, zum Beispiel in die Schweiz gefahren ist."

Die Angehörigen von schwer kranken Patienten befinden sich, so Schnegg, oft in einer schwierigen Situation.

„Die Angehörigen erschrecken sehr oft vor einer solchen Äußerung, dass es den Wunsch nach einer Sterbehilfe, nach einer aktiven Sterbehilfe, gibt. Auch da gilt es, das auszuhalten, dass die eben anders auf ein solches Geschehen schauen, als die Menschen, die jetzt in der Auseinandersetzung mit ihren eigenen Sterblichkeit sind."

Die großen christlichen Kirchen lehnen aktive Sterbehilfe bekanntlich ab. Pfarrer Schnegg findet es richtig, dass Christen hierzu eine eindeutige Position haben - auch wenn das individuelle Leiden oft komplexe Fragen aufwerfe.

„Auf der einen Seite ist es ganz wichtig, dass es eine Norm gibt, also die Orthodoxie, die Lehre, auf die man vom Grundsatz gesetzt ist. Und das andere ist Orthopraxie. Das, was im konkreten Leben geschieht, ist oft differenzierter und komplizierter, als es die Lehre fassen kann. Es gibt in der Theologie des Mittelalters bei Thomas von Aquin schon die Formulierung: Actio cum duplici effectu, also eine Handlung, die zwei Wirkungen hat. Das ist vermutlich eine Praxis, die Hausärzte schon über Jahrhunderte gehabt haben: Ich lindere Schmerzen mit dem Risiko, dass der Tod durch Atemlähmung zum Beispiel bei Morphinen schneller eintritt, als wenn es keine Schmerzmedikation gäbe."

(domradio/rv 18.07.2014 mch)










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