Irak: „Christen sind in Gefahr wie alle anderen auch"
Sie sind die amtlichen
Friedensstifter des Papstes: die Apostolischen Nuntien, also Botschafter des Heiligen
Stuhles auf Mission in den Ländern der Welt. Erzbischof Giorgio Lingua ist seit 2010
Nuntius in Irak und Jordanien; er hat den derzeit vielleicht heikelsten Posten der
vatikanischen Diplomatie. Das Vorrücken der Islamistengruppe ISIS oder ISIL gegen
Bagdad sieht er deshalb mit großer Sorge, weil es so schwer sei, „irgendwelche politischen
Lösungen zu sehen“. Das sagte Erzbischof Lingua im Gespräch mit Radio Vatikan.
„Der
Frieden ist in großer Gefahr. Wir sehen das große Risiko einer Auseinandersetzung
zwischen einzelnen Gruppen. Es ist keine andere Lösung als die zu sehen, diese Kämpfe
zu stoppen, um die nationale Versöhnung voranzubringen. Es bräuchte Verhandlungen
zwischen sämtlichen Kräften im Feld.“
Die christlichen Gemeinden im Irak
seien im Moment nicht mehr und nicht weniger in Gefahr als alle anderen Menschen im
Zweistromland, sagt der Nuntius.
„Abgesehen von der Angst, in der alle
leben, wurden die christlichen Gemeinden nicht direkt angegriffen. Ich habe erfahren,
dass die Kräfte der ISIL („Islamischer Staat im Irak und in der Levante“) sogar zum
syrisch-katholischen Bischof von Mossul gegangen sind, um ihn zu fragen, ob sie ihm
irgendwie helfen können. Das beruhigt einerseits, denn offenbar besteht die Absicht,
die Bevölkerung und auch die Christen nicht zu attackieren. Andererseits ist es vielleicht
sogar noch beunruhigender, weil es bedeutet, dass dahinter eine sehr ernsthafte Strategie
steckt.“
Würde ein Militärschlag von außen die Lage entschärfen? Seit
Tagen debattiert die internationale Politik darüber. Die vatikanische Haltung zu dieser
Frage ist klar.
„Meiner Meinung nach wäre ein Militärschlag eine Katastrophe,
wie immer! Waffen können keine Probleme lösen, sie schaffen nur neue. Was es hingegen
braucht, ist Vernunft und politische Verantwortliche, die für das Wohl aller und nicht
bloß einer Seite arbeiten wollen.“
Erzbischof Lingua plädiert für eine
Entwaffnung der Bevölkerung.
„Man muss gegen den Strom gehen. Leider bewaffnet
sich die Bevölkerung derzeit, und es wurde dazu aufgerufen, die Waffen auch zu benutzen.
Man muss die eigenen Ambitionen beiseitelassen! Mein Wunsch wäre, dass die Waffen
schweigen und man sich zusammensetzt, um miteinander zu reden und eine Lösung zu finden,
mit der alle einverstanden sind. Deshalb bitte ich die Gläubigen um ihr Gebet, um
diese Situation aufzuhalten.“
Die Kämpfer der ISIL – auch „ISIS” für „Islamischer
Staat im Irak und in Syrien” genannt – haben seit vergangener Woche weite Gebiete
im Nordirak erobert und stehen vor Bagdad. Die Bedrohung für die gesamte Nahost-Region
wird als so groß eingeschätzt, dass die Erzfeinde USA und Iran eine gemeinsame Front
gegen das Vorrücken der Dschihadisten erwägen.