2014-07-05 10:01:22

Papst in Molise: Ja zum arbeitsfreien Sonntag


RealAudioMP3 Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein Gradmesser für die „menschliche Qualität” unseres Wirtschaftssystems. Das sagte Papst Franziskus bei einem Pastoralbesuch in der süditalienischen Region Molise. Er dankte einer jungen Arbeiterin und zweifachen Mutter, die in ihrer Rede vor dem Papst auf die Schwierigkeiten vieler berufstätiger Frauen und Männer hinwies, die Familie haben. Sie wünsche sich einen Betriebskindergarten und ein Nein zur Sonntagsarbeit, sagte die Frau vor dem Papst und Zehntausenden Menschen, die Franziskus einen begeisterten Empfang in ihrer Region bereitet hatten. Die Sonntagsarbeit, sagte Franziskus, betreffe nicht nur die Katholiken, sondern alle, und zwar „als ethische Wahl“.

„Die Frage ist: Wo wollen wir unsere Prioritäten setzen? Der arbeitsfreie Sonntag – ausgenommen die notwendigen Dienste – bestätigt doch, dass die Priorität nicht dem Wirtschaftlichen gehört, sondern dem Menschlichen, dem Schenken; nicht den Handelsbeziehungen, sondern den Beziehungen der Familie und der Freundschaften, für die Gläubigen auch den Beziehungen mit Gott und der Gemeinde. Vielleicht ist der Moment gekommen, uns zu fragen, ob die Sonntagsarbeit eine wirkliche Freiheit ist.“

Gott sei ein Gott der Überraschungen, fuhr Franziskus fort, ein Gott, der „die Schemata durchbricht“, damit wir freier werden.

Franziskus sagte, er unterstütze die Arbeiter und Unternehmer im Verlangen nach einem „Pakt für Arbeit“ in der Region Molise. Eine solche Strategie gelte es mit den italienischen Behörden zusammen ins Werk zu setzen, auch unter Nutzung europäischer Strukturangebote. Besonders hob der Papst die Bedeutung von Forschung und Bildung für die zukünftige Arbeitswelt hervor. Gleichzeitig ermutigte er die Arbeit der Bauern; zuvor hatte ein junger, akademisch gebildeter Landwirt über die Hingabe gesprochen, mit der er diese Tätigkeit ausübe.

„Das Bleiben des Bauern auf der Erde heißt nicht Stillstand. Es heißt, einen Dialog zu führen, einen fruchtbaren und kreativen Dialog. Es ist der Dialog des Menschen mit seiner Erde, der die Erde erblühen und sie für uns alle fruchtbar werden lässt. Was ihr über das „Hüten“ der Erde gesagt hat, teile ich voll und ganz. So trägt die Erde Frucht, ohne ausgebeutet zu werden. Das ist eine der größten Herausforderungen unserer Epoche: umzukehren zu einer Entwicklung, die die Schöpfung zu respektieren weiß. Ich sehe es in Amerika, meiner Heimat: so viel Urwald ist kahl geworden, Erde, die man nicht mehr bebauen kann, die kein Leben gibt. Das ist unsere Sünde: die Erde auszubeuten und nicht abzuwarten, dass sie uns mithilfe der Anbautechnik gibt, was in ihr ist.“

Mehrmals griff der Papst in seiner Rede vor den „Angehörigen der Welt der Arbeit“ seine Vorredner auf, Menschen, die ihre Zeugnisse vorgetragen hatten; seine vorbereitete Ansprache verdoppelte sich auf diese Art und Weise. An einen jungen Arbeiter gewandt, der über „Würde“ gesprochen hatte, sagte der Papst, das Schlimme an der Arbeitslosigkeit sei nicht so sehr der Fakt, nicht mehr das Lebensnotwendige zu haben.

„Wir können jeden Tag etwas essen: Wir gehen zur Caritas oder einer anderen Organisation, und sie geben uns zu essen. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, kein Brot nach Hause zu bringen: das ist schlimm, das nimmt die Würde! Deshalb müssen wir arbeiten und unsere Würde verteidigen, die uns die Arbeit gibt.“

Am Ende seiner Rede erinnerte sich Papst Franziskus an eine persönliche Episode mit einem Mitbruder, die mit Campobasso zu tun hat: Als Provinzial der Jesuiten in Argentinien habe er eines Tages einen Mitbruder zum Dienst in die Antarktis entsenden müssen, als Kaplan für zehn Monate im Jahr im Ewigen Eis. Dieser Pater sei aus Campobasso gewesen, sagte Franziskus unter dem Jubel der Anwesenden, die den Papst auch während seiner Ansprache immer wieder mit Applaus unterbrochen hatten.

(rv 05.07.2014 gs)








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