Die Vereinbarkeit
von Beruf und Familie ist ein Gradmesser für die „menschliche Qualität” unseres Wirtschaftssystems.
Das sagte Papst Franziskus bei einem Pastoralbesuch in der süditalienischen Region
Molise. Er dankte einer jungen Arbeiterin und zweifachen Mutter, die in ihrer Rede
vor dem Papst auf die Schwierigkeiten vieler berufstätiger Frauen und Männer hinwies,
die Familie haben. Sie wünsche sich einen Betriebskindergarten und ein Nein zur Sonntagsarbeit,
sagte die Frau vor dem Papst und Zehntausenden Menschen, die Franziskus einen begeisterten
Empfang in ihrer Region bereitet hatten. Die Sonntagsarbeit, sagte Franziskus, betreffe
nicht nur die Katholiken, sondern alle, und zwar „als ethische Wahl“.
„Die
Frage ist: Wo wollen wir unsere Prioritäten setzen? Der arbeitsfreie Sonntag – ausgenommen
die notwendigen Dienste – bestätigt doch, dass die Priorität nicht dem Wirtschaftlichen
gehört, sondern dem Menschlichen, dem Schenken; nicht den Handelsbeziehungen, sondern
den Beziehungen der Familie und der Freundschaften, für die Gläubigen auch den Beziehungen
mit Gott und der Gemeinde. Vielleicht ist der Moment gekommen, uns zu fragen, ob die
Sonntagsarbeit eine wirkliche Freiheit ist.“
Gott sei ein Gott der Überraschungen,
fuhr Franziskus fort, ein Gott, der „die Schemata durchbricht“, damit wir freier werden.
Franziskus sagte, er unterstütze die Arbeiter und Unternehmer im Verlangen
nach einem „Pakt für Arbeit“ in der Region Molise. Eine solche Strategie gelte es
mit den italienischen Behörden zusammen ins Werk zu setzen, auch unter Nutzung europäischer
Strukturangebote. Besonders hob der Papst die Bedeutung von Forschung und Bildung
für die zukünftige Arbeitswelt hervor. Gleichzeitig ermutigte er die Arbeit der Bauern;
zuvor hatte ein junger, akademisch gebildeter Landwirt über die Hingabe gesprochen,
mit der er diese Tätigkeit ausübe.
„Das Bleiben des Bauern auf der Erde
heißt nicht Stillstand. Es heißt, einen Dialog zu führen, einen fruchtbaren und kreativen
Dialog. Es ist der Dialog des Menschen mit seiner Erde, der die Erde erblühen und
sie für uns alle fruchtbar werden lässt. Was ihr über das „Hüten“ der Erde gesagt
hat, teile ich voll und ganz. So trägt die Erde Frucht, ohne ausgebeutet zu werden.
Das ist eine der größten Herausforderungen unserer Epoche: umzukehren zu einer Entwicklung,
die die Schöpfung zu respektieren weiß. Ich sehe es in Amerika, meiner Heimat: so
viel Urwald ist kahl geworden, Erde, die man nicht mehr bebauen kann, die kein Leben
gibt. Das ist unsere Sünde: die Erde auszubeuten und nicht abzuwarten, dass sie uns
mithilfe der Anbautechnik gibt, was in ihr ist.“
Mehrmals griff der Papst
in seiner Rede vor den „Angehörigen der Welt der Arbeit“ seine Vorredner auf, Menschen,
die ihre Zeugnisse vorgetragen hatten; seine vorbereitete Ansprache verdoppelte sich
auf diese Art und Weise. An einen jungen Arbeiter gewandt, der über „Würde“ gesprochen
hatte, sagte der Papst, das Schlimme an der Arbeitslosigkeit sei nicht so sehr der
Fakt, nicht mehr das Lebensnotwendige zu haben.
„Wir können jeden Tag etwas
essen: Wir gehen zur Caritas oder einer anderen Organisation, und sie geben uns zu
essen. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, kein Brot nach Hause zu bringen:
das ist schlimm, das nimmt die Würde! Deshalb müssen wir arbeiten und unsere Würde
verteidigen, die uns die Arbeit gibt.“
Am Ende seiner Rede erinnerte sich
Papst Franziskus an eine persönliche Episode mit einem Mitbruder, die mit Campobasso
zu tun hat: Als Provinzial der Jesuiten in Argentinien habe er eines Tages einen Mitbruder
zum Dienst in die Antarktis entsenden müssen, als Kaplan für zehn Monate im Jahr im
Ewigen Eis. Dieser Pater sei aus Campobasso gewesen, sagte Franziskus unter dem Jubel
der Anwesenden, die den Papst auch während seiner Ansprache immer wieder mit Applaus
unterbrochen hatten.