2014-07-12 12:59:11

Österreich: Verantwortung der Religionen für Krieg und Frieden


Die Kirchen in Österreich bekennen sich zum gemeinsamen Einsatz für den Frieden und wollen ihre eigene von Gewalt bestimmte Geschichte aufarbeiten. Das wurde zum Auftakt der diesjährigen Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster deutlich. Die bereits 16. Sommerakademie mit rund 400 Teilnehmern steht in diesem Jahr unter dem Generalthema „Gewalt im Namen Gottes. Die Verantwortung der Religionen für Krieg und Frieden“.

„Kirchen ergriffen Partei im Ersten Weltkrieg“

Die Kirchen in den Kriegsnationen des Ersten Weltkrieges hätten damals eindeutig Partei ergriffen und standen nicht auf Seiten des Friedens, betonte der Linzer Bischof Ludwig Schwarz in seinen Eröffnungsworten. „Sie haben Gott für sich selbst vereinnahmt. Man tat innerhalb der eigenen Nation so, als ob das Heil nur mit den eigenen Truppen möglich gewesen wäre“, so Schwarz. „100 Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges gibt uns das ein hartes Erbe auf.“ Den deutlichen Friedensappell von Papst Benedikt XV. habe man in den Kriegsnationen nicht gehört. „Diese traurige Fehlentwicklung ist heute Anlass für Selbstbesinnung und der Anlass für das gemeinsame Auftreten für Frieden“, so der Bischof wörtlich.

Der evangelische Bischof Michael Bünker verwies als Vertreter des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich auf das Sozialwort der christlichen Kirchen. Es sei darin eindeutig die Frage gestellt, ob es wirklich gerechtfertigt sei, Kriege unter dem Zeichen des Christlichen zu führen. Im Sozialwort sei auch der Appell enthalten, dass diese Diskussion im Sinne von Friedenssicherung geführt werden muss. Bünker erinnerte auch an die friedensstiftende Arbeit der Kirchen vor 25 Jahren im Osten Deutschlands. Durch die Montagsgebete sei eine friedliche Veränderung Europas ausgegangen. Bünker zitierte den vor wenigen Tagen verstorbene Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche: „Wir haben bei den Montagsgebeten zwei Dinge verteilt: ein Liederheft und eine Kerze. Wer ein Liederheft in der einen Hand hat und eine Kerze in der anderen, kann keinen Stein aufheben. Unsere Parole war: Keine Gewalt.“ - Das sei wohl die „kürzeste Zusammenfassung der Bergpredigt“, so der evangelische Bischof.

Ein Skandal, dem sich die Kirchen stellen müssen

Der neue Rektor der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz, Prof. Franz Gruber, sagte zum Thema der Sommerakademie, dass das Thema einen „Skandal benennt, dem sich heute alle Religionen rigoros und ehrlich stellen müssen“. Die Theologie habe sich deutlich zu Wort zu melden. Gruber merkte allerdings an, dass im Grunde erst in den letzten Jahrzehnten in der Theologie begonnen wurde, diese Verknüpfung von Religion und Gewalt aufzuarbeiten.

„Der Vorwurf der Gewaltanwendung ist nicht den Religionen, sondern den Menschen zu machen, die das Gotteswort missbrauchen“, zeigte sich der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer überzeugt. Für die Gegenwart sei ein Höchstmaß an Zusammenarbeit der Religionen notwendig, um den Frieden zu sichern. Durch die Gründung und Arbeit des Religionsbeirates im Land Oberösterreich werde hierzu ein wertvoller Beitrag geleistet. Ziel sei der respektvolle Umgang der verschiedenen Glaubensrichtungen miteinander und dies geschehe hier Schritt für Schritt.

Der oberösterreichische Superintendent Gerold Lehner betonte in seinem Eröffnungsstatement, dass eine Gewalterfahrung - der Tod Jesu am Kreuz - am Anfang des Christentums stehe. Das Kreuz sei Mitte des Christentums und habe eine Schlüsselstellung des Glaubens. „Im Kreuz bildet sich eine Spannung ab zwischen Wahrheit und Liebe.“ Der Umgang mit diesem Kreuzestod erfordere von den Christen eine neue Umgangsform: „Jede Auflösung dieser Spannung, die die Liebe vergisst, ist ein Verrat an Jesus Christus“, so der Superintendent.

Natur der Gewalt - Natur der Religionen

Im ersten Vortrag der Sommerakademie widmete sich der deutsche Philosoph Prof. Franz Josef Wetz der Frage nach der Natur der Gewalt und deren Verbindung zu den Religionen: „Die monotheistischen Religionen stehen dem Thema Gewalt ambivalent gegenüber. Gewalt ist in ihnen nicht grundgelegt, sie geben Raum aber für Gewalt. Religionen haben beides: das Kriegerisch-Menschenverachtende und das Friedlich-Menschenfreundliche.“

Laut Wetz müssen Möglichkeiten und Räume geschaffen werden, um gewaltbereite Energien sozial verträglich ausleben zu können. Religionen werfe er vor, dass sie hier durch ihre Sinnenfeindlichkeit nichts beitragen.

Der Berliner Theologe Schieder stellte diesem Vorwurf entgegen, dass gerade die Religionen einen enorm großen Beitrag zur Identitätsstiftung jedes einzelnen Menschen leisten. Dies sei für einen guten Umgang mit der Gewaltbereitschaft, mit der Endlichkeit und Begrenztheit des Menschen notwendig. Für religiöse Menschen sei Gott die höchste Macht, dadurch hätten sie gegenüber anderen Machthabern einen prinzipiellen Vorbehalt. „Wenn Macht mit Verantwortungsgefühl korrespondiert, ist sie etwas Positives“, so Schieder. Es gebe allerdings auch totalitäre oder dualistisch-apokalyptische Religionsformen, wo die Gewaltbereitschaft der Mitglieder hoch sei, räumte der Theologe ein.

Die Ökumenische Sommerakademie im Stift Kremsmünster ging am Freitag zuende. Veranstalter sind die Katholisch-Theologische Privatuniversität (KTU) Linz, der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich, das Evangelischen Bildungswerk Oberösterreich, die Linzer Kirchenzeitung, das Stift Kremsmünster und der ORF.

(kap 12.07.2014 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.