Hier lesen Sie den Volltext der Predigt von Papst Franziskus bei der Messfeier in
Amman am Samstag in der offiziellen deutschen Übersetzung.
Im Evangelium
haben wir die Verheißung Jesu an seine Jünger gehört: »Ich werde den Vater bitten,
und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll«
(Joh 14,16). Der erste Beistand ist Jesus selber; der „andere“ ist der Heilige Geist.
Hier
befinden wir uns nicht weit von dem Ort, an dem der Heilige Geist machtvoll auf Jesus
von Nazareth herabkam, nachdem Johannes ihn im Jordan getauft hatte (vgl. Mt 3,16),
und heute werde ich mich dorthin begeben. Das Evangelium dieses Sonntags und auch
dieser Ort, an dem ich mich, Gott sei Dank, als Pilger befinde, laden uns daher ein,
über den Heiligen Geist nachzudenken, über das, was er in Christus und in uns vollbringt
und was wir so zusammenfassen können: Der Geist vollzieht drei Handlungen: Er bereitet
vor, er salbt und er sendet aus.
Im Augenblick der Taufe lässt der Geist
sich auf Jesus nieder, um ihn auf seine Heilssendung vorzubereiten – eine Sendung,
die durch den Stil des demütigen und gütigen Knechtes gekennzeichnet ist, der bereit
ist zum Teilen und zur völligen Hingabe seiner selbst. Doch der Heilige Geist, der
seit Anbeginn der Heilsgeschichte zugegen ist, hatte in Jesus schon im Moment seiner
Empfängnis im jungfräulichen Schoß Marias von Nazareth gewirkt, als er das wunderbare
Ereignis der Menschwerdung verwirklichte: „Der Heilige Geist wird dich erfüllen, dich
überschatten“, sagt der Engel zu Maria, „und du wirst einen Sohn gebären, dem sollst
du den Namen Jesus geben“ (vgl. Lk 1,35). Später hatte der Geist am Tag der Darstellung
Jesu im Tempel in Simeon und Hanna gewirkt (vgl. Lk 2,22). Beide in Erwartung des
Messias, beide vom Heiligen Geist inspiriert, erfassen Simeon und Hanna beim Anblick
des Knaben intuitiv, dass er genau der vom ganzen Volk Erwartete ist. Im prophetischen
Verhalten der beiden ehrwürdigen Greise kommt die Freude der Begegnung mit dem Erlöser
zum Ausdruck und vollzieht sich in gewisser Weise eine Vorbereitung der Begegnung
zwischen dem Messias und dem Volk.
Die verschiedenen Momente des Wirkens
des Heiligen Geistes sind Teil eines harmonischen Tuns, eines einzigen göttlichen
Plans der Liebe. Die Sendung des Heiligen Geistes besteht nämlich darin, Harmonie
zu schaffen – er selbst ist Harmonie – und in den verschiedenen Zusammenhängen sowie
unter unterschiedlichen Personen Frieden zu stiften. Die Verschiedenheit der Menschen
und des Denkens darf nicht Ablehnung und Hindernisse auslösen, denn die Vielfalt ist
immer eine Bereicherung. Rufen wir darum heute mit brennendem Herzen den Heiligen
Geist an, und bitten wir ihn, den Weg des Friedens und der Einheit vorzubereiten.
Zweitens,
der Heilige Geist salbt. Er hat Jesus innerlich gesalbt, und er salbt die Jünger,
damit sie die gleiche Gesinnung wie Jesus haben und so in ihrem Leben Verhaltensweisen
annehmen können, die den Frieden und die Gemeinschaft fördern. Mit der Salbung des
Geistes wird unser Menschsein von der Heiligkeit Jesu Christi geprägt und macht uns
fähig, die Mitmenschen mit derselben Liebe zu lieben, mit der Gott uns liebt. Darum
ist es nötig, Zeichen der Demut, der Brüderlichkeit, der Vergebung und der Versöhnung
zu setzen. Diese Zeichen sind Voraussetzung und Bedingung für einen wahren, beständigen
und dauerhaften Frieden. Bitten wir Gott, uns zu salben, damit wir ganz seine Kinder
und Christus immer ähnlicher werden, um uns alle als Brüder und Schwestern zu fühlen,
so Groll und Spaltungen aus unserer Mitte zu entfernen und uns brüderlich zu lieben.
Das ist es, was Jesus im Evangelium von uns verlangt hat: »Wenn ihr mich liebt, werdet
ihr meine Gebote halten. Und ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen
Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll« (Joh 14,15-16).
Und
schließlich sendet der Heilige Geist aus. Jesus ist der Gesandte, erfüllt vom Geist
des Vaters. Vom gleichen Geist gesalbt, sind auch wir ausgesandt als Boten und Zeugen
des Friedens. Wie sehr braucht die Welt uns als Boten des Friedens, als Zeugen des
Friedens! Das ist ein Bedürfnis, das die Welt hat. Auch die Welt bittet uns, das zu
tun: den Frieden zu bringen, den Frieden zu bezeugen!
Den Frieden kann
man nicht kaufen, er wird nicht feilgeboten: Er Der Friede ist ein
Geschenk, das man geduldig suchen und „von Hand“ aufbauen muss durch kleine und große
Handlungen, die unser alltägliches Leben einbeziehen. Der Weg zum Frieden festigt
sich, wenn wir erkennen, dass wir alle das gleiche Blut haben und Teil des Menschengeschlechts
sind; wenn wir nicht vergessen, dass wir einen einzigen Vater im Himmel haben und
alle seine Kinder sind, geschaffen als sein Abbild, ihm ähnlich.
In diesem
Geist umarme ich euch alle: den Patriarchen, die Mitbrüder im Bischofsamt, die Priester,
die gottgeweihten Personen, die gläubigen Laien sowie die vielen Kinder, die heute
die erste heilige Kommunion empfangen, und ihre Angehörigen. Mein Herz wendet sich
auch den zahlreichen christlichen Flüchtlingen zu. Wenden auch wir alle uns mit unserem
Herzen ihnen, den zahlreichen Flüchtlingen aus Palästina, Syrien und Irak zu!:
Bringt meinen Gruß und meine Nähe in eure Familien und Gemeinden!
Liebe
Freunde, liebe Brüder und Schwestern, der Heilige Geist ist am Jordan auf Jesus herabgekommen
und hat den Anstoß zu seinem Werk der Erlösung gegeben, um die Welt von Sünde und
Tod zu befreien. Ihn bitten wir, unsere Herzen auf die Begegnung mit den Mitmenschen
jenseits der Unterschiede von Ansichten, Sprache, Kultur und Religion vorzubereiten;
unser ganzes Sein mit dem Öl seiner Barmherzigkeit zu salben, das die Wunden der Fehler,
der Verständnislosigkeiten und der Streitigkeiten heilt; und wir bitten ihn um die
Gnade, uns demütig und gütig auszusenden auf die anspruchsvollen, aber fruchtbaren
Pfade der Suche nach dem Frieden. Amen!