Papstbotschaft zum Missionssonntag: Die Kirche ist im Aufbruch geboren
Die Botschaft von Papst Franziskus anlässlich des Weltmissionssonntages am 18. Oktober
dieses Jahres.
Liebe Brüder und Schwestern,
auch heute gibt es noch
viele Menschen, die Jesus Christus nicht kennen. Deshalb bleibt die Mission ad Gentes
von großer Dringlichkeit. Alle Mitglieder der Kirche sind berufen, dazu beizutragen,
da die Kirche ihrem Wesen nach missionarisch ist: die Kirche ist „im Aufbruch“ geboren.
Der Weltmissionssonntag bietet den Gläubigen auf den verschiedenen Kontinenten eine
besondere Gelegenheit, durch das Gebet und konkrete Gesten der Solidarität junge Kirchen
in den Missionsländern zu unterstützen. An diesem Tag stehen Gnade und Freude im Mittelpunkt
der Feiern. Gnade, weil der Heilige Geist, den der Vater gesandt hat, allen, die sich
seinem Wirken fügen, Weisheit und Kraft schenkt. Freude, weil Jesus Christus, der
Sohn des Vaters, der gesandt wurde, um die Welt zu evangelisieren, unsere missionarischen
Werke unterstützt und begleitet. Im Hinblick auf die Freude Jesu und der Jünger, die
als Missionare ausgesandt werden, möchte ich eine biblische Episode heranziehen, die
wir im Lukasevangelium finden (vgl. 10,21-23).
1. Der Evangelist berichtet,
dass der Herr die zweiundsiebzig Jünger zu zweit in die Städte und Ortschaften entsandte,
um das Herannahen des Reiches Gottes zu verkünden und die Menschen auf die Begegnung
mit Jesus vorzubereiten. Nachdem sie diesen Verkündigungsauftrag erfüllt hatten, kehrten
die Jünger voll Freude zurück: Die Freude ist ein dominantes Thema dieser unvergesslichen
ersten Missionserfahrung. Der göttliche Meister sagte zu ihnen: » „Freut euch nicht
darüber, dass euch die Geister gehorchen, sondern freut euch darüber, dass eure Namen
im Himmel verzeichnet sind“. In dieser Stunde rief Jesus, vom Heiligen Geist erfüllt,
voll Freude aus: „Ich preise dich, Vater”. […] Und den Jüngern zugewandt sagte er
zu ihnen allein: „Selig sind die, deren Augen sehen, was ihr seht” « (Lk 10,20-21.23).
Dabei
hat Lukas drei Szenen gezeigt. Zuerst sprach Jesus zu den Jüngern. Dann wandte er
sich an den Vater, und danach sprach er erneut zu ihnen. Jesus wollte seine Freude
mit den Jüngern teilen, eine Freude, die anders war und jene übertraf, die sie selbst
verspürt hatten.
2. Die Jünger waren voll Freude, begeistert von der Vollmacht,
die Menschen von den Dämonen zu befreien. Doch Jesus warnte sie davor, sich nicht
so sehr über die empfangene Vollmacht zu freuen, als vielmehr über die Liebe, die
sie empfangen hatten: «Freut euch darüber, dass eure Namen im Himmel verzeichnet sind“
(Lk 10,20). In der Tat war ihnen die Erfahrung der Liebe Gottes geschenkt worden und
auch die Möglichkeit, diese weiterzugeben. Und diese Erfahrung der Jünger ist für
Jesus Anlass zu freudiger Dankbarkeit im Herzen. Lukas hat diesen Jubel in der Sicht
der trinitarischen Gemeinschaft erfasst: Jesus jubelte, „vom Heiligen Geist erfüllt,
voll Freude“ und wandte sich an den Vater, um ihn zu preisen. Dieser Moment inniger
Freude entsprang der tiefen Liebe Jesu als Sohn zu seinem Vater, dem Herrn des Himmels
und der Erde, der all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart
hat. (vgl. Lk 10,21). Gott hat verborgen und offenbart, und in diesem Lobgebet tritt
vor allem das Offenbaren hervor. Was hat Gott offenbart und verborgen? Die Geheimnisse
seines Reiches, die Errichtung der göttlichen Herrschaft in Jesus und den Sieg über
den Satan.
