2014-06-08 10:02:03

Menschen in der Zeit: Caroline Link – Regisseurin


RealAudioMP3 Eine Sendung von Aldo Parmeggiani

Die in München lebende Cineastin Caroline Link gehört zu den besten deutschen Regisseurinnen und Drehbuchautorinnen der Welt. Ihren größten Erfolg feierte sie mit ihrem dritten Kinofilm „Nirgendwo in Afrika”. Die Adaption von Stefan Zweigs autobiografischem Bestseller wurde in den Kategorien „Beste Regie”, „Beste Kamera”, „Beste Musik” und „Bester Spielfilm” als bester fremdsprachiger Film mit einem Oscar ausgezeichnet. Mit diesem Preis wurde davor nur ein deutscher Film nämlich Volker Schlöndorrfs „Die Blechtrommel” – sowie danach Henckel von Donnersmarcks „Das Leben der Anderen” geehrt.
Ihr lezter großer Spielfilm aus dem Jahre 2013 trägt den Titel: „Exit Marrakech”. Die Crew des Films „Nirgendwo in Afrika” gründete nach den Dreharbeiten übrigens den karitativen Verein ‚Children for a better world’, dessen prominente Kinderpatin die vor genau fünfzig Jahren in Bad Nauheim geborene Caroline Link ist.

War es Ihnen schon immer ein Anliegen, sich auf dem Gebiet der Filmkunst eine Lebensexistenz aufzubauen? Oder hatten Sie auch andere Pläne?

„Es ist nicht so, dass ich schon mit zehn Jahren im Kino saß und wusste: irgendwann werde ich selber Filme drehen. Ich bin in einer kleinen Stadt aufgewachsen in der Nähe von Frankfurt, da gab es ab und zu Kinoprogramm, aber nie etwas ganz Besonderes. Also da wurde ich nicht geprägt. Meine Eltern hatten ein Restaurant, also auch von dieser Seite gab es da keine künstlerischen Ambitionen in der Familie. Es ist eher zufällig entstanden, ich bin als junges Mädchen mit meiner Familie nach München gezogen und habe hier ab und zu gejobbt: an Drehorten, zuerst als Komparse, später als Skriptgirl und da habe ich dann langsam meine Liebe zu diesem Metier, zu dieser Branche entdeckt und zu der Arbeit im Team mit anderen Menschen. Und dann habe ich mich getraut, mich an der Filmhochschule in München zu bewerben. Also, ich bin hier sehr langsam hineingewachsen.”

Welche Voraussetzungen muss eine Filmemacherin besitzen, um sich auf dem Gebiet der Kinokunst erfolgreich behaupten zu können?

„Es gibt verschiedene Ansätze Kino zu machen. Es gibt Menschen, die sind sehr formalistisch, die studieren ganz besonders das Kino, den Film in seiner Form, wobei eine leere Form ohne Inhalt natürlich völlig irrelevant und unwichtig ist. Für mich war nicht das Kino als Medium an sich das Entscheidende, sondern immer die Figuren, die in diesen Geschichten erzählt werden. Also ich glaube, wenn man gute Filme machen möchte, da muss man ein echtes, wahres Interesse an den Menschen haben. Man muss über menschliche Begebenheiten, Schicksale und Konstellationen und vor allem über menschliche Figuren in ihren ganzen Abgründen und in ihren Stärken erzählen wollen. Und man muss eine gewisse Fähigkeit haben, genau hinzuschauen und diese Menschen studieren, die einem im Leben und im Alltag begegnen.”

Gerade wollte ich Sie fragen, Frau Link: In Ihrer künstlerischen Arbeit bringen Sie sich ja auch persönlich sehr intensiv mit ein: Sie müssen sich als Autorin in die verschiedensten Persönlichkeiten und Charaktere hineinfühlen können. Sie bestimmen damit sozusagen die Tonart des Films. Was reizt Sie an der Regie am meisten? Die Intuition? Die Empathie? Die Erfahrung? Die Menschenführung?

„(Lacht) Ja, das alles zusammen. Das ist das, was ich an meinem Beruf so liebe. Dass ich in sehr verschiedenen Stadien mich bewege und arbeite, bis ein Film fertig ist. Also, zuerst sitze ich ziemlich alleine irgendwie am Schreibtisch und denke mir meine Geschichten aus. Ich gehe aber auch spazieren oder fahre im Auto, höre Musik, die mich inspiriert, lass mich irgendwie in einen anderen Zustand versetzen, um tief in meine Geschichten, in meine Ideen einzutauchen. Das ist eine sehr schöne und kreative Zeit, die aber auch ein bisschen einsam ist. Dann beginne ich meine eigenen Visionen, meine Gedanken, das, was ich da ausgebrütet habe, in einem stillen Raum. zu lieben. Mit einem ganzen Team umzusetzen. Meine Schauspieler liebe ich ganz besonders und trage sie immer auf Händen, weil ich glaube, dass sie für mich wirklich ein sehr, sehr kostbares Gut sind, weil sie meine privaten Gedanken zum Leben erwecken können.”


