2014-06-04 16:26:21

China: 100.000 Demonstrationen in 2013


RealAudioMP3 Chinas Zivilgesellschaft ist in den letzten Jahren zunehmend erwacht, doch Kontrollen und Gängelungen durch den Staat stehen immer noch auf der Tagesordnung. Die Demokratiebewegung in der Volksrepublik gedenkt an diesem Mittwoch, dem 4. Juni, dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking vor 25 Jahren – im Vorfeld des Jahrestages verstärkte das Regime die Internetzensur und das Aufgebot an Polizei und Sicherheitskräften auf dem historisch bedeutsamen Platz. Wie steht es um das Tauziehen zwischen Landesführung und Demokratiebewegung in China – das wollte das Kölner Domradio vom Leiter des China-Zentrums e.V. in Sankt Augustin wissen. Pater Martin Welling:

„Es gibt relativ viele Demonstrationen in China. Man glaubt es kaum: Im letzten Jahr wurden veröffentlicht, dass es zwischen 80.000 und über 100.000 kleinere bis große Demonstrationen gab. Es ist also nicht völlig unmöglich, aber die Anzeichen sind so, dass das Regime wohl relativ fest im Sattel sitzt.“

Für die chinesische Regierung sei es sehr wichtig, zu zeigen, dass alles, was sie tut, vor Hintergrund der Stabilität des Landes gerechtfertigt sei, so Welling weiter. Die Kommunistische Partei habe hier einen deutlichen Alleinvertretungsanspruch.

„Das heißt, jede kleine oder kleinste Anfrage, die an den Alleinanspruch der Partei gerichtet wird, macht die Partei sehr nervös. Sie versucht also noch das kleinste mögliche Feuerchen auszumachen, sobald etwas aufkommt. Manche wissen das gar nicht, aber die Kommunistische Partei hat nur etwa 80 Millionen Mitglieder in einem Land von 1,4 Milliarden Menschen. Das heißt, dass zum Machterhalt auch auf die kleinsten Bewegungen reagiert wird.“

Aus den Versprechungen, die der chinesische Staatspräsident Xi Jinping am Anfang seiner Regierungszeit gemacht hatte – Wahrung der Menschenrechte und ein rechtsstaatliches System – sei nicht viel geworden, so der Experte:

„Heute ist es schon eher umgekehrt: dass, wenn jemand von einem rechtsstaatlichen System spricht, ihn dies durchaus in ein Arbeitslager bringen kann. Es wurde gesagt, ,die Arbeitslager sollen aufgelöst werden‘ – und einige scheinen aufgelöst worden zu sein, aber man weiß nicht: wo sind denn jetzt die Menschen hin? Dafür gibt es wieder andere Lager, sog. Zentren für Menschen, die sich in unnormaler Weise über Behörden beschweren. Das wird also als psychische Krankheit beschrieben! Also auf der einen Seite sehen die Menschen, es gibt viele Versprechungen, die Hoffnungen machen und auch in die richtige Richtung zeigen, aber dann bei der eigentlichen Verwirklichung gibt es große Enttäuschung. Und wenn diese Differenz zu groß wird, dann kann natürlich auch in einem Riesenland wie China etwas passieren, dass die Menschen schlicht und einfach zu enttäuscht sind. Die sozialen Probleme sind riesig, der Generationenkonflikt – wenn ein Kind später vier bis sechs erwachsene Menschen unterstützen muss. Das birgt sehr große soziale Gefahren.“

Zur Lage der Katholiken in der Volksrepublik sagte der Steyler Missionar:

„Sie können ihren Glauben eigentlich recht frei leben; es wird keiner verhaftet, nur weil er sagt, er sei Christ. Was die Regierung aber möchte: Sie will alles unter Kontrolle haben. Was sie nicht unter Kontrolle haben kann, macht sie nervös - etwa die Untergrundkirchen, sie lassen sich nicht offiziell registrieren. Das wird beargwöhnt, und die Gläubigen und Priester werden dazu gedrängt, in die Patriotische Vereinigung einzutreten. Im evangelischen Bereich haben wir die Hauskirchen. Keiner weiß genau, wie viele, einige sagen 40, einige 100 Millionen Menschen, die in einer Grauzone der Legalität leben, ihren Glauben leben, sich aber nicht registrieren lassen. Das mag die Regierung überhaupt nicht.“

Im Verhältnis zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik beobachtet Welling eine relative Stille:

„Es gab einmal die Äußerung, der Papst habe an Xi Jingping einen Brief geschrieben, woraufhin die Vertretung der Patriotischen Kirche gleich sagte: ,Ja, misch dich nicht in unsere inneren Angelegenheit ein!' Im Augenblick merken wir gar nicht, dass sich etwas Positives tut. Im Gegenteil - in der letzten Zeit gab es größere Spannungen in Wenzhou - dort wurden mittlerweile 64 Kirchen zum Teil zerstört, die Kreuze abgenommen oder die illegalen Teile der Kirchen abgeschlagen. Dann gibt es neue Bestimmungen für Waisenheime, die gerade die Waisenheime im Untergrund betreffen... Der Druck ist in der letzten Wochen stärker geworden.“

(domradio/rv 04.06.2014 pr)







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