Gott hat dies alles jenen verborgen, die zu sehr von sich selbst
eingenommen sind und meinen, schon alles zu wissen. Sie sind von der eigenen Vermessenheit
gleichsam geblendet und lassen Gott keinen Raum. Man mag leicht an einige Zeitgenossen
Jesu denken, die er immer wieder ermahnt hat; doch diese Gefahr besteht zu jeder Zeit,
und sie betrifft auch uns. Die „Unmündigen“ sind hingegen die Demütigen, die Einfachen,
die Armen, die Ausgegrenzten, die, die keine Stimme haben, erschöpft und unterdrückt
sind – diese bezeichnet Jesus als „Selige“. Man mag leicht an Maria, an Josef, an
die Fischer von Galiläa und an die Jünger denken, die Jesus auf seinem Weg während
seiner Predigttätigkeit berufen hat.
3. „Ja Vater, so hat es dir gefallen“
(Lk 10,21). Diesen Ausruf Jesu versteht man in Bezug zu seiner inneren Freude, wo
das Gefallen auf einen wohlwollenden Heilsplan des Vaters für die Menschen hinweist.
Vor dem Hintergrund dieser göttlichen Güte hat Jesus frohlockt, denn der Vater hat
beschlossen, die Menschen so zu lieben, wie Er seinen Sohn geliebt hat. Lukas berichtet
auch von einer ähnlichen Freude bei Maria, „Meine Seele preist die Größe des Herrn,
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ (Lk 1,46-47). Hier geht es um die
Frohe Botschaft, die zur Erlösung führt. Maria trug Jesus in ihrem Schoß, den Evangelisierer
schlechthin; sie besuchte Elisabeth, wo sie vom Heiligen Geist erfüllt vor Freude
jubelte und das Magnifikat sang. Als Jesus sah, dass die Jünger ihren Auftrag erfolgreich
erfüllt hatten und daher voll Freude waren, frohlockte auch er im Heiligen Geist und
wandte sich im Gebet an den Vater. In beiden Fällen geht es um die Freude über die
stattfindende Erlösung, da die Liebe, mit der der Vater seinen Sohn liebt, bis zu
uns gelangt und durch das Wirken des Heiligen Geistes uns umhüllt und in das Leben
der Dreifaltigkeit eintreten lässt.
Der Vater ist der Quell der Freude. Der
Sohn ist deren Offenbarung und der Heilige Geist beseelt uns mit ihr. Gleich nach
dem Lobpreis des Vaters lädt uns Jesus ein, wie der Evangelist Matthäus sagt: „Kommt
alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch
Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir, denn ich bin gütig und
von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt
nicht und meine Last ist leicht“ (11,28-30). „Die Freude des Evangeliums erfüllt das
Herz und das gesamte Leben derer, die Jesus begegnen. Diejenigen, die sich von ihm
retten lassen, sind befreit von der Sünde, von der Traurigkeit, von der inneren Leere
und von der Vereinsamung. Mit Jesus Christus kommt immer – und immer wieder – die
Freude“ (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 1).
Diese Begegnung mit
Christus hat die Jungrau Maria auf einzigartige Weise erfahren und wurde damit „causa
nostrae laetitiae“ [Ursache unserer Freude]. Die Jünger hingegen wurden berufen, bei
Jesus zu sein und von ihm ausgesandt zu werden, damit sie predigten (vgl. Mk 3,14),
und so wurden sie mit Freude erfüllt. Weshalb lassen nicht auch wir uns von diesem
Strom der Freude mitreißen?