Welche Kunstart nähert sich eigentlich am meisten der Filmkunst? Ist es die Malerei, die Musik, die Literatur, die Architektur? Oder umgekehrt: muss sich die Filmkunst in all diese Kategorien irgendwie mit einbinden?

„Ich würde sagen, meine Filme verdanken der Musik sehr viel. Ich habe einen Komponisten. Riki Reiser aus der Schweiz, der die Musik zu meinen Filmen macht. Er ist mittlerweile wirklich ein Verbündeter, ein Seelenverwandter: Wir brauchen gar nicht mehr viele sprechen, wir ticken ähnlich, wir empfinden ähnlich. In der Musik und in der Intuition kann man ausprobieren und sich zusammen in die richtige Stimmung versetzen. Also die Musik ist sehr wichtig für meine Filme. Ich glaube aber auch, dass die Literatur mit dem Film verwandt ist, weil sie versucht, Charaktere auf dem Papier entstehen zu lassen. Ich versuche das dann mit dem Medium Film weiter zu führen. Es ist immer das Hineinversetzen können in fremde Welten. Welten, die dann immer auch zu der eigenen werden, weil man erreichen möchte, dass die Menschen sich mit einfühlen, in das eintauchen können, was man da erzählt.”


Nach den Dreharbeiten beginnt das Gestalten des Films zu einem Gesamtkunstwerk. Wie der Ton beim Töpfer etwa, wenn Sie mir diesen Vergleich erlauben. Kann in dieser Phase noch etwas herausgeholt werden, was beim Drehen vielleicht nicht so ganz gelungen ist?

„Im Schneideraum kann man in der Tat noch vieles gestalten und in eine gewisse Richtung verändern. Ich würde sagen: wenn drei verschiedene Regisseure mit dem gleichen Drehmaterial in den Schneideraum gehen, würden alle drei, drei verschiedene Filme machen. Da bin ich mir ganz sicher. Aber trotzdem glaube ich, dass man im Endeffekt schon am Drehort das herstellen muss und das kriegen muss, was man im Schneideraum dann braucht, um den Film wirklich so werden zu lassen, wie man sich das vorgestellt hat. Mann kann im Schneideraum sehr viel machen, aber man kann nicht alles machen. Man kann nicht zaubern. Und der wichtigste Moment ist doch tatsächlich der, wenn die Kamera läuft. Und wenn man mit den Schauspielern versucht, eine gewisse Magie herzustellen, den man hinterher – vielleicht mit ein bisschen Musik –noch ein bisschen manipulieren kann.

Wie beschreiben Sie Ihren Seelenzustand, wenn Sie selbst Ihren Film zum ersten Mal so sehen, wie er dem Publikum gezeigt wird? Im Endzustand sozusagen.

„Ein Moment der Erkenntnis ist immer der, wenn ich vom Drehort in den Schneideraum komme und die Cutterin schon ein bisschen vorgearbeitet hat. Da sehe ich die ersten Szenen und meistens bin ich dann ganz fürchterlich erschrocken, weil nichts so ist, wie ich mir es vorgestellt habe. Und alles ist anders, und ich denke: o Gott, jetzt ist alles daneben gegangen, jetzt werden alle Menschen herausfinden, dass ich doch nichts kann. Da bekommt man große Zweifel. Aber dann formt man das gemeinsam mit der Cutterin, zu dem man dann doch stehen kann. Da gibt es dann noch einmal Zweifel und Unsicherheiten, doch langsam wird das Werk zum eigenen Kind und wird zu einem Teil von einem selbst.”

Im Mittelpunkt Ihres filmischen Schaffens stehen sehr oft Ehe und Familie: hat das persönliche Gründe?

„Ja. Das hat mehr oder weniger einen bewussten und unterbewussten Grund, dass ich mich immer wieder mit Familie auseinandersetze. Mit der Konstellation: Generationen treffen aufeinander, es geht immer in einer oder anderen Form um Kommunikation. Es geht immer darum: wie geht man in die Beziehung mit den anderen, mit der Familie. Es ist ein bisschen das Gefühl von einer fest gegebenen Struktur, aus der man nicht ausbrechen kann und in meiner Wahrnehmung auch nicht ausbrechen soll. In der man sich immer darauf besinnt, dass das die Wurzel ist: also die Familie ist für mich der Ort, an dem ich großes Glück, Geborgenheit empfinde, natürlich auch Leid, in dem ich
alles über meine eigenen Schwächen und meine Komplexe, meine Unsicherheiten gelernt habe und vielleicht zum Teil auch beigebracht bekommen habe. Eine Familie kann auch schrecklich verletzen und weh tun und alle Abgründe aufzeigen. Und auf der anderen Seite ist es aber auch der Ort, der mich geprägt hat. Das ist so das kleinste soziale Gefüge in unserer Gesellschaft. Und was in der Familie geschieht, das überträgt sich auch auf die Welt nach draußen. Es ist auf jeden Fall der Ort, der uns im positiven wie im negativen entscheidend prägt und deswegen interessiert er mich immer wieder.”

