Österreich: Verantwortung der Religionen für Krieg und Frieden
Die Kirchen in Österreich bekennen sich zum gemeinsamen Einsatz für den Frieden und
wollen ihre eigene von Gewalt bestimmte Geschichte aufarbeiten. Das wurde zum Auftakt
der diesjährigen Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster deutlich. Die bereits
16. Sommerakademie mit rund 400 Teilnehmern steht in diesem Jahr unter dem Generalthema
„Gewalt im Namen Gottes. Die Verantwortung der Religionen für Krieg und Frieden“.
„Kirchen ergriffen Partei im Ersten Weltkrieg“
Die Kirchen
in den Kriegsnationen des Ersten Weltkrieges hätten damals eindeutig Partei ergriffen
und standen nicht auf Seiten des Friedens, betonte der Linzer Bischof Ludwig Schwarz
in seinen Eröffnungsworten. „Sie haben Gott für sich selbst vereinnahmt. Man tat innerhalb
der eigenen Nation so, als ob das Heil nur mit den eigenen Truppen möglich gewesen
wäre“, so Schwarz. „100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges gibt uns das
ein hartes Erbe auf.“ Den deutlichen Friedensappell von Papst Benedikt XV. habe man
in den Kriegsnationen nicht gehört. „Diese traurige Fehlentwicklung ist heute Anlass
für Selbstbesinnung und der Anlass für das gemeinsame Auftreten für Frieden“, so der
Bischof wörtlich.
Der evangelische Bischof Michael Bünker verwies als Vertreter
des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich auf das Sozialwort der christlichen
Kirchen. Es sei darin eindeutig die Frage gestellt, ob es wirklich gerechtfertigt
sei, Kriege unter dem Zeichen des Christlichen zu führen. Im Sozialwort sei auch der
Appell enthalten, dass diese Diskussion im Sinne von Friedenssicherung geführt werden
muss. Bünker erinnerte auch an die friedensstiftende Arbeit der Kirchen vor 25 Jahren
im Osten Deutschlands. Durch die Montagsgebete sei eine friedliche Veränderung Europas
ausgegangen. Bünker zitierte den vor wenigen Tagen verstorbene Pfarrer der Leipziger
Nikolaikirche: „Wir haben bei den Montagsgebeten zwei Dinge verteilt: ein Liederheft
und eine Kerze. Wer ein Liederheft in der einen Hand hat und eine Kerze in der anderen,
kann keinen Stein aufheben. Unsere Parole war: Keine Gewalt.“ - Das sei wohl die „kürzeste
Zusammenfassung der Bergpredigt“, so der evangelische Bischof.
Ein Skandal,
dem sich die Kirchen stellen müssen
Der neue Rektor der Katholisch-Theologischen
Privatuniversität Linz, Prof. Franz Gruber, sagte zum Thema der Sommerakademie, dass
das Thema einen „Skandal benennt, dem sich heute alle Religionen rigoros und ehrlich
stellen müssen“. Die Theologie habe sich deutlich zu Wort zu melden. Gruber merkte
allerdings an, dass im Grunde erst in den letzten Jahrzehnten in der Theologie begonnen
wurde, diese Verknüpfung von Religion und Gewalt aufzuarbeiten.
„Der Vorwurf
der Gewaltanwendung ist nicht den Religionen, sondern den Menschen zu machen, die
das Gotteswort missbrauchen“, zeigte sich der oberösterreichische Landeshauptmann
Josef Pühringer überzeugt. Für die Gegenwart sei ein Höchstmaß an Zusammenarbeit der
Religionen notwendig, um den Frieden zu sichern. Durch die Gründung und Arbeit des
Religionsbeirates im Land Oberösterreich werde hierzu ein wertvoller Beitrag geleistet.
Ziel sei der respektvolle Umgang der verschiedenen Glaubensrichtungen miteinander
und dies geschehe hier Schritt für Schritt.
Der oberösterreichische Superintendent
Gerold Lehner betonte in seinem Eröffnungsstatement, dass eine Gewalterfahrung - der
Tod Jesu am Kreuz - am Anfang des Christentums stehe. Das Kreuz sei Mitte des Christentums
und habe eine Schlüsselstellung des Glaubens. „Im Kreuz bildet sich eine Spannung
ab zwischen Wahrheit und Liebe.“ Der Umgang mit diesem Kreuzestod erfordere von den
Christen eine neue Umgangsform: „Jede Auflösung dieser Spannung, die die Liebe vergisst,
ist ein Verrat an Jesus Christus“, so der Superintendent.
Natur der
Gewalt - Natur der Religionen
Im ersten Vortrag der Sommerakademie
widmete sich der deutsche Philosoph Prof. Franz Josef Wetz der Frage nach der Natur
der Gewalt und deren Verbindung zu den Religionen: „Die monotheistischen Religionen
stehen dem Thema Gewalt ambivalent gegenüber. Gewalt ist in ihnen nicht grundgelegt,
sie geben Raum aber für Gewalt. Religionen haben beides: das Kriegerisch-Menschenverachtende
und das Friedlich-Menschenfreundliche.“
Laut Wetz müssen Möglichkeiten und
Räume geschaffen werden, um gewaltbereite Energien sozial verträglich ausleben zu
können. Religionen werfe er vor, dass sie hier durch ihre Sinnenfeindlichkeit nichts
beitragen.
Der Berliner Theologe Schieder stellte diesem Vorwurf entgegen,
dass gerade die Religionen einen enorm großen Beitrag zur Identitätsstiftung jedes
einzelnen Menschen leisten. Dies sei für einen guten Umgang mit der Gewaltbereitschaft,
mit der Endlichkeit und Begrenztheit des Menschen notwendig. Für religiöse Menschen
sei Gott die höchste Macht, dadurch hätten sie gegenüber anderen Machthabern einen
prinzipiellen Vorbehalt. „Wenn Macht mit Verantwortungsgefühl korrespondiert, ist
sie etwas Positives“, so Schieder. Es gebe allerdings auch totalitäre oder dualistisch-apokalyptische
Religionsformen, wo die Gewaltbereitschaft der Mitglieder hoch sei, räumte der Theologe
ein.
Die Ökumenische Sommerakademie im Stift Kremsmünster ging am Freitag
zuende. Veranstalter sind die Katholisch-Theologische Privatuniversität (KTU) Linz,
der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich, das Evangelischen Bildungswerk Oberösterreich,
die Linzer Kirchenzeitung, das Stift Kremsmünster und der ORF.