4. „Die große Gefahr der Welt von heute mit ihrem
vielfältigen und erdrückenden Konsumangebot ist eine individualistische Traurigkeit,
die aus einem bequemen, begehrlichen Herzen hervorgeht, aus der krankhaften Suche
nach oberflächlichen Vergnügungen, aus einer abgeschotteten Geisteshaltung“ (Apostolisches
Schreiben Evangelii gaudium, 2). Aus diesem Grund hat die Menschheit großen Bedarf,
aus der Erlösung durch Christus zu schöpfen. Die Jünger sind diejenigen, die sich
von der Liebe Jesu immer mehr ergreifen und vom Feuer der Leidenschaft für das Reich
Gottes prägen lassen, damit sie zu Boten der Freude des Evangeliums werden. Alle Jünger
des Herrn sind berufen, die Freude an der Evangelisierung zu vermehren. Die Bischöfe
haben als Erstverantwortliche der Verkündigung die Aufgabe, die Einheit ihrer Ortskirche
beim Engagement für die Mission zu stärken. Dabei sollen sie berücksichtigen, dass
die Freude, Jesus Christus bekannt zu machen, zum einen durch die Sorge um die Verkündigung
an den entferntesten Orten, aber auch durch ein beständiges Hinausgehen zu den Peripherien
des eigenen Territoriums zum Ausdruck kommt, wo besonders viele arme Menschen warten.
In
vielen Regionen mangelt es an Berufungen zum Priesteramt und zum geweihten Leben.
Oft ist dies darauf zurückzuführen, dass es den Gemeinden an einem ansteckenden apostolischen
Eifer fehlt, daher wenig Begeisterung aufkommt und sie nicht attraktiv erscheinen.
Die Freude des Evangeliums rührt aus der Begegnung mit Christus her und aus dem Teilen
mit den Armen. Deshalb ermutige ich alle Pfarrgemeinden, Vereine und Gruppen zu einem
intensiven brüderlichen Leben, das auf der Liebe zu Jesus gründet und auf die Bedürfnisse
der am meisten Notleidenden Rücksicht nimmt. Wo die Freude, der Eifer und der Wunsch
bestehen, Christus zu den anderen zu bringen, wachsen auch echte Berufungen. Unter
diesen darf die Berufung der Laien zur Mission nicht unerwähnt bleiben. Mittlerweile
ist das Bewusstsein von der Identität und der Sendung der gläubigen Laien in der Kirche
gewachsen, wie auch das Wissen darum, dass sie berufen sind, eine zunehmend wichtige
Rolle bei der Verbreitung des Evangeliums zu übernehmen. Aus diesem Grund ist eine
angemessene Ausbildung im Hinblick auf ein wirkkräftiges apostolisches Handeln von
Bedeutung.
5. «Gott liebt einen fröhlichen Geber» (2 Kor 9,7). Der Weltmissionssonntag
ist auch ein Tag, an dem wir den Wunsch und die moralische Pflicht zur freudigen Teilnahme
an der Mission ad gentes neu aufleben lassen. Die persönliche Spende ist ein Zeichen
unseres eigenen Opfers, zuerst für den Herrn und auch für die Mitmenschen, denn der
eigene materielle Beitrag soll Werkzeug der Evangelisierung für eine Menschheit sein,
die auf Liebe gründet.
Liebe Brüder und Schwestern, an diesem Weltmissionssonntag
gehen meine Gedanken zu allen Ortskirchen. Wir dürfen uns die Freude an der Evangelisierung
nicht nehmen lassen! Ich lade euch ein, in die Freude des Evangeliums einzutauchen
und eine Liebe zu hegen, die in der Lage ist, eure missionarische Berufung zu erleuchten.
Ich rufe euch auf, wie auf einer inneren Pilgerreise, zu jener „ersten Liebe“ zurückzukehren,
mit der der Herr Jesus Christus, das Herz jedes Einzelnen erwärmt hat, nicht im Sinne
eines nostalgischen Gefühls, sondern um an der Freude festzuhalten. Der Jünger des
Herrn hält an der Freude fest, wenn er bei ihm ist, wenn er seinen Willen tut, wenn
er den Glauben, die Hoffnung und die Liebe des Evangeliums weitergibt.
An Maria,
Vorbild der demütigen und freudigen Evangelisierung, wenden wir uns im Gebet, damit
die Kirche zum Haus vieler wird, zur Mutter aller Völker und das Entstehen einer neuen
Welt möglich macht.
Aus dem Vatikan, am 8. Juni 2014, dem Hochfest von Pfingsten.