Afrika: „Wirtschaftswachstum kommt nicht bei Bevölkerung an”
Das Wirtschaftswachstum
in den afrikanischen Ländern südlich der Sahara ist beträchtlich – aber es kommt bei
vielen Menschen nicht an. Das sagt die Direktorin des Internationalen Währungsfonds
Christine Lagarde im Gespräch mit Radio Vatikan. Der IWF prognostiziert den Ländern
südlich der Sahara für dieses Jahr ein Wachstum von 5,5 Prozent. Christine Lagarde:
„Die Lage in Afrika hat sich verändert. Sie ist übergegangen von der notwendigen
Stabilisierung auf die aktuelle Debatte über Wachstum. Aber welches Wachstum? Zu wessen
Nutzen? Zunächst stellen wir die erzielten Fortschritte fest: Die Armutsrate im Afrika
südlich der Sahara ist um zehn Prozent gesunken, seit die Millenniumsziele verabschiedet
wurden. Doch gleichzeitig ist die extreme Armut gleich geblieben. Auf makroökonomischer
Ebene ist die Lage eher stabil für die Länder der Gegend, wenn wir auf Faktoren wie
Budgetdefizit und Handelsbilanz schauen, und die Wachstumsaussichten sind gut.“
Lagarde
sieht jetzt die einzelnen Länder in der Pflicht.
„Jetzt müssen die Länder
und die afrikanischen Autoritäten entscheiden, auf welche Weise sie dieses Wachstum
organisieren wollen: ob sie, wozu wir raten, das ,inklusive‘ Wachstum vorantreiben
wollen, ein Wachstum also, von dem der größtmögliche Teil der Bevölkerung profitiert
– und welche Mittel sie dazu benutzen wollen. Wir wissen, dass es unter diesen Bedingungen
möglich ist, Armut und sogar extreme Armut im Afrika südlich der Sahara zu vermindern.“
Der
Internationale Währungsfonds musste sich schon des Öfteren gegen Kritik verteidigen,
den Volkswirtschaften teure ökonomische Marschrouten zu verordnen, die zu Verarmung
und Arbeitslosigkeit führen. Kritik, die Christine Lagarde nicht gelten lässt.
„Dieser
Vorwurf zielt auf den Währungsfonds, wie er einmal war. Das ist nicht der Währungsfonds
von heute. Heute sorgt sich der IWF sehr um die Folgen der Programme, die gemeinsam
mit den afrikanischen Autoritäten abgestimmt werden. Wenn man Länder vergleicht, die
ein Programm des IWF durchlaufen, und andere, die das nicht tun, sieht man, dass die
Teilnehmerländer im Schnitt 20 Prozent mehr öffentliche Gelder in Bildung und 40 Prozent
mehr in das Gesundheitssystem stecken als die anderen. Vielleicht sind solche Programme
schmerzhaft im Augenblick ihrer Einführung, aber zumindest führen sie zu einer guten
Verwendung öffentlicher Gelder.“
Viele afrikanische Länder stützen sich
in ihrem ökonomischen Wohlergehen auf nur wenige Sektoren, etwa Landwirtschaft oder
Erdöl. Eine solche Wirtschaftsstruktur birgt erhebliche Risiken, etwa bei Missernten.
Um ein nachhaltigeres Wachstum zu erzielen, rät Christine Lagarde:
„Länder,
die viele natürliche Ressourcen haben, sollten dazu übergehen, sie besser zu nutzen.
Der zweite Imperativ ist, alle Ressourcen in den Blick zu nehmen: Bodenschätze und
Bevölkerung, Transport, Infrastruktur und so weiter, und festzulegen, wo die Auffächerung
der Wirtschaft nützlich sein kann. Ein Beispiel: Es lohnt sich nicht, die Auffächerung
der Wirtschaft zu betreiben, wenn dann keine Infrastruktur vorhanden ist und keine
Energie, um zu produzieren. Einige Länder wie Uganda oder Tansania haben bereits begonnen,
solche Praktiken zu beherzigen.“