Volltext: Papstpredigt vor Bischöfen des Heiligen Landes
Papst Franziskus feierte eine Heilige Messe mit den Ordinarien des Heiligen Landes
und dem Päpstlichen Gefolge im Abendmahlssaal zu Jerusalem. Hier die Predigt im Wortlaut:
Liebe
Brüder, es ist ein großes Geschenk, das der Herr uns macht, uns hier im Abendmahlssaal
zu versammeln, um Eucharistie zu feiern. Hier, wo Jesus mit den Aposteln das Letzte
Abendmahl einnahm; wo er, auferstanden, in ihrer Mitte erschien; wo der Heilige Geist
mit Macht auf Maria und die Jünger herabkam. Hier ist die Kirche geboren, und sie
ist im Aufbruch geboren. Von hier ist sie ausgegangen, das gebrochene
Brot in den Händen, die Wunden Jesu vor Augen und den Geist der Liebe im Herzen. Vom
Vater gesandt, übertrug der auferstandene Jesus im Abendmahlssaal den Aposteln seinen
eigenen Geist, und mit dieser Kraft sandte er sie aus, das Antlitz der Erde zu erneuern
(vgl. Ps 104,30).
Hinausgehen, aufbrechen heißt nicht vergessen. Die
Kirche im Aufbruch bewahrt das Gedächtnis dessen, was hier geschehen ist; der
Heilige Geist erinnert sie an jedes Wort, an jede Geste und offenbart deren Sinn. Der
Abendmahlssaal erinnert uns an den Dienst, die Fußwaschung, die Jesus vorgenommen
hat, als Beispiel für seine Jünger. Einander die Füße waschen bedeutet einander annehmen,
akzeptieren, lieben, einander dienen. Das heißt, dem Armen, dem Kranken, dem Ausgeschlossenen,
denjenigen, der mir unsympathisch oder stört, zu dienen. Der Abendmahlssaal erinnert
uns mit der Eucharistie an das Opfer. In jeder Eucharistiefeier bringt Jesus
sich für uns dem Vater dar, damit auch wir uns mit ihm verbinden können, indem wir
Gott unser Leben, unsere Arbeit, unsere Freuden und unsere Leiden darbringen…, alles
als ein Opfer im Geiste darbringen. Der Abendmahlssaal erinnert uns an die Freundschaft.
»Ich nenne euch nicht mehr Knechte«, sagte Jesus zu den Zwölf, »…vielmehr habe ich
euch Freunde genannt« (Joh 15,15). Der Herr macht uns zu seinen Freunden, er
weiht uns in den Willen des Vaters ein und schenkt uns sich selbst. Das ist die schönste
Erfahrung des Christen und in besonderer Weise des Priesters: Freund Jesu, des Herrn,
zu werden. Jesus ist ein Freund. Der Abendmahlssaal erinnert uns an den Abschied
des Meisters und an die Verheißung, wieder mit seinen Freunden zusammenzukommen:
»Wenn ich gegangen bin … komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch
ihr dort seid, wo ich bin« (Joh 14,3). Jesus trennt sich nicht von uns, er
verlässt uns nie, er geht uns voran in das Haus des Vaters, und dorthin will er uns
mitnehmen. Aber der Abendmahlssaal erinnert uns auch an die Kleinlichkeit,
an die Neugier – „Wer ist der Verräter?“ – an den Verrat. Und jeder
von uns, nicht immer nur die anderen, kann diese Verhaltensweisen annehmen, wenn wir
selbstgefällig auf den Bruder schauen, ihn verurteilen; wenn wir mit unseren Sünden
Jesus verraten. Der Abendmahlssaal erinnert uns an das Miteinander-Teilen,
an die Brüderlichkeit, an die Harmonie, an den Frieden unter
uns. Wie viel Liebe, wie viel Gutes ist aus dem Abendmahlssaal hervorgegangen! Wie
viel Nächstenliebe ist von hier ausgegangen, wie ein Fluss aus der Quelle, der anfangs
ein Bach ist und dann anschwillt und groß wird… Alle Heiligen haben hier aus dieser
Quelle geschöpft; der große Strom der Heiligkeit der Kirche nimmt immer von hier aus
seinen Anfang, immer neu, vom Herzen Jesu, von der Eucharistie, von seinem Heiligen
Geist her. Schließlich erinnert uns der Abendmahlssaal an die Geburt der neuen
Familie, unserer heiligen Kirche, die vom auferstandenen Jesus gegründet ist.
Eine Familie, die eine Mutter hat, die Jungfrau Maria. Die christlichen Familien gehören
zu dieser großen Familie, und in ihr finden sie Licht und Kraft, um durch die Mühen
und Prüfungen des Lebens hindurch voranzugehen und sich zu erneuern. In diese große
Familie sind alle Kinder Gottes aus allen Völkern und Sprachen eingeladen – alle Geschwister
und Kinder des einen Vaters im Himmel. Das ist der Horizont des Abendmahlssaals:
der Horizont des Auferstandenen und der Kirche.Von hier geht die Kirche im Aufbruch
aus, belebt vom Lebenshauch des Geistes. Indem sie zusammen mit der Mutter Jesu im
Gebet verharrt, lebt sie immer wieder in der Erwartung einer erneuten Ausgießung des
Heiligen Geistes: Dein Geist, o Herr, komme herab und erneuere das Antlitz der Erde
(vgl. Ps 104,30)!