Kardinal Kasper „enttäuscht“ und „entsetzt“ über EKD-Papier
Der deutsche Kurienkardinal
Walter Kasper kritisiert scharf das jüngste Dokument der Evangelischen Kirche Deutschlands,
kurz EKD, zum Reformationsjubiläum. Die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“
von 1999 werde darin „mit keinem Wort auch nur erwähnt“, so Kasper. Das habe ihn „enttäuscht“,
und die Art und Weise, wie die „von vielen Seiten geäußerte Kritik“ zurückgewiesen
wurde, habe ihn „entsetzt“. Kasper war bis 2010 als Präsident des vatikanischen Einheitsrates
der Ökumene-Verantwortliche des Vatikans; er äußerte sich an diesem Dienstag schriftlich
gegenüber Radio Vatikan.
Wörtlich schreibt Kardinal Kasper: „Sind wir in Deutschland
wirklich so weit, dass die bloße Erwähnung eines wichtigen ökumenischen Dokuments
für die Gemeinden in der EKD eine Belastung darstellt? Sollte das wirklich die Meinung
der EKD sein, dann muss sie sich fragen, ob sie noch als ein ernsthafter ökumenischer
Partner gelten will.“ 2017 wollen die Kirchen der Reformation den 500. Jahrestag des
Thesenanschlags von Martin Luther in Wittenberg begehen. Mitte Mai 2014 hat die EKD
dazu ein Grundlagenpapier mit dem Titel „Rechtfertigung und Freiheit“ veröffentlicht,
das von einer Kommission des Rates der EKD unter Leitung von Professor Christoph Markschies
erstellt wurde.
„Nationalkirchliche Eigenbrötelei“
Die
„Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ von 1999 bedeutet einen ökumenischen
Meilenstein, weil sie in einem zentralen Streitpunkt der Reformation einen Konsens
herstellte. Dass sie im neuen EKD-Text nicht vorkommt, nennt Kardinal Kasper „nicht
nur eine Absage an den katholischen Partner, sondern ebenso an den Lutherischen Weltbund,
der dieses Dokument aufgrund eines Magnus consensus der weltweiten Lutherischen Kirchen
durch den damaligen Präsidenten, ein deutscher Landesbischof, unterzeichnet hat“.
Der Weltbund habe es unlängst in einer gemeinsam mit dem vatikanischen Einheitsrat
veröffentlichten Erklärung zum Reformationsjubiläum „nochmals ausführlich positiv
gewürdigt“, betont Kasper. Er weist auch darauf hin, dass der Weltrat der methodistischen
Kirchen sich die Gemeinsame Erklärung 2006 in Seoul/Südkorea zu eigen gemacht habe.
„Die Anglikanische Gemeinschaft hat sich ebenfalls grundsätzlich positiv geäußert,
und bei meinem jüngsten Aufenthalt in den Vereinigten Staaten vor wenigen Wochen ist
mir von allen Seiten nichts anderes gesagt worden“, so der Kardinal.
Wörtlich
fährt Kasper fort: „Der Kritik namhafter evangelischer Reformationshistoriker, das
Papier der EKD sei eine dogmatische Geschichtsdeutung, kann man aus katholischer Sicht
nur zustimmen. Vielleicht sollten wir im Blick auf 2017 statt nationalkirchlicher
konfessionalistischer Eigenbrötelei gemeinsam der im Guten wie im Schlechten gemeinsamen
Geschichte der letzten 500 Jahre nachgehen, um uns gemeinsam den gemeinsamen heutigen
Herausforderungen zu stellen.“