Haben Sie schon an die Realisierung eines Films mit religiösem Inhalt gedacht? Welche Thema würde Sie da besonders reizen?

„Ehrlich gesagt, habe ich das nicht. Meine Form, mich mit Religion auseinanderzusetzen ist eher, dass ich das große Ganze erkennen möchte, worum es geht im Leben. Mein Gewissen, meine Gefühle für andere Menschen, für die Natur, für die Welt, in der ich lebe. Mein Gewissen sagt mir, was richtig und was falsch ist - hoffentlich immer in einem ausreichendem Maße. Das spiegelt sich in so vielen zwischenmenschlichen Details und Beziehungen zueinander. Ich glaube nicht, dass ich in einem Film direkt über Gott sprechen könnte. Dieses Thema würde ich wahrscheinlich nicht wählen.”

Sie sind Patin des karitativen Hilfsvereins für Kinder: ‚Children for a better world’. Was hat Sie zu dieser besonderen Schutzfunktion bewogen?

„Was ich an dieser Hilfsorganisation toll finde, ist, dass Kinder sehr früh miteingebunden werden in Entscheidungsprozesse, dass Kinder, denen es gut geht, die aus unserer Welt kommen, deren Eltern über gewisse Möglichkeiten verfügen, dass die sich stark machen für Kinder, denen es nicht so gut geht. Also, dass nicht nur die Erwachsenen entscheiden, sondern dass Kinder und Jugendliche mit ihren Hilfsprojekten und Ideen und Ansätzen aktiv werden und das Gefühl haben: ich kann sehr wohl etwas tun, ich kann in dieser Welt etwas verbessern oder verändern und ich kann den Ort, an dem ich lebe, prägen.”

Was lässt Sie menschlich mehr wachsen: das Scheitern oder das Gelingen?

„Ooooooh! Das Scheitern gehört dazu, um das Gelingen wirklich zu wertschätzen. Ich habe mit meinen sehr frühen beruflichen Erfolg gedacht – und da wurde ich dann doch ein bisschen hochnäsig – na ja gut, so scheint es bei mir zu funktionieren. Ich mache einen Film, dann bekomme ich Preise, dann mach ich meinen nächsten Film und so geht es weiter…… Ich habe schon eine große Dankbarkeit empfunden, das habe ich immer. Ich habe immer gedacht, wie wunderbar, dass ich das machen darf. Dass ich diesen Beruf ausüben darf. Dass ich in dieser privilegierten Situation bin, meinen Blick auf die Welt zu schildern. Ich habe als Mensch, als Caroline, gedacht, ich kann das jetzt anscheinend und so geht es dann immer weiter…..Dadurch, dass man dann auch mal was macht, das vielleicht nicht so viel Aufmerksamkeit bekommt, das kommerziell nicht so erfolgreich ist, das nicht so gute Kritiken bekommt, wird man wieder demütiger und man wird zweifelnder und im Zweifelsfall ist das Zweifeln und das Infragestellen immer ein guter Ratgeber, um die eigene Arbeit und die Qualität der Arbeit zu überprüfen. Wenn ich denke, wie mein erster Film “ Jenseits der Stille” entstanden ist, da war ich voller Zweifel und Unsicherheiten, aber ich habe irgendwie in mir auch gespürt, was mir Kraft gegeben hat: Ich habe immer wieder neu mein Drehbuch überarbeitet, hart daran gearbeitet, an diesen meinen ersten Film. Ich glaube, ohne dies geht es nicht. Man muss schon auch wirklich immer wieder mit dem Scheitern konfrontiert werden, damit man zu einer wirklich guten und sinnvollen Arbeit kommt. Sonst wird man selbstgefällig und dann ist das Ergebnis nicht mehr richtig gut. Ich war großzügig und ich war dankbar, im Moment des Siegens des Gelingens, aber für mich als Mensch habe ich auch viel profitiert davon, dass manchmal dann die Dinge nicht so ganz geklappt haben, wie ich es mir erwartet habe.”

(rv 08.06.2014 ap)







All the contents on this site are copyrighted ©.