2014-07-11 11:02:32

Nuntius im Irak: „Nur ein Wunder kann das Schlimmste verhindern“


RealAudioMP3 Das Wort Irak reimt sich immer mehr auf Instabilität. Eine handlungsfähige Regierung gibt es nicht, im Norden bildet sich ein Terror-Kalifat, und Kurdistan wittert die Chance zur Abspaltung. Zwischen allen Stühlen: die Christen. Viele sind aus Mossul in Städte oder Dörfer der Umgebung geflohen. Erzbischof Giorgio Lingua ist Päpstlicher Nuntius in Jordanien und dem Irak; wir erreichten ihn telefonisch in Bagdad.

„Unsere Hauptsorge besteht im Moment darin, den Christen, die aus Mossul geflohen sind, Trinkwasser zu verschaffen. Die versuchen sogar, Brunnen zu graben. Das andere Problem ist der fehlende Strom in den Dörfern, die von Christen bewohnt werden. Vorher kam der Strom von Mossul, aber die Leitungen sind unterbrochen. In psychologischer Hinsicht leben die Christen in großer Angst und Unsicherheit. Natürlich überlegen viele, wie sie jetzt das Land verlassen könnten. In humanitärer Hinsicht allerdings ist viel passiert, da kümmern sich Christen auch um muslimische Flüchtlinge, indem sie ihre Schulen für sie öffnen und ihnen provisorische Unterkünfte verschaffen.“

Am gefährlichsten ist – für Christen wie für Muslime – die Gegend, die direkt an den neuen „Islamischen Staat“ grenzt. Keiner wisse eben, womit die Terroristen sich zufriedengäben und wie weit sie ihr Gebiet noch ausdehnen wollten, sagt der Nuntius. Sicher seien immerhin die von den Kurden kontrollierten Gebiete. Was die Zukunft bringen werde, sei wirklich schwer zu sagen. Lingua:

„Zivilgesellschaft sollte nicht nur zuschauen“

„Für mich hängt das sehr davon ab, inwiefern die Zentralregierung in der Lage sein wird, gerecht und inklusiv, offen für alle Gruppen der Bevölkerung, mit der Situation umzugehen. Gebraucht werden ein Parlament, das funktioniert, und eine Regierung, die funktioniert – erst dann wird man überhaupt abschätzen können, was sich erreichen ließe. Mir scheint auch wichtig, dass die irakische Zivilgesellschaft sich die Lage klarmacht; sie kann nicht einfach zuschauen und darauf warten, dass die Politiker etwas tun. Oft werden nämlich die Politiker von Sonderinteressen geleitet, während die Zivilgesellschaft sich mehr am Gemeinwohl orientieren könnte.“

Wenn wirklich alle in das „Projekt einer Zukunft des Irak“ einbezogen würden, dann würden auch die Terroristen vom „Islamischen Staat“ schnell die Unterstützung durch sunnitische Stämme verlieren, glaubt der Päpstliche Nuntius in Bagdad.

„Die sind so schnell (in Mossul) eingezogen, weil es so viel Unzufriedenheit gab. In dem Moment, in dem sich alle Gruppen auf dem Level der Zentralregierung vertreten fühlen, werden diese Kräfte ihre lokale Unterstützung einbüßen.“

Der Trend geht aber im Moment eher in die andere Richtung. Das weiß der Nuntius. Darum rät er zum Gebet.

„Wir brauchen ein Wunder, damit die Lage nicht noch schlimmer wird und damit es nicht zu Kämpfen kommt. Selbst wenn das die Lage teilweise lösen oder zu einer teilweisen Rückeroberung des Territoriums führen sollte, würde es doch zu neuen Opfern führen und zu neuer Unzufriedenheit. Man sollte alles tun, damit es nicht zu einem grausamen, bewaffneten Schlagabtausch kommt!“

(rv 11.07.2014 sk